Robert Nehring hat nicht viel von Marcel Proust gelesen, stellt aber ebenfalls gern viele Fragen. Interessanten Persönlichkeiten aus dem Büroumfeld schickt er auch mal einen Fragebogen. Diesmal antwortete Malte Tschörtner, Geschäftsführender Gesellschafter von CSMM.
ARBEITEN
1. Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsplatz.
Ein höhenverstellbarer Arbeitsplatz an einer 8er-Bench im Open Space Office.
2. Wie kommen Sie zur Arbeit?
So häufig wie möglich mit dem Fahrrad!
3. Wo arbeiten Sie am liebsten?
Ich schätze die Abwechslung zwischen den Arbeitsmöglichkeiten. Stillarbeiten am Tisch, Videocall im Meetingraum und Projektbesprechung am Tresen.
4. Wie viele E-Mails erhalten Sie im Schnitt pro Tag?
Puh – nie gezählt, aber zu viele ...
5. Wie viele Videocalls haben Sie pro Woche und wie viel Zeit verbringen Sie mit diesen?
Mindestens drei bis vier pro Tag. Von einem fünfminütigen Abstimmungsgespräch mit Kollegen an unseren anderen vier Standorten oder im Homeoffice bis hin zu einem zweistündigen Pitch-Termin mit einem Auftraggeber.
6. Wie viele Stunden verbringen Sie im Schnitt pro Woche in Social-Media-Kanälen?
Maximal zwei Stunden – habe aber auch nur einen LinkedIn-Account.
7. Wie viele Stunden arbeiten Sie im Schnitt pro Woche?
Unterschiedlich – ist mir aber noch nicht zu viel geworden.
8. Wie viele davon derzeit im Homeoffice?
Ein Tag pro Woche ist für mich ideal.
9. Wie werden sich Homeoffice und Hybrid Working wohl entwickeln?
Sie werden fester Bestandteil der Arbeitswelt bleiben. Allerdings muss jede Branche und letztendlich jeder Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitenden das optimale Setting finden. Damit ist die richtige Antwort: individuell.
10. Was sind die neuen Aufgaben des Corporate Office?
Noch mehr als schon zuvor die gebaute Werte- und Kulturlandschaft des Unternehmens darzustellen. Markenwerte müssen erlebbar sein. Das zeitgemäße Office übernimmt zunehmend die Rolle des Employer Branding und wird deshalb immer wichtiger für den Recruiting-Erfolg eines Unternehmens. Und es ermöglicht natürlich die Dinge, die im virtuellen Büro schwer bereitzustellen sind: sozialer Austausch, nicht verabredete Kommunikation und Serendipität.

Die Qualität der Büroflächen spielt künftig eine noch wichtigere Rolle. Abbildung: Gleb Polovnykov, CSMM
11. Steht uns eine Büroflächenreduzierung historischen Ausmaßes bevor?
Meiner Meinung nach nein. Die Frage nach der Flächenzahl habe ich schon immer als ungeeignet empfunden. Es geht, wenn überhaupt, um die Frage nach der Qualität der Flächen, die in Zukunft benötigt werden. Unterm Strich werden Büros nicht zwangsläufig kleiner, aber eben anders gestaltet. Allerdings werden es die nicht nachhaltig geplanten Büroparks in den Randlagen in Zukunft deutlich schwerer haben.
12. Der Mensch ist auch ein territoriales Wesen, das gern seinen festen Platz hat. Haben das die Befürworter von Desk-Sharing und dem Arbeiten von überall nicht bedacht?
Der Mensch ist vor allem verschieden. Manche können damit sehr gut umgehen, andere weniger. Da wird man mit einer Schwarz/Weiß-Einteilung nicht weiterkommen. Aus meiner Sicht lohnt sich eine individuellere Betrachtung. Klar ist, dass das Möglichmachen von Home-/Mobile-Office dem permanenten Vorhalten eines persönlichen Arbeitsplatzes nicht zuletzt aus Nachhaltigkeitsgründen widerspricht. Das bedeutet bei höherem Homeoffice-Anteil die entsprechend geringere Wahrscheinlichkeit eines persönlichen Arbeitsplatzes und umgekehrt.
13. Das Einzelbüro ist so etwas wie der alte weiße Mann der Büroformen geworden. Zu Recht?
Nein – das Einzelbüro ist für mich, sofern es nicht auf eine Monokultur reduziert wird, zunächst ein gleichberechtigter Baustein in der Büroplanung und hat deshalb die gleiche Relevanz wie alle anderen Bereiche. Einzelzimmer sind für manche Branchen essenziell als Rückzugs- und Konzentrationsräume. Wahr ist aber auch, dass die oftmals notwendige Überarbeitung von tradierten Organisationsmodellen in Firmen nicht selten aus Status- und Veränderungsängsten verhindert wird – und damit auch eine bessere Organisation und Kommunikation.
14. Der Trend zum Open Space weicht zunehmend dem zum Activity-Based-Working in Multispaces. Was kommt danach?
Gute Frage – next ...
15. Wer seine Mitarbeitenden auch wieder im Corporate Office sehen möchte, benötigt eine attraktive, moderne Büroeinrichtung, heißt es. Jedoch gelingt dies vielen entsprechend ausgestatteten Unternehmen – etwa Apple – dennoch nicht. Wo liegt der Fehler?
Ob es Apple gelingt oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Scheitern jedoch Unternehmen an dem Thema Bürokonzeption, so kann man vielleicht bei Peter Drucker eine Antwort finden, der der Meinung war: „Culture eats strategy for breakfast.“ Pure Workplace-Strategy ohne Bezugnahme auf die dort arbeitenden Mitarbeitenden, ihre Produkte und natürlich die gewachsenen Prozesse und Strukturen wird sehr schwierig.
16. Wie sähe Ihr Traumbüro aus?
Jeden Tag anders.
17. Wie stellen Sie sich Büros im Jahre 2030 vor?
Ich hoffe, es wird endlich Hoverboards geben!
18. Wie stehen Sie zum Coworking?
Ist eine sinnvolle, aber auch zukünftig nicht ausschließliche Form des Arbeitens.
19. Was halten Sie von New Work?
New Work beschreibt für mich den Wandel der Arbeit im Vergleich zu früher. Arbeit ist heute kommunikativer, vielseitiger und flexibler geworden. Man muss differenzierter auf unterschiedliche Tätigkeiten im Unternehmen eingehen und Konzepte entwickeln, die räumliche Antworten auf diese Anforderungen geben. Davon halte ich eine Menge.
20. Und vom Thema Nachhaltigkeit?
Es ist größte Herausforderung, die gerade wir als Architektinnen und Architekten haben. Schließlich nehmen wir für uns in Anspruch, Lösungen für die Zukunft zu konzipieren. Leider ist der Ressourcenverbrauch in der Bauwirtschaft verglichen mit allen anderen Branchen am höchsten. Antworten können aus meiner Sicht nur im intelligenten Umgang mit unserem Gebäudebestand liegen.

Die Büroeinrichtung den neuen Erfordernissen anzupassen, sollte man nicht auf die lange Bank schieben. Abbildung: Gleb Polovnykov, CSMM
21. Digitalisierung ist …
... der Schlüssel zu einem effizienteren Planungs- und Realisierungsprozess.
22. Welche Utensilien aus der guten alten Analogwelt sollten in einem Office erhalten bleiben?
Meine Welt ist ohne Skizzenrolle schwer vorstellbar. Branchenübergreifend ist es aber dann vielleicht die Kaffeemaschine, die über einen guten Bürotag entscheidet.
23. Der Generation Y rate ich, …
... keine Ratschläge der Generation X anzunehmen.
24. Woran arbeiten Sie gerade?
An einem 50 Fragen umfassenden Interview.
25. Was inspiriert Sie?
Menschen. Egal in welchem Bereich der Architektur ich bisher tätig war: Ich habe gelernt, dass der Mensch zwar im kreativen Prozess (oft) stört, aber als Nutzer der eigentliche Bezugspunkt sein muss.
26. Ihr größter beruflicher Erfolg?
Ich fiebere bei jedem einzelnen Projekt mit und freue mich vor allem, wenn es gelingt, ein gutes Konzept in die Realität zu bringen.
27. Der größte Misserfolg?
Als wir vor fast zehn Jahren den anfänglichen Erfolg unseres Berliner Standortes zunächst nicht verstetigen konnten und traurigerweise Mitarbeitende ziehen lassen mussten. Erfreulicherweise hat sich der Standort aber in den darauffolgenden Jahren sehr gut entwickelt. In diesem Jahr konnten wir sogar ein größeres und natürlich selbst konzipiertes Büro beziehen.
28. Xing oder LinkedIn oder …?
LinkedIn.
29. Apple oder Microsoft?
Apple.
30. Lesen Sie noch Gedrucktes?
Oh ja – leider seit Neuestem mit Brille.
OFFICE-ROXX-BürotrendforumMalte Tschörtner zählt zu den Referenten des OFFICE-ROXX-Bürotrendforums zum Thema Hybrid Working am 3. Februar auf der Ambiente 2023 in Frankfurt/M. Bei Anmeldung ist der Zugang zu Forum und Messe kostenfrei. Mehr Informationen finden Sie hier. |
LEBEN
31. Was würden Sie als „König von Deutschland“ zuerst ändern?
Das darf nur Rio.
32. Was würden Sie gern können?
Ein Instrument spielen – ich bin nach Aussage Dritter leider furchtbar unmusikalisch, was ich allerdings komplett anders sehe.
33. Wo würden Sie am liebsten leben?
Ich mag München.
34. Wobei können Sie gut entspannen?
Bei allen Aktivitäten in den Bergen.
35. Ihr ursprünglicher Berufswunsch?
Pilot.
36. Ihre Hauptcharaktereigenschaften?
Alle Architekten sind sensibel!
37. Ihre Hobbys oder Leidenschaften?
Mountainbike- und Rennrad- sowie natürlich Skifahren.
38. Ihre drei Dinge für die einsame Insel?
Gab es je eine sinnvolle Antwort auf diese Frage?
39. Ihre Lieblingskünstler oder -denker?
Günter Fruhtrunk; Sven Regener.
40. Ihr Lieblingsbuch?
„Der Untergeher“ von Thomas Bernhard.

Wichtiger Bestandteil von New Offices: Räume für sozialen Austausch. Abbildung: Gleb Polovnykov,CSMM
41. Ihr Lieblingsgericht?
Ich bin ein leidenschaftlicher Esser – daher schwer, mich auf ein Gericht festzulegen. Vermutlich aber eine Pasta.
42. Ihre Lieblingsweisheit?
Puh.
43. Haben Sie ein Lebensmotto?
Auf gar keinen Fall.
44. Den Sinn des Lebens …
... hatte mir mein jetzt siebenjähriger Sohn vor zwei Jahren sehr gut erklärt – jetzt bekommen wir es aber beide gerade nicht mehr zusammen.
45. E-Auto oder Verbrenner?
Hybrid.
46. FC Bayern oder Borussia Dortmund oder …?
Naja: einfach, wenn man aus München kommt.
47. Beatles oder Stones, Ärzte oder Hosen oder …?
Natürlich die Stones und natürlich die Hosen.
48. Bier oder Wein?
Wein.
49. Strand oder Berge?
Beides – bei einer harten Entscheidung allerdings Berge.
50. Und Ihre Uhr: analog oder digital?
Unbedingt analog!
![]() Abbildung: Eva Juenger MALTE TSCHÖRTNER
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