Karsten Kossatz ist Experte für neues, flexibles Arbeiten. Das stellte er vor allem mit seinem Start-up Independesk unter Beweis, das sogar den „Löwen“ Carsten Maschmeyer zum Investieren brachte. Wir sprachen mit ihm über unsere neue Arbeitswelt.

Karsten Kossatz, Experte für neues Arbeiten und Gründer von Independesk. Abbildung: Paul Wehden/Independesk.
Karsten, mit deinem Team hast du es geschafft, die Plattform Independesk sehr prominent zu machen. War sie auch erfolgreich? Mit welchem Konzept habt ihr was erreicht?
Karsten Kossatz: Independesk hatte das Ziel, das Airbnb der Arbeitswelt zu sein. Das haben wir deutschlandweit auch gut geschafft: Über 1.700 Locations waren bei uns dabei und über 15.000 User haben sich registriert. Als registrierter Nutzer konnte man sich stundenweise einen Schreibtisch in einem Büro oder Coworking Space bei sich um die Ecke mieten und sogar Meetingräume buchen. Ein Arbeitsplatz lag im Schnitt zwischen 3 und 5 Euro pro Stunde, was ich ziemlich günstig finde.
In drei Jahren sind wir auf ein Team von 18 New-Work-Expertinnen und -Experten angewachsen. Wir haben es geschafft, dem Thema Coworking Aufmerksamkeit im Mainstream zu verschaffen. Ich glaube, dass wir die Coworking-Bewegung weiter nach vorne gebracht haben.
Trotz des Erfolgs musstet ihr Ende November 2022 in die Insolvenz. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Als Start-up ist klar, dass man in den ersten Jahren nicht profitabel sein wird. Man ist darauf angewiesen, dass Investoren in Finanzierungsrunden weiter Geld ins Unternehmen investieren. Nach vielen Lockdowns und zuletzt der Investitionskrise, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurde, hat sich das Investitionsklima drastisch verschlechtert. Im Moment suchen wir nach Investoren, die Teile von Independesk weiterführen oder übernehmen wollen.
Haben sich der Homeofficetrend oder das Back to Büro negativ auf die Nachfrage von flexibel mietbaren Arbeitsplätzen ausgewirkt?
Ein Start-up ist immer eine Wette auf eine bestimmte Marktentwicklung. Wir sind davon ausgegangen, dass zu hybridem Arbeiten der dritte Ort unweigerlich mit dazugehört. Nach wie vor glaube ich, dass Orte, die nicht das Homeoffice oder das eigene Büro sind, zu einem gesunden Mix dazugehören. Aber der Trend geht gerade eher zurück ins Büro. Unternehmen merken, dass Remote Leadership noch lange nicht gelebt wird und freuen sich also umso mehr, wenn Mitarbeitende mal nicht im Homeoffice sitzen, sondern an den gemeinsamen Ort, das Firmenbüro, kommen.
Wie sehr ist Coworking heute wirklich verbreitet?
Man bedenke, dass Firmen inzwischen Stellen ausschreiben, die „fully remote“ sind. Oft wohnen die Mitarbeitenden nicht am Firmensitz und brauchen einen Coworking-Platz in ihrer Nähe. Außerdem gibt es viele Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden alles an Flexibilität ermöglichen wollen. Also denke ich, dass Coworking nach wie vor auf dem Vormarsch ist.

Über Independesk ließen sich sogar Arbeitsplätze auf dem Berliner Fernsehturm mieten. Abbildung: Katrin Bernsteiner.
Wir müssen aber mit einem Missverständnis aufräumen: Viele Unternehmen mieten bei Coworking-Anbietern ganze Flächen an – sodass sich dann ein komplettes, eigenes Firmenbüro im Coworking Space befindet. Das Konzept des „Managed Office“ nimmt gerade rasant zu. Aber ich finde den Begriff Coworking hier nicht passend und irreführend, auch wenn er von einigen Coworking-Anbietern in diesem Zusammenhang genutzt wird.
Die Pandemie ist vorüber – wird die Flexibilität des Arbeitsortes bleiben?
Ich gehe davon aus, dass der flexible Arbeitsort seit der Pandemie nicht mehr wegzudenken ist. Wie aktiv er jedoch genutzt wird, hängt von vielen Faktoren ab: vom Job, von Routinen und nicht zuletzt vom sozialen Gefüge in einem Unternehmen. Ich beobachte immer wieder Unternehmen, die predigen, dass sie „remote first“ seien. Sobald sie eine gewisse Größe erreicht haben, entscheiden sie sich jedoch oft für eigene Büros. Also vermute ich, dass das eigene Büro seine Relevanz nach wie vor behalten wird.
Wie möchte denn die Gen Z künftig arbeiten?
Auch hier möchte ich mit einem Vorurteil aufräumen: Wir neigen dazu, ganze Generationen über einen Kamm zu scheren. Das finde ich nicht richtig. Denn zum einen ist das eine sehr vielfältige Generation und zum anderen ist die Art, wie wir arbeiten, nicht nur persönlichkeits-, sondern auch jobabhängig.
Was wir aber machen können ist, diese Generation im Kontext der zeitlichen Umstände zu sehen: Die Gen Z ist während der Pandemie ins Berufsleben eingestiegen. Viele jahrzehntelange Arbeitsroutinen, die durch den Arbeitsalltag an die nächste Generation „vererbt“ wurden, hat diese Generation durch die veränderten Rahmenbedingungen nicht kennengelernt. Deshalb glaube ich, dass die Gen Z eine Generation des Wandels sein wird oder zumindest die Chance hat, Arbeit in allen Bereichen neu zu denken. Dadurch hat sie die Möglichkeit, eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und ein bedürfnisorientierteres Arbeitsumfeld zu erreichen.
Welche Rolle wird die Nachhaltigkeit künftig in Bezug auf die Wahl von Arbeitsort und Arbeitgeber spielen?
Nachhaltigkeit lässt sich herunterbrechen: Klimaneutralität, Regionalität, Kreislaufwirtschaft und viele andere Aspekte werden im Alltag immer präsenter. Die Wirtschaft nachhaltiger zu machen ist eine zentrale Herausforderung unserer Zeit. Wie relevant sie für die Arbeitswelt sein wird, ist maßgeblich vom Bewusstsein der Arbeitgeber und Arbeitnehmer abhängig. Hier gibt es glücklicherweise immer mehr Start-ups (zum Beispiel Clime aus Berlin), die sich genau dieser Education verschreiben und so das Bewusstsein für einen nachhaltigen Arbeitsalltag steigern. Dass Regionalität eine immer wichtigere Rolle spielt, sehen wir momentan an der Entwicklung von Regional Hero, dem steuerfreien Sachbezug, der nur in der eigenen Region einlösbar ist.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.