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50 Fragen an Prof. em. Dr. Dieter Lorenz

Robert Neh­ring hat nicht viel von Mar­cel Proust gele­sen, stellt aber eben­falls gern vie­le Fra­gen. Inter­es­san­ten Per­sön­lich­kei­ten aus dem Büro­um­feld schickt er auch mal einen Fra­ge­bo­gen. Dies­mal ant­wor­te­te Pro­fes­sor Die­ter Lorenz, Eme­ri­tus der TH Mit­tel­hes­sen und renom­mier­ter Arbeitsplatzexperte.

Prof. em. Dr. Dieter Lorenz. Abbildung: Dieter Lorenz

Prof. em. Dr. Die­ter Lorenz. Abbil­dung: Die­ter Lorenz

ARBEITEN

1. Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsplatz.

Ich habe ein eige­nes Büro bei mir zu Hau­se (cir­ca 14 m2) und arbei­te an einer Bench, die nach mei­nen Anga­ben von der Schrei­ne­rei Schnurr in Mer­din­gen von Wand zu Wand ein­ge­baut wur­de. Bei seit­li­chem Licht­ein­fall arbei­te ich wand­ori­en­tiert. Die Docking-Sta­ti­on für mein Note­book (Fuji­tsu Life Book) ist in der drit­ten Ebe­ne unter­ge­bracht. Mein Bild­schirm (Fuji­tsu) steht in kor­rek­tem Seh­ab­stand und rich­ti­ger Höhe. Ich sit­ze auf einem Büro­dreh­stuhl (Sedus). Ergänzt wird die Aus­stat­tung durch ein HP-Mul­ti­funk­ti­ons­ge­rät. Zusätz­lich besteht die Mög­lich­keit, an einem Steh­tisch zu arbeiten.

2. In welcher Form sind Sie der Bürobranche heute verbunden?

Ich bera­te Unter­neh­men bei der Ein­füh­rung neu­er Büro­for­men (New Work) und füh­re ein mehr­jäh­ri­ges Pro­jekt zur Akzep­tanz non-ter­ri­to­ria­len Büro­for­men (Mul­tispace) bei Nut­zern mit lang­jäh­ri­gen Ein­zel­bü­ro-Erfah­run­gen durch. Seit meh­re­ren Jah­ren neh­me ich die Prü­fun­gen für Qua­li­ty Office Con­sul­tants ab, bin Ehren­mit­glied im Deut­schen Netz­werk Büro sowie Ehren­mit­glied der DNA-Aka­de­mie. Hier arbei­te ich mit unter­schied­li­chen Exper­ten rund um das The­ma Büro zusam­men. Wir ent­wi­ckeln neue, nach­hal­ti­ge, nut­zer­ori­en­tier­te Büroformen.

3. 1994 haben Sie die Arbeit „Lean-Office: die ganzheitliche Optimierung des Büros“ veröffentlicht. Worum ging es da?

Ein wesent­li­cher Bestand­teil mei­nes Lean-Office-Kon­zep­tes war und ist die Pla­nung und Gestal­tung rever­si­bler Büros, also ein Büro­haus so zu pla­nen, dass alle gän­gi­gen Büro­for­men (Ein­zel-, Kom­bi-, Grup­pen-, Groß­raum-Büro und Mul­tispace) dar­in pro­blem­los umge­setzt wer­den kön­nen. Die­ser damals neue Ansatz hat sich zwi­schen­zeit­lich zu einem Stan­dard ent­wi­ckelt. Neben dem rever­si­blen Büro gehört dazu eben­so eine par­ti­zi­pa­ti­ve Büro­pla­nung und deren leicht an die Bedürf­nis­se der jewei­li­gen Abtei­lung und Nut­zer anpass­ba­re Bürogestaltung.

Übri­gens: Als ich damals ankün­dig­te, die Wei­ter­ent­wick­lung des Lean-Office müs­se auch eine Nut­zung der Büro­im­mo­bi­lie als Wohn­raum mit ein­fa­chen Mit­teln zulas­sen, wur­de ich belä­chelt. Das sei doch völ­lig unwirt­schaft­lich und nie­mand bräuch­te eine sol­che Immo­bi­lie. Ich den­ke, heu­te wäre man froh über sol­che Büro­im­mo­bi­li­en, die auch nach ihrer Nut­zung als Büro­haus mit ein­fa­chen Anpas­sungs­maß­nah­men in eine Wohn­im­mo­bi­lie umge­baut wer­den könnten.

4. Wie anschlussfähig finden Sie Ihre Gedanken von damals darüber hinaus?

Gera­de bera­te ich ein Unter­neh­men, das mei­nen Lean-Office-Ansatz vor 25 Jah­ren abge­lehnt hat mit dem Argu­ment, ein rever­si­bles Büro benö­ti­ge höhe­re Raum­hö­hen als ein Zel­len­bü­ro und damit könn­te der Neu­bau nur sechs Stock­wer­ke auf­wei­sen. Das Zel­len­bü­ro konn­te jedoch mit sie­ben Stock­wer­ken gebaut wer­den, um unter der Hoch­haus­gren­ze zu blei­ben; sei also deut­lich wirt­schaft­li­cher. Genau die­ses Gebäu­de berei­tet dem Unter­neh­men jetzt größ­te Pro­ble­me bei der Umstel­lung auf einen non-ter­ri­to­ria­len Mul­tispace. Wer weiß schon, wel­che Büro­form in zehn Jah­ren benö­tigt wird? Hier ist Fle­xi­bi­li­tät auch im Sin­ne von Nach­hal­tig­keit gebo­ten. Mul­ti­funk­tio­na­le Immo­bi­li­en sind nach­hal­tig. Ich stel­le mir eine Immo­bi­lie vor, die unter der Woche oder an drei Tagen ein Büro­haus dar­stellt, aber auch Über­nach­tungs­mög­lich­kei­ten für Mit­ar­bei­ten­de bie­tet, die weit ent­fernt in ihrem Home­of­fice arbei­ten und nur an weni­gen Tagen am Stand­ort des Unter­neh­mens arbei­ten. Auch eine wei­te­re Nut­zung, etwa für kul­tu­rel­le Ange­bo­te, kann ich mir vorstellen.

Zusam­men mit den Exper­ten der DNA-Aka­de­mie ent­wi­ckeln wir das Kon­zept gera­de wei­ter. Dabei geht es um höhe­re Nut­zungs­in­ten­si­tä­ten und weni­ger Leer­stand. Die DNA-Aka­de­mie wird hier­zu dem­nächst eine Ver­öf­fent­li­chung vorstellen.

5. Der coronabedingte Umstieg auf Homeoffice klappte anfangs besser, als viele dachten. Manche fordern seitdem ein Recht auf Homeoffice. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?

Die Tätig­kei­ten im Büro sind zu unter­schied­lich, dass ein gene­rel­les Recht auf Home­of­fice sinn­voll wäre. Auch wenn mir bewusst ist, dass das Arbei­ten im Home­of­fice ein fes­ter Bestand­teil der künf­ti­gen Arbeits­welt sein wird, plä­die­re ich aus meh­re­ren Grün­den dafür, dass die Mit­ar­bei­ten­den eines Unter­neh­mens min­des­tens an zwei, drei Tagen pro Woche im Büro sein soll­ten. Vor­zugs­wei­se ent­ste­hen Inno­va­tio­nen im direk­ten Aus­tausch mit Kol­le­gen und/oder es kön­nen Pro­ble­me und Stö­run­gen in den Arbeits­pro­zes­sen rasch gelöst wer­den. Das sozia­le Mit­ein­an­der im Büro gibt die Chan­ce, Beschäf­tig­te eher an ein Unter­neh­men zu bin­den, als die räum­li­che Distanz im Dau­er-Home­of­fice. Ver­ein­sa­mung von Sin­gles sowie Stress im Home­of­fice bil­den ein wei­te­res Pro­blem. Als Arbeits­wis­sen­schaft­ler sehe ich die größ­te Her­aus­for­de­rung dar­in, für gute Arbeits­be­din­gun­gen im Home­of­fice zu sor­gen. Wäh­rend wir zwi­schen­zeit­lich in den meis­ten Unter­neh­men sehr gute Aus­stat­tun­gen an Sitz-Steh-Arbeits­plät­zen mit ergo­no­mi­schen Büro­dreh­stüh­len, rich­ti­ger Anord­nung von Arbeits­tisch und Bild­schirm, also gute ergo­no­mi­sche Bedin­gun­gen vor­fin­den, ist das zu Hau­se eher der Aus­nah­me­fall. Arbei­ten am Küchen- oder Wohn­zim­mer­tisch mit nicht ein­stell­ba­ren Stüh­len aus­schließ­lich am Lap­top ggf. mit Direkt- und Reflex­blen­dun­gen dür­fen nicht sein. Lei­der scheu­en sich vie­le Unter­neh­men davor, die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Gefähr­dungs­ana­ly­se im Home­of­fice durch­zu­füh­ren. Und die Selbst­ver­ant­wor­tung der Mit­ar­bei­ten­den ist trotz viel­fäl­ti­ger Infor­ma­ti­ons­mög­lich­kei­ten zu ergo­no­misch guten Arbeits­be­din­gun­gen oft noch nicht genug ausgeprägt.

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