„Wahre Werte“: Für die Real-Estate-Branche sind Büroimmobilien immer wichtiger geworden. Nun ist auch hier vieles im Wandel. Zum Thema Assetklasse Büro äußert sich dieses Mal Prof. Dr. Andreas Pfnür von der TU Darmstadt.

Prof. Dr. Andreas Pfnür, Leiter Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre, Technische Universität Darmstadt, real-estate.bwl.tu-darmstadt.de. Abbildung: TU Darmstadt, Fotografin Tomchuk
Unsere repräsentativ angelegte empirische Studie unter Büroarbeitern zeigt, dass die Mitarbeitenden, wenn sie sich das frei wünschen könnten, im Durchschnitt gern zu 65 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen möchten. Das Homeoffice ist aber nur eine Determinante des Büroflächenbedarfs und die ist ehrlich gesagt noch nicht einmal besonders herausragend. Zunächst einmal schwankt die Büroflächennachfrage zyklisch mit der Konjunktur, genauer der Beschäftigung. Allen Unkenrufen zum Trotz erweist sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmen derzeit als sehr robust. Für das Jahr 2022 wuchsen Umsatz und Gewinn deutscher Dax- 40-Unternehmen stark an. Zur Jahreswende 2022/23 waren mehr Menschen in Deutschland beschäftigt als je zuvor. Auch für die Zukunft steht es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft per se sehr gut. Die Beschäftigung wird auch auf absehbare Zeit hoch bleiben. Der konjunkturell bedingte Flächenbedarf wird also weiter steigen. Die Wirtschaftsentwicklung zeigt seit 2007/08 in Deutschland „stramm nach Norden“. Da wundert es nicht, dass sich in zahlreichen Unternehmen Remanenzeffekte eingestellt haben. Viele nutzen seit der Pandemie die Arbeitsortdiskussion, um Flächenüberhänge – vor allem an nicht mehr zeitgemäßen Flächen – möglichst geräuschlos abzubauen.
Die stärksten Effekte auf den Büroflächenbedarf gehen allerdings von folgenden bislang wenig diskutierten strukturellen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft aus:
#1 Digitalisierung: Roboter und künstliche Intelligenz stehen an der Schwelle, das Arbeitsleben massiv zu verändern. Der Chatbot GPT von OpenAI und erste humanoide Roboter, etwa der Darmstädter Leap in Time und Highest Labs, sind erst ein Vorgeschmack. Prozessorientierte Büroarbeit wird in absehbarer Zeit nicht mehr durch Menschen ausgeführt und ergo keinen „Arbeitsplatz“ mehr benötigen. Es bleiben hoch qualifizierte Tätigkeiten, die zumindest nach heutigem Stand eine sehr viel stärkere Präsenzkultur und damit das zugehörige Büro bedingen. Zukünftig wird deshalb ein eher größerer Teil der Büroarbeitszeit wieder in Präsenz verbracht.
#2 Wettbewerbsposition, Management und Kultur: Managementforscher zeigen seit Langem, dass die Resilienz der Wettbewerbsposition in Zeiten besonders dynamischer Umwelten, wie aktuell, maßgeblich von der Unternehmenskultur und dem Management abhängen. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Büroimmobilien zu den wichtigsten Managementinstrumenten geworden sind. Machtstrukturen, Agilität, Innovation und Kommunikation im Unternehmen hängen eben sehr stark von der physischen Organisation der Fläche ab. Hier spricht sehr viel für Präsenzkultur im modernen Office-Design.
#3 Demografie: Soziodemografisch bedingt hat die Kurve der Bürobeschäftigten gerade ihren Zenit überschritten. Demografen prognostizieren eine erhebliche Abnahme des Arbeitsangebots an Bürobeschäftigten für das nächste Jahrzehnt. Es ist sehr fraglich, ob diese Abnahme durch Zuwanderung ausgeglichen wird. Der War for Talents fängt damit gerade erst an. Attraktive Arbeitsplätze sind neben dem dicken Gehaltscheck das zweitwichtigste Instrument in diesem Arbeitskampf. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes hängt zumindest in Deutschland noch von Standort, Qualität und nicht zuletzt Größe ab. Pro Mitarbeitenden werden die Büroflächen zukünftig deshalb eher zunehmen.
Und noch etwas: Wir sind menschliche Wesen, die immer einsamer werden. Der Gang ins Büro wird damit auch sozial immer bedeutsamer.
Meine Quintessenz deshalb: Die Unsicherheiten über den zukünftigen Büroflächenbedarf waren selten so hoch wie heute. Persönlich erscheint mir wenig wahrscheinlich, dass die Büroflächennachfrage auf absehbare Zeit abnehmen wird. Nahezu sicher erscheint mir, dass die Flächenqualität (im Sinne eines Fitness for use and for purpose) massiv steigen wird.