„Wahre Werte“: Für die Real-Estate-Branche werden Büroimmobilien immer wichtiger. Denn auch in diesem Bereich ist vieles im Wandel. Zum Thema Assetklasse Büro äußert sich dieses Mal Prof. Dr. Alexander von Erdély, CEO von CBRE Germany.

Prof. Dr. Alexander von Erdély, CEO von CBRE Germany. cbre.de. Abbildung: CBRE
Wenn es um die aktuelle Büronutzung geht, können fast überall zwei vermeintlich gegensätzliche Strömungen festgestellt werden: Auf der einen Seite bleiben bis zu zwei von drei Schreibtischen in den deutschen Büros täglich unbesetzt. Auf der anderen Seite drängt es viele Büroarbeiter wieder zurück ins Büro – und das nicht nur aufgrund der besseren Ausstattung, sondern auch wegen der sozialen Interaktion, dem Netzwerken, dem erleichterten Wissensaustausch und vielem mehr.
Denn spätestens in der Pandemie wurde klar, dass ein täglicher Gang ins Büro in den meisten Fällen nicht unbedingt notwendig ist, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Dennoch wurde vielen Arbeitnehmern in Zeiten der Kontaktbeschränkungen und Homeoffice-Regelungen bewusst, wie wichtig der direkte Kontakt mit Kollegen ist. Sei es der kurze, aber fürs soziale Zusammenleben wichtige Plausch am Kaffeeautomaten oder seien es die gemeinsamen Brainstormings im Gruppenarbeitsraum – der Bedarf an gemeinsamer Interaktion vor Ort ist auch nach zwei Jahren Pandemie allgegenwärtig.
Wenn wir also vom Homeoffice ins Büro wechseln, wollen wir uns austauschen. Doch die dafür benötigten Strukturen mit offenen Community-Flächen und Kreativzonen sind in den meisten Büros noch nicht oder nur sehr eingeschränkt zu finden. Stattdessen gibt es unzählige Schreibtische, die bei Untersuchungen zur Flächenausnutzung als „ungenutzt“ in die Statistik eingehen. Das Problem ist also nicht die Bürofläche als solche, sondern das Festhalten an der traditionellen, ausschließlichen Fokussierung auf den Schreibtisch als einziger elementarer Bestandteil eines Büros.
Der Grund dafür ist nicht unbedingt mangelnder Transformationswille bei den deutschen Unternehmen. Verantwortlich sind auch die veralteten Regularien, welche die Grundlage für Büroplanungen bilden. Die optimale Größe eines Arbeitsplatzes und der Aufbau eines geeigneten Büros sind in unserer Arbeitsstättenverordnung anhand der Schreibtischmaße schon angelegt. Der Schreibtisch, mit einem Mindestmaß von 1.600 mal 800 mm, bildet nach wie vor den Mittelpunkt jedes regelkonformen Büros.
Wie überholt derartige Regelungen sind, zeigt nicht nur die fehlende Berücksichtigung des technologischen Fortschritts in der Verordnung. Denn demnach bilden tiefe Röhrenbildschirme ohne Entspiegelung die Basis für den geeigneten Standort des Schreibtischs: im rechten Winkel zum Fenster und mit einer Mindesttiefe von 800 mm. Was in den Verordnungen steht, klingt nach New Economy Anfang der 2000er-Jahre, nicht nach New Work.
Auch von der starken Veränderung des Büroalltags fehlt in der derzeitigen Regulatorik jede Spur. Die strikte Funktionstrennung der Bereiche Wohnen und Arbeiten entspricht nicht der heutigen Realität. Die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben verschwimmen spätestens seit der Pandemie immer weiter – klassische Nine-to-five-Jobs waren gestern.
Aber wenn das alte Denken überwunden wird – woran sollten sich zeitgemäße Regularien dann orientieren? Nicht alle Unternehmen wollen so arbeiten wie hippe Start-ups.
Die Verordnung muss sowohl individuelle und standortgebundene Aufgaben als auch teamorientierte To-dos wie Konferenzen, Workshops und Schulungen berücksichtigen. Das Ziel der Verordnung sollte es sein, mit flexiblen Korridoren statt starren Grenzen zu arbeiten, sodass Raum für vielfältige Tätigkeits- und Personengruppen geschaffen wird.
Die Entwicklung der Technologie und die daraus gewonnene Flexibilität bietet die Chance, ein Arbeitsumfeld von morgen zu schaffen. Wenn wir künftig also verwaiste Schreibtische sehen, sollten wir das nicht als Zeichen für den Untergang des Büros werten – sondern vielmehr als Aufruf, alte Gedankenmuster zu überwinden und den modernen Anforderungen der Arbeitnehmer gerecht zu werden.