„Wahre Werte“: Für die Real-Estate-Branche werden Büroimmobilien immer wichtiger. Denn auch in diesem Bereich ist vieles im Wandel. In der hier beginnenden Reihe teilen renommierte Experten ihre Sicht auf die „Assetklasse Büro“. Es beginnt Andreas Wende vom Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft, dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA).

Andreas Wende, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Büroimmobilien. zia-deutschland.de. Abbildung: ZIA
Die großen deutschen Bürostandorte sind auf Erholungskurs. Nachdem 2020 inmitten der Coronapandemie der niedrigste Flächenumsatz der letzten Jahre verzeichnet wurde, Unternehmen Anmietungsentscheidungen zurückgestellt und ihre vorhandenen Flächen reduziert haben, befinden sich die Zahlen wieder im Aufschwung. Jedoch lässt sich nicht leugnen: Homeoffice, Kurzarbeit und Stellenabbau in den von Corona gebeutelten Wirtschaftsbereichen haben Spuren hinterlassen, die wir auch noch in den kommenden Jahren sehen werden.
Es wird oftmals übersehen, dass der Anteil von Homeoffice vor der Covid-19-Pandemie größer war als man gemeinhin annimmt. 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit wurden bereits vor der Pandemie in den eigenen vier Wänden absolviert. Offenbar bestand hier eine hohe Dunkelziffer in den Statistiken der Unternehmen.
Dauerhaftes Homeoffice kommt für die meisten Menschen keiner romantischen Vorstellung, sondern einem Balanceakt gleich. Wer mit seiner Wohnsituation sehr zufrieden ist, empfindet laut einer Studie im Auftrag des ZIA großzügige Homeoffice-Regelungen als positiv. Aber wer zu Hause weder Platz noch Ruhe zum Arbeiten hat, der bevorzugt das Büro. Somit bleibt das Office für viele auch langfristig der Hauptort für die tägliche Arbeit.
Die Bedeutung von Büroimmobilien schwindet nicht. Ganz im Gegenteil – das verdeutlichen zum Beispiel die wieder steigenden Mietumsätze der letzten Monate. Büroimmobilien werden auch in Zukunft wichtige Fundamente für die Wertschöpfung und die wirtschaftliche Stärke unserer Gesellschaft, unserer Städte bleiben. Noch mehr sogar: Ihr Gewicht wird zunehmen, denn Büroflächen sind unverzichtbarer Bestandteil für einen ausgewogenen Nutzungsmix in unseren Innenstädten. Zudem bleibt das Büro der einzige Ort, der allen Beschäftigten gleiche Arbeitsvoraussetzungen bietet, wenngleich sich die Büroimmobilie – auch unabhängig von Corona – natürlich in Richtung Zukunft anpassen muss.
Kategorien wie Standort und Flächennutzung werden wichtiger. In Zeiten des Fachkräftemangels kann ein gut gelegenes, modernes Top-Büro eines von vielen Kriterien sein, nach denen ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber aussucht. Es müssen nicht mehr alle Büros zentral liegen. Im Sinne einer Stadt der kurzen Wege sollte stärker über Büros im Quartier und auch im ländlichen Raum nachgedacht werden – hier ließe sich auch auf bestehende Bausubstanz zurückgreifen. Ein Nebeneffekt: Unter dem Strich lässt sich der Berufsverkehr dadurch erheblich reduzieren.
Feste Arbeitsplätze und verdichtete Großraumbüros dürften seltener werden, die fortschreitende Digitalisierung reduziert den Platzbedarf für physische Unterlagen. Durch intelligentes Workplace-Management und weniger feste Arbeitsplätze wird in Zukunft eine höhere Flächeneffizienz möglich. In vielen Unternehmen bekommen nur noch Arbeitnehmer einen festen Arbeitsplatz, die mindestens vier Tage pro Woche auch wirklich ins Büro kommen wollen.
In Zukunft wird es deshalb wohl mehr um moderne Raumgestaltungskonzepte als um einheitliche Legebatterien für Büroangestellte gehen. Der Ausbau der Arbeit im Remote Office und das Arbeiten von unterwegs werden dazu führen, dass weniger Einzelarbeit im Büro verrichtet werden muss. Somit wird das Büro voraussichtlich verstärkt zum Ort der Team- und Zusammenarbeit, zum Hort der Kreativität. Dafür müssen geeignete Konzepte entwickelt werden, an denen sich die Kriterien bei der Immobilienauswahl orientieren. Das wird auch eine bauliche Herausforderung sein. Weil sich künftig die Arbeit auf Homeoffice, Büro und Third Places wie Coworking Spaces verteilen wird, werden flexible Lösungen wichtiger. Daran wird sich auch die Immobilienwirtschaft anpassen müssen.