„Wahre Werte“: Für die Real-Estate-Branche werden Büroimmobilien immer wichtiger. Denn auch in diesem Bereich ist vieles im Wandel. Zum Thema Assetklasse Büro äußert sich dieses Mal Marcus Lemli, CEO Savills Germany.

Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe, Savills, savills.de. Abbildung: Savills
Kommen wir direkt auf den Punkt: Büros werden künftig deutlich teurer sein als heute. Viele von ihnen werden aber auch ein viel höherwertiges Produkt sein als die heutigen Büros. Doch bleiben wir zunächst bei den Kosten. Als die Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 die Welt in einen Lockdown und die Büroangestellten ins Homeoffice schickte, schrieben unsere Researcher: „Wir sind uns recht sicher, dass die Mieten sinken werden“. Heute wissen wir es besser. Seit Beginn der Pandemie sind die durchschnittlichen Neuvertragsmieten in den großen deutschen Bürostädten um zehn Prozent gestiegen. In der gleichen Zeit stieg aber auch der Umfang leer stehender Büroflächen – und zwar um fast die Hälfte. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, ergibt bei näherem Hinsehen Sinn. Die Pandemie hat den Blick vieler Unternehmen auf das Büro völlig verändert und sie hat die Ansprüche teils gewaltig steigen lassen. Das führt am Markt dazu, dass so manche Bürofläche, die früher noch für einen schmalen Taler einen Nutzer gefunden hätte, heute leer bleibt. Umgekehrt stehen die Interessenten Schlange, sobald eine hochwertige Bürofläche in attraktiver Lage frei wird. Denn von diesen gibt es angesichts der gestiegenen Ansprüche plötzlich viel zu wenige. Und so passen steigende Mieten und wachsender Leerstand dann doch zusammen.
An die hohen Büromieten werden sich die Unternehmen wohl gewöhnen müssen. Kurz- bis mittelfristig sorgt dafür schon die Tatsache, dass sich der Bürogebäudebestand den rasant gewandelten Anforderungen naturgemäß nur langsam wird anpassen können. Büroflächen, die den Nutzerbedürfnissen genügen, werden daher absehbar knapp bleiben. Noch wesentlich länger wird uns ein weiterer Kostentreiber begleiten: Die Dekarbonisierung des Gebäudebestands dürfte Jahrzehnte dauern und gewaltige Investitionen erfordern, die sich auch in der Miete niederschlagen werden.
Das Büro wird aber auch deshalb teurer, weil es angestoßen durch die gestiegenen Anforderungen eine Aufwertung erfahren wird. Kurz gesagt wandelt es sich von einer Ware zu einer Dienstleistung. Früher tauschten die Unternehmen mit ihrem Vermieter eine monatliche Miete gegen eine bestimmte Quadratmeterzahl Bürofläche. Das tun die meisten auch heute noch, doch im Grunde reicht ihnen das nicht mehr. Was sie eigentlich wollen, ist Produktivität, im besten Falle gepaart mit Wohlbefinden. Denn spätestens die Pandemie hat vielen Unternehmensverantwortlichen klar gemacht, dass das Büro für beides eine essenzielle Rolle spielt. Wer das erkannt hat, denkt nicht mehr in Quadratmetern oder in der Anzahl an Schreibtischarbeitsplätzen, sondern fragt sich, wie das Büro dazu beitragen kann, die Produktivität und Zufriedenheit der eigenen Mitarbeitenden zu maximieren. An dieser Stelle hört das Büro auf, Ware zu sein. Es wird zur Dienstleistung. Eine Dienstleistung, deren Ausgangspunkt die Identität und Kultur des Unternehmens sind, zudem seine Prozesse und die Individuen, die darin arbeiten.
Allein die Aufzählung dieser Parameter verdeutlicht die Komplexität der Thematik. Und sie verdeutlicht, wie weit weg die Anbieter von Büroflächen heute noch davon sind, eine solche Dienstleistung zu erbringen. Welcher Vermieter kennt schon die Prozesse seiner Mieter, geschweige denn ihre Unternehmenswerte? Erste Pioniere gibt es, doch die meisten Büroimmobilieneigentümer werden sich wohl aus verschiedenen Gründen auch weiterhin auf ihre Rolle als Warenanbieter beschränken. Anders die Anbieter von Flexible Workspaces: Vordergründig wird auch hier noch eine Ware gehandelt, in dem Fall Arbeitsplätze bzw. der Zugang zu diesen. Die Slogans dieser Unternehmen machen jedoch unmissverständlich klar, dass es ihnen um mehr geht. „Feel good, work better“ wirbt etwa Design Offices um Kunden und adressiert damit exakt die Themen Produktivität und Wohlbefinden, um die es den Unternehmen heute geht. „Innovative Lösungen für die Arbeitswelt von morgen“ heißt es bei WeWork und das signalisiert ebenso wie bei Design Offices und vielen ähnlichen Anbietern, dass das Büro hier längst als Dienstleistung verstanden wird. Ihre Kunden zahlen dafür übrigens Quadratmetermieten, die nicht selten ein Vielfaches der marktüblichen Büromiete betragen. Das Büro von morgen mag teurer sein als gestern, aber mit der „Quadratmeterware“ von früher hat es eben auch nur noch wenig zu tun.