„Wahre Werte“: Für die Real-Estate-Branche werden Büroimmobilien immer wichtiger. Denn auch in diesem Bereich ist vieles im Wandel. Zum Thema Assetklasse Büro äußert sich dieses Mal Konstantin Kortmann, CEO JLL Germany.

Konstantin Kortmann, CEO JLL Germany. jll.de Abbildung: JLL
Die Coronapandemie hat die Büro- und Arbeitswelt kräftig durcheinandergewirbelt. Starre Bürokonzepte und Arbeitsmodelle werden durch agiles und flexibles Arbeiten an verschiedenen Standorten mit offenen Flächen und frei wählbaren Schreibtischen verdrängt. Dennoch wird das klassische Büro auch in Zeiten von Homeoffice und Remote Working seine herausragende Bedeutung behalten. Und eine Rolle übernimmt das Büro verstärkt: Es wird zum Ort der Kreativität, der Produktivität und der Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Arbeitgeber.
Unternehmen, die es nicht schaffen, eine starke Beziehung zu ihren Mitarbeitenden zu entwickeln, machen sich im aktuellen Arbeitsmarktumfeld extrem verwundbar. Sie werden aus Sicht der Angestellten austauschbar. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein großes Risiko für die eigene Wachstumsstrategie.
Viele Büros werden deswegen eine Aufwertung erfahren: Um die Mitarbeitenden für eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu motivieren, werden die Unternehmen in die Qualität ihrer Büroflächen investieren. Das kann durch eine Neuanmietung in zentraler Lage oder durch eine zeitgemäße Ausstattung der Flächen erfolgen – oder beides zugleich.
Das Büro muss etwas bieten, das im Homeoffice nicht vorhanden ist. Das sind in erster Linie die Kolleginnen und Kollegen und hier insbesondere der informelle Austausch untereinander. Gefördert wird das durch mehr Kooperationsflächen anstelle abgeschotteter Einzel- und Zweierbüros. Aus dem intensiveren Austausch entsteht Inspiration und Innovation und letztlich Produktivität.
Es geht aber auch um „schöne“, also geschmackvoll ausgestattete Räume und Flächen. Wer ins Büro kommt, muss sich dort einfach wohlfühlen. Dafür ist nicht unbedingt eine komplett neue Einrichtung erforderlich. Die Möbel und Arbeitsgeräte sollten aber dem Biorhythmus der Menschen folgen und eine größere Vielfalt der Körperhaltung zulassen, zum Beispiel durch höhenverstellbare Tische, indirektes Licht und eine intelligente Temperatursteuerung.
Zahlreiche Firmen arbeiten zurzeit an solchen Projekten. In einigen Branchen wird dabei mit deutlich weniger Einzelarbeitsplätzen kalkuliert, teilweise um bis zu 20 Prozent. In bestehenden Mietverhältnissen werden die schwindenden Individualflächen in der Regel durch Sozial- und Eventflächen ersetzt. Bei Umzügen sparen die Firmen dagegen häufig Flächen ein, sind im Gegenzug aber bereit, für qualitativ hochwertige Flächen höhere Mieten zu bezahlen.
Viele Unternehmen haben erkannt, dass sich das Büro zu einem wichtigen Teil der Wertschöpfungskette entwickelt hat. Die Gestaltung der Arbeitsumgebung zahlt auf das „Employer Branding“ ein – um Mitarbeitende zu halten und neue zu gewinnen. Die Büros werden nicht mehr nur als Kostentreiber gesehen, sondern haben mittlerweile auch einen festen Platz als Investition in Human Resources.
Wie sich das veränderte Rollenverständnis auf die Flächennachfrage insgesamt, mittel- und langfristig auswirken wird, ist allerdings noch nicht eindeutig zu quantifizieren. Zurzeit dürfte der Nettoeffekt in der gesamten Flächennachfrage jedenfalls negativ sein, und daran wird sich zumindest kurzfristig wohl wenig ändern.
Die Ursache ist in der aktuellen konjunkturellen Entwicklung zu finden. Die Unternehmensbefragungen des Ifo-Instituts signalisieren eine zurückhaltende Investitionsbereitschaft. Für das zweite und dritte Quartal 2022 droht in Deutschland deshalb ein negatives Wirtschaftswachstum. Das wirkt sich zeitversetzt auch auf die Nachfrage nach Büroflächen aus.
Langfristig werden dagegen die veränderten Flächenanforderungen die Büronachfrage beeinflussen. Und hier ist noch nicht klar, wohin die Reise gehen wird. Wie wird es sich auswirken, wenn nicht mehr für alle individuelle Büros und feste Arbeitsplätze zur Verfügung stehen? Für welche Branchen und Arbeitsmodelle sind feste Homeoffice-Regelungen überhaupt sinnvoll und effektiv? Diese Fragen werden wir frühestens in zwei, eher in drei bis fünf Jahren sicher beantworten können.