Ungefähr jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland arbeitet heute im Büro. Wie aber kam es überhaupt zur Büroarbeit? Der Historiker und Buchautor Hajo Eickhoff blickt dazu weit zurück in die Geschichte.
Von Büros aus werden Unternehmen geführt, wissenschaftliche Neuerungen entwickelt und politische Gebilde gelenkt. Moderne Büroarbeit heißt Steuerung der Produktion, des Einkaufs und des Vertriebs sowie die Bilanzierung des Handels. Aber auch Verwaltung und Entwicklung geistiger Erzeugnisse wie Logistik, Arbeitsstrukturen und Design.
Das Skriptorium
Das mittelalterliche christliche Kloster ist der Ursprungsort der Büroarbeit und die Produktionsstätte von Schriften und Büchern. Das Motiv für die Entstehung der Büroarbeit ist das Bewahren der antiken Kultur und das Verbreiten christlicher Ideen. Dazu begeben sich mittelalterliche Mönche ins Skriptorium – die Schreibstube. Dort schreiben sie alte Papyrus- und später Pergamentrollen ab und machen sie zu Büchern, die Unikate sind. Diese Art der Büroarbeit findet noch nicht in spezifischen Büro-Räumen statt, sondern bedient sich ungenutzter Klosterräume, die im Nachhinein zum Skriptorium erklärt werden.
Die Burra
Das Wort Büro leitet sich von einem Stück Tuch – der Burra – her, das auf einem provisorischen Tisch aus zwei Böcken mit aufgelegtem Holzbrett liegt. Burra ist ein Stück Filzstoff der Mönchskutte, die als Unterlage die Bücher vor rissigen Brettern schützen soll. Werkzeuge der Büroarbeit sind Papier, Tinte und Radiergummi, Leder, Farbe und Federkiel. Die Bezeichnung für den Stoff – Burra – auf dem Tisch wird im 18. Jahrhundert der Name für den Tisch selbst – Bureau –, und erst im 19. Jahrhundert wird der Raum, in dem der filzbedeckte Tisch steht, zum Büro.
Buch und Wissen
Nach den Pergamentrollen folgt der römische Codex, der sich im dritten nachchristlichen Jahrhundert durchsetzt. Das sind gefaltete, übereinander gelegte, lose zusammengeheftete Pergamentblätter. Die Mönche schreiben die Texte mit dem Federkiel und verzieren den ersten Buchstaben einer Seite. Sie fassen den Codex mit Hilfe von Buchdeckeln fester zusammen, die aus Holz bestehen, mit Leder oder Pergament bespannt und kunstvoll verziert sind. Zum Schutz kostbarer Buchumschläge kennen die Mönche zwei Wege: Sie legen zwischen Tisch und Buch die Burra oder schlagen, um Pergament oder Leder vor splittrigen Tischbrettern zu schützen, in die Deckel Nägel, die Teil der Ästhetik geworden sind.
Buchproduktion und Bildung
Die Text- und Buchproduktion nimmt zu, als sich im 13. Jahrhundert Handwerk und Handel ausweiten, die Vertragsabschlüsse, Korrespondenz und das Organisieren von Handelsabläufen steigern. Zur Vermittlung des entsprechenden Wissens entstehen in den Städten Universitäten sowie Dom- und Klosterschulen, in denen Wissenschaft und christlicher Glaube immer häufiger als gleichberechtigt angesehen werden. Wissenschaftler, die bis dahin die Glaubensinhalte der heiligen Schriften begründen, entdecken nun die sinnlich erfahrbare Welt und wenden sich dem Studium der Natur, der Moral oder der Biologie zu. Die neue Auffassung leitet einen enormen Zuwachs an Forschung, Wissen und neuen Methoden ein, der der Technik und der modernen Welt ein Jahrhundert später – der Epoche der Renaissance – zum Durchbruch verhilft.
Daher wachsen neben den Kommentaren zu den heiligen Texten und dem Abschreiben antiker Schriften Buchproduktion und Schriftverkehr so stark an, dass sie den Beruf des Schreibers erforderlich machen, für den Buch und Tisch als Werkzeuge des beruflichen Schreibens ein festes Paar bilden. Mit dem Berufsschreiber entsteht das Bedürfnis nach einem spezifisch gestalteten Raumtyp – dem Büro.