Lieber Cay von Fournier,
ein Unternehmensberater ist ein Mensch, der sich die teure Uhr des Unternehmers geben lässt, um für diesen die Zeit abzulesen. Die Uhr behält er dann als Honorar. Aber im Ernst: Woran erkennt man einen guten Unternehmensberater?
Ihr Robert Nehring
In der Tat gibt es viele Witze über Unternehmensberater, ebenso wie über Ärzte, Ingenieure oder Anwälte. Der große Unterschied zu letzteren ist, dass sich jeder die „Berufsbezeichnung“ Unternehmensberater zu eigen machen kann. Die Begriffe Berater und Coach werden oft sehr missverständlich verwendet. Ich selbst sehe mich übrigens mehr als Trainer. Eine einfache Definition von mir: Ein guter Unternehmensberater verfügt über ein Wissen, von dem ein Unternehmen auch profitiert – er ist also fachkompetent. Ein Coach benötigt nicht unbedingt Fachwissen, sondern muss die Methodenkompetenz beherrschen, um einen Prozess begleiten zu können.
Die Felder und Konstellationen im Bereich der Unternehmensführung sind vielfältig und schwer zu überschauen. Sehr vorsichtig sollten Sie sein, wenn ein Einzelkämpfer zugleich auch ein Alleskönner ist – egal ob es um Strategie, Veränderungsprozesse, Mitarbeiterentwicklung, Marketing, Verkauf etc. geht. Manche „Kollegen“ trauen sich alles zu. Ein guter Unternehmensberater kennt seine Grenzen, und ein exzellenter Unternehmensberater (wie zum Beispiel Prof. Dr. Hermann Simon) konzentriert sich dabei auch noch auf ein Thema (Preisstrategie). Ein weiteres Kriterium ist die Reputation in Form von Büchern und Artikeln. Durch solche gibt ein kompetenter Unternehmensberater sein Wissen auch weiter und stellt es zur allgemeinen Diskussion. Das wohl wichtigste Kriterium sind neben der fachlichen Reputation aber die Referenzen. Diese muss man sich jedoch genauer ansehen, denn eine positive Aussage über einen Vortrag oder einen einmaligen Einsatz gibt es schnell. Die Referenz sollte sich auf ein ganzes und möglichst umfangreiches Projekt beziehen. Die Empfehlung sollte das vordergründige Marketinginstrument eines Beraters sein. Anfänger tun sich hier natürlich schwer, aber diese müssen durch eine noch bessere Leistung punkten.
Problematisch sind sogenannte „Siegel“ oder die TOP-Coach-Auszeichnungen, die gerade von einem namhaften Wochenmagazin in Zusammenarbeit mit Xing „verliehen“ wurden. Schon die Methode ist mehr als fraglich. Wenn das Siegel auch noch für einen guten vierstelligen Betrag gekauft werden muss, dann dient das vielleicht dem verzweifelten Versuch eines Verlages, auf neuen Geschäftsfeldern Geld zu verdienen, aber sicher nicht dem Markt und den Unternehmen für die Entscheidungsfindung. Es gibt allerdings auch fundierte Auszeichnungen. Das Zeichen TOP-CONSULTANT ist mit einer guten wissenschaftlichen Methode hinterlegt.
Insgesamt ist der Markt der Berater und Consultants sehr unübersichtlich. In der Regel sind die etwas schlechteren Unternehmer anfälliger für schlechte Berater. Auch gute Unternehmen arbeiten gerne mit Beratern, Coaches und Trainern. Ihr Fokus liegt in erster Linie darauf, neue Impulse zu bekommen oder bei einer bestimmten Problemstellung begleitet zu werden. Hier kommt eher der Trainingsansatz ins Spiel, der dazu befähigt, es dann selbst machen zu können.
Ein Berater sollte eine gute persönliche Kompetenz haben und in der Lage sein, Vertrauen aufzubauen. In vielen Fällen geht es um Veränderungsprozesse, die zusätzliche Kapazitäten in einem Unternehmen in Anspruch nehmen. Hier muss man das Vertrauen der Mitarbeiter gewinnen. Berater sind außerdem nicht dazu da, Tätigkeiten zu erledigen, die eigentlich Aufgabe des Unternehmers und der Führungskräfte wären. Das mag für manchen Berater lukrativ sein, spricht aber nicht für die Qualität des Führungspersonals. Und: Gute Berater machen sich irgendwann selbst überflüssig und setzen dem Projekt ein Ende, wenn es fertig ist. Sie haben in der Regel genug Nachfrage und nicht nötig, Projekte hinauszuzögern, was leider auch häufig passiert.
Am Ende geht es immer um Menschen und den Sinn. Ein Berater ist mitverantwortlich für die gute Entwicklung eines Unternehmens. Vielen Unternehmensberatern geht es aber nicht vordergründig um diese Sinnhaftigkeit. Sie agieren in einer kurzfristigen „Quick-Win-Welt“. Der langfristige Erfolg des Unternehmens ist oft zweitrangig. Auch diese Einstellung ist ein Qualitätskriterium bei der Wahl eines Beraters: Geht es ihm in erster Linie um das Honorar oder um die langfristige Entwicklung des Unternehmens und der Menschen, die darin arbeiten?