Seit Corona arbeiten Teams virtuell von verschiedenen Orten aus und neue Herausforderungen prägen den Alltag. Die Psychologin Aldona Kihl erklärt, wie Führungskräfte dafür sorgen können, dass die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden trotzdem aufrechterhalten bleibt.
Durch die Pandemie ist eine neue Form des Arbeitens Alltag geworden. In einem Workshop von mir hat ein Teilnehmer die Situation treffend beschrieben: „Das ganze Leben ist ein Videocall“. Viele Menschen sind mit enormen Herausforderungen konfrontiert gewesen und sind es immer noch: Homeschooling, die Sorge um Gesundheit, das Verschwimmen von Arbeit und Privatleben.
Die eigene Resilienz wird dadurch seit Monaten herausgefordert. Resilienz bezeichnet unter anderem die psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen in belastenden Situationen. Ein resilientes System kann Irritationen ausgleichen oder ertragen und sich auf neue Situationen einstellen, ohne die grundsätzliche Stabilität zu verlieren. Wenn Menschen über eine lange Zeit in Unsicherheit navigieren, wenn eine ständige Anpassung an neue Gegebenheiten notwendig ist, wird es für viele belastend. Nicht selten entsteht ein Zustand von Überforderung.
Neues Führungsmodell erforderlich
Mit Collaborative Leadership beschreiben meine Kolleginnen Dr. Tania Lieckweg und Dr. Katrin Glatzel in ihrem gleichnamigen Buch ein Führungsmodell für das digitale Zeitalter, welches für viele seit Pandemiebeginn zur Wirklichkeit wurde. Die Veränderungen von Führung in einer digitalen Welt lassen sich als eine Veränderung in Richtung von mehr Kooperation, Verständigung, Abstimmung, Einbeziehung und Vermittlung verstehen. Das 4C-Modell beschreibt die relevanten Faktoren für die Ausgestaltung von Collaborative Leadership: Communication, Contribution, Consent und Creativity.
Es geht darum, in der Führung dafür zu sorgen, dass Verantwortung übernommen wird, ein gemeinsames Verständnis für Entscheidungen entsteht, dass Selbstorganisation gefördert wird, Teamwork im Mittelpunkt steht, Formate für Beteiligung geschaffen werden, es Raum für Experimente und Ausprobieren gibt, das Wissen der vielen als wichtige Ressource betrachtet wird und es Räume für Netzwerken und Vernetzen gibt.
Führen und Zusammenhalten für mehr Teamgeist
Durch einen klaren Purpose kann Führung eine Orientierung für jeden Mitarbeitenden schaffen. Dadurch entsteht Zusammenhalt und der eigene Beitrag zum Teamergebnis wird nachvollziehbar. Engmaschiges und regelmäßiges Feedback stärkt das Teamgefüge und die gemeinsame Verantwortung füreinander. Durch regelmäßige Retrospektiven zur Zusammenarbeit wird der Gefahr der Isolation beim virtuellen Arbeiten vorgebeugt. Überlast wird thematisiert, gegenseitige Unterstützung wird gefördert. Durch Transparenz, enge Kommunikation und Führung, die nah dran ist am Einzelnen und dem Team, kann auch Burn-out vorgebeugt werden. Denn hier geht es darum, auf schwache Signale zu achten und die gemeinsame Verantwortung füreinander im Team zu stärken.
Aldona Kihl, Dipl. Psychologin und Coach, |