Geschäftsprozesse optimieren, Zeit einsparen und beim Kaffee 10 ml weniger an die Belegschaft ausgeben. Jede noch so kleine Maßnahme kann dem Unternehmen bares Geld sparen. Im vierten Teil seiner Kolumne zeigt Stefan Häseli, wie schwer sich dabei Theorie und Praxis vereinen lassen.
Nach dem Meeting am Montagmorgen ist nach Hannes‘ Empfinden wieder einmal er derjenige, der die meisten Aufträge bekommen hat. „Immer ich.“ Im Grunde mag er solche Aussagen von seinen Mitarbeitern überhaupt nicht. Aber wenn er sich selbst in dieser Rolle wiederfindet, ist das natürlich etwas anderes.
Der Vorsitzende hat vorgeschlagen, Hannes damit zu beauftragen, nach weiteren Kosteneinsparungsmöglichkeiten im Unternehmen zu suchen. Und die Kollegen der Geschäftsleitung haben dem Vorschlag zugestimmt. Die einzige Gegenstimme – von Hannes – konnte das demokratische Ungleichgewicht nicht kompensieren. Beim unausgesprochenen Besprechungspunkt „Arbeit verteilen“ werden Kollegen zu Konkurrenten – egal auf welcher Hierarchiestufe.
„Intern sparen“ ist ein anspruchsvolles Thema. Dabei kann er nur verlieren. Findet er zu wenige Maßnahmen, beschleicht den Geschäftsführer womöglich das Gefühl, aufs falsche Spar-Ideen-Pferd gesetzt zu haben. Findet er genügend und griffige Maßnahmen, macht er sich bei allen unbeliebt, bei denen eben diese Maßnahmen angewendet werden.
Nach harten, einschneidenden, aber ertragsreichen Sparaktionen, wie Produktion optimieren, Personal abbauen, Kosten der Lieferanten drücken, sind die großen Brocken bereits abgespeckt. Es gibt nichts mehr, wo optimiert werden kann. Hannes brütet: „Wo können wir sparen, ohne dass es wehtut?“ Klare Einsparungen, ohne dass er es sich mit den Kollegen verspielt.
Hannes hängt seinen Gedanken nach und erblickt im Innenhof des Firmengeländes einen Vogel. „Genau – der ist mein Vorbild.“ Ein Vogel holt sich seine einzelnen Körner an vielen Plätzen, trotzdem wird er satt. „Richtig, Kleinvieh macht auch Mist“, denkt Hannes, und bei einem genaueren Blick auf seinen Büroalltag findet er tatsächlich überall Sparkörner. Etwa die Kaffeemaschine. Wenn der Kaffee mit etwas mehr Druck in die Tassen katapultiert wird, sparen wir Zeit. Bei rund 2.000 Kaffeeausgaben pro Tag und einer eingesparten Sekunde pro Ausgabe ergibt dies 2.000 Sekunden pro Tag, 440.000 Sekunden pro Jahr oder 122 Arbeitsstunden. Beinahe ein Monatspensum. Wenn zusätzlich zwei Kaffeetassen gleichzeitig abgefüllt werden, ergibt es zwei Monate.
Hannes ist nicht mehr zu bremsen. Den Aufzug beschleunigen, das quittierende Pieps der elektronischen Arbeitszeitkontrolle weglassen, weil die Leute dort sowieso zu lange stehenbleiben, und selbstverständlich schnellere Computermäuse. Der Katalog wächst, und Hannes rechnet die eingesparten Sekunden fein-säuberlich in gesparte Personentage um. Sein Triumph bei der nächsten Geschäftsleitungssitzung scheint ihm sicher.
Mit siegesgewissem Lächeln und zufrieden mit seiner eigenen Cleverness beginnt er, seine Präsentation vorzubereiten. Um fundiert zu argumentieren, wiegt Hannes die Einsparungen gegen seine Recherche und die Kosten der neuen Hochkompressor-Kaffeemaschinen-Pumpe auf. Ein Ergebnis von insgesamt 381.741 Sekunden pro Jahr. Macht ziemlich genau 100 Stunden. Bei einer Belegschaft von 2.000 Personen macht das stolze 0,26 Prozent. „Na ja … man kann vielleicht bei den Planungsarbeiten noch etwas einsparen, indem die Worte in der Präsentation nicht ganz ausgeschrieben werden.“
Stefan Häseli ist Autor, Trainer |