Robert Nehring hat nicht viel von Marcel Proust gelesen, stellt aber ebenfalls gern viele Fragen. Interessanten Persönlichkeiten aus dem Büroumfeld schickt er auch mal einen Fragebogen. Diesmal antwortete Volker Jungeblut, Geschäftsführer des PBS-Verband der Markenindustrie.
ARBEITEN
1. Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsplatz.
Ein klassisches Einzelbüro mit Desktop und iPad und noch vielen Ordnern, die allmählich verschwinden. In den vier Jahren, die ich hier tätig bin, habe ich keine neuen mehr angelegt und archiviere digital.
2. Wie kommen Sie zur Arbeit?
Einmal in der Woche von Frankfurt/Main nach Düsseldorf und zurück mit dem E-Fahrzeug. Dann vom vierten in den ersten Stock, da ich glücklicherweise im gleichen Gebäude eine kleine Wohnung habe.
3. Wo arbeiten Sie am liebsten?
Im Büro, aber auch sehr gern in Präsenz auf Messen, beim Handel oder den Mitgliedern.
4. Wie viele Videocalls haben Sie pro Woche?
In der Regel sind das nicht mehr als zehn, also zwei am Tag.
5. Wie viele Stunden verbringen Sie im Schnitt pro Woche in Social-Media-Kanälen?
Maximal acht Stunden.
6. Ihre drei Lieblingslösungen aus der PBS-Welt?
Schredder, Füllhalter und Notizblock.
7. Das papierlose Büro mag eine Vision bleiben. Die Büroarbeit kommt aber mit immer weniger Papier aus. Was bedeutet das für die PBS-Branche (Papier, Bürobedarf, Schreibwaren)?
Der verringerte Papierverbrauch an sich ist ein Segen für die Umwelt, auch wegen der eingesparten Druckerpatronen. Wir nutzen die Möglichkeiten effizienter und denken über Lösungen nach, die nicht unbedingt traditionell der PBS-Branche entsprechen. Es entstehen neue Denkmodelle, die uns zu Produkten führen, welche die digitale Wandlung unterstützen.
8. Viele traditionelle Bürobedarfshersteller sind längst zu neuen Ufern aufgebrochen: Möbel, Leuchten, Luftreiniger. Die Schreibgeräteindustrie konzentriert sich auf Basteln und Schule, die Papierindustrie auf Verpackungen. Befindet sich der Bereich Bürobedarf in Auflösung?
Frage 7 und 8 sind eng miteinander verknüpft. Veränderung bedeutet nicht Auflösung – die Produkte ändern sich und geben denen, die ohne Scheu die eigenen Grenzen erkennen und auflösen, ungeahnte Möglichkeiten für die Zukunft.
9. Ende Januar fand die Konsumgütermesse Ambiente statt. Die traditionelle PBS-Messe Paperworld ist 2023 in ihr aufgegangen. Rückblickend eine gute Entscheidung?
Die Diskussion, ob der Name Paperworld noch zeitgemäß ist, gab es schon länger. Ohne Zweifel ist festzustellen, dass es Minustendenzen in den traditionellen Paperworld-Produktbereichen gegeben hat und gibt. Eine Neuaufstellung und in diesem Fall eine Verschmelzung mit der Ambiente führte naturgemäß erst einmal zu Irritationen, auch bei uns. Aber mit dem neuen Auftritt im Forum 0 – Resultat der engen Zusammenarbeit des PBS-Markenindustrieverbands und der Messeleitung – sind wir auf dem richtigen Weg, dem Bereich PBS wieder den notwendigen Stellenwert zu geben.
10. Wie zufrieden waren Sie mit dem Auftritt der PBS-Marken auf der diesjährigen Ambiente?
Die Meinungsabfrage unserer Mitglieder, die ausgestellt haben, ist überwiegend positiv. Nicht alle waren im Forum 0 vertreten, es gab auch Aussteller in Halle 4.2 und in der Creativeworld. Selbstverständlich gibt es Optimierungsbedarf im Forum 0, besonders in Bezug auf Außendarstellung und Kennzeichnung der für die Ambiente neuen Halle, aber das stellt die grundsätzliche Entscheidung für diese Halle nicht infrage. Persönlich bin ich mit dem Auftritt sehr zufrieden und arbeite bereits mit der Messe an den für 2025 notwendigen Verbesserungen.
11. Ende März 2024 folgte auch noch das Aus der zweiten PBS-Messe, der Insights-X. Ist damit klar, dass die Branche keine eigenständige Messe mehr will oder kann?
Die Entscheidung der Messe Nürnberg war nach unserem Kenntnisstand eine wirtschaftlich motivierte. Der Fokus der Insights-X lag eindeutig im Bereich Back to School und war damit limitiert. Die Anzahl der ausstellenden Unternehmen unseres Verbands war aufgrund dessen auch eher gering. PBS wird es sicher 2025 – wenn auch reduziert – wieder auf der Spielzeugmesse in Nürnberg geben. Davon unabhängig kann man sich sicherlich die Frage stellen, ob eine eigene PBS-Messe grundsätzlich sinnvoll ist. Gerade in den letzten Jahren hat eine Transformation in den meisten Unternehmen stattgefunden, was unter anderem zu einer signifikanten Erweiterung der Produktportfolios geführt hat. Eine klassische Zuordnung zu PBS ist da oft nicht mehr möglich. Aus diesem Grund sehe ich den Bereich PBS auch sehr gut eingebunden in die Konsumgütermessen der Messe Frankfurt – Ambiente und Creativeworld.
12. Die Digitalisierung nimmt immer weiter zu. Wird die Handschrift in der Businesswelt zum Auslaufmodell?
Ich selbst habe leider eine ziemlich schreckliche Handschrift, bin aber ein absoluter Fan. Das liegt unter anderem an meinem beruflichen Werdegang. Ich habe bislang nur wenige Meetings erlebt, bei denen diejenigen in der Mehrzahl waren, die sich elektronische Notizen machen. Der Hype der Notizbücher in den letzten Jahren zeigt eher, dass individuelle Notizen per Hand eine große Bedeutung haben, gerade bei den jungen Anwendern.
13. Sollten ein Montblanc Meisterstück und ein Filofax noch heute zur CEO-Grundausstattung gehören, selbst wenn dieser nur noch mit Rucksack und Turnschuhen unterwegs ist?
Für jemanden, der für beide Firmen lange tätig war, ist das nur schwer objektiv zu beantworten. Davon ausgehend, dass CEOs schöne Produkte schätzen, allerdings ein klares Ja.
14. Mitsubishi hat gerade Lamy gekauft. Könnten asiatische Übernahmen deutscher Unternehmen in der PBS-Branche zum neuen Normal werden?
Pelikan war lange in malaysischem Besitz und ist jetzt in einer französischen Firmengruppe beheimatet. Die globale Welt macht nicht vor der PBS-Industrie halt. Die internationale Verknüpfung auch unserer Industrie sehe ich als sehr positiv an und verbinde damit Chancen für die Zukunft.
15. ESG, Lieferkettengesetz, Siegeldschungel – was sind die größten Herausforderungen der PBS-Markenindustrie in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit?
Regelungen zur ökologischen Nachhaltigkeit sind grundsätzlich zu begrüßen. Aber die bürokratischen Folgen, die LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz), ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) und EUDR (European Deforestation Regulation) der Industrie aufbürden, sind nicht akzeptabel. Den Abgeordneten im Europäischen Parlament fehlt die Praxisnähe, um nachvollziehen zu können, welche Konsequenzen diese Verordnungen für die KMUs haben.
16. Wie viel Digitalisierung verträgt die PBS-Branche?
Diese Branche kann und muss ein Antreiber der Digitalisierung sein und es gibt bei unseren Mitgliedern schon viele Aktivitäten in Richtung Digitalisierung. Wir haben unsere Konferenzen in diesem Jahr unter dieses Motto gestellt.
17. Die größten Fehler der PBS-Branche sind?
Ich bin seit 1977 in dieser Branche und habe viel Wandel erlebt. Nicht immer sind die Zeichen der Zeit (neue Vertriebsstrukturen, Wegfall von Produkten) in der notwendigen Geschwindigkeit erkannt worden. Viele Marken sind konsequenterweise verschwunden. Allerdings: Die Marken, die noch am Markt agieren, und viele neue haben die „Verschlafenheit“ der Vergangenheit erkannt und aus den Fehlern auch der anderen gelernt.
18. Die Zukunft des Fachhandels …
... ist herausfordernd. Der Mix der Distributionskanäle macht es interessant. Wer die alten Denkweisen infrage stellt und parallele Formen zu fahren bereit ist, wird nicht immer belohnt werden, aber die Chancen sind besser. Jede Branche ist durch Konsolidierungsphasen gegangen, manche hören gar nicht mehr auf.
19. Das Homeoffice hat sich etabliert. Dennoch scheint der Anteil der Heimarbeit abzunehmen. Sitzen bald alle wieder im Büro?
Ich hoffe nicht. Nicht jeder kann und wird komplett im Homeoffice oder im Büro arbeiten können. Die Erkenntnis, dass ein Mix der Leistung durchaus zuträglich sein kann, setzt sich allmählich durch. Homeoffice ist heute bei Einstellungen ein wichtiges Thema und wird es meines Erachtens auch bleiben.
20. Auch hierzulande zeichnen sich Büroflächenrückgänge und neue Kernaufgaben für das Corporate Office ab. Wie sehen Sie das?
Das ist die konsequente Weiterentwicklung der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, auch getriggert durch die Pandemie. Diesen Wechsel allein auf die Pandemie zurückzuführen, wäre zu kurz gesprungen. Moderne Büros werden heute von Spezialistenteams entwickelt, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Firmen und der Mitarbeitenden. Diese Erkenntnis allein zeigt, wie sehr sich gerade im Corporate Office die Welt verändert hat und täglich weiterentwickelt. Investitionen in neue Büros sind in der Regel hoch, aber absolut logisch und zahlen sich aus.
21. Wie stellen Sie sich Büros im Jahre 2030 vor?
Die Dynamik, die heute auch durch die Digitalisierung vorherrscht, wird sicher noch lange bestehen. Nachhaltige Aspekte werden an Gewicht gewinnen. Eine wesentliche Veränderung durch die Erkenntnisse, die wir heute haben und umsetzen, sehe ich nicht. Es macht sehr viel Spaß, ein komplett neues Büro einzurichten bzw. konzipieren zu lassen mit all den Erkenntnissen, die wir jetzt schon haben.
22. Was Sie schon immer einmal zur Entwicklung der Büroarbeit sagen wollten:
Es gilt, das vernünftige Miteinander zu finden zwischen notwendigen Verwaltungsaufgaben (Was kann KI übernehmen?) und der Kommunikation mit Kollegen, Geschäftspartnern und Institutionen. Eine gute Büroorganisation ist letzten Endes wie eine gut geführte Produktionsstätte dann effektiv, wenn die Abläufe immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden.
23. Was halten Sie von New Work?
Kein für mich erkennbarer Begriff – ist alles oder nichts.
24. Der Generation Z rate ich, …
... es mit der Work-Life-Balance nicht zu übertreiben.
25. Woran arbeiten Sie gerade?
Den PBS-Verband noch attraktiver zu machen, damit nicht nur die Bestandsmitglieder zufrieden sind, sondern wir auch unsere Basis verbreitern können. Dazu gehören auch Kooperationen mit anderen Verbänden, generell „über den Zaun zu schauen“ und im Rahmen unserer Möglichkeiten die EU-Entwicklungen im Fokus zu behalten.
26. Was inspiriert Sie?
Meine Frau.
27. Ihr größter beruflicher Erfolg?
5 Millionen Flaschen Indelible Ink (unlöschbare Tinte), die ich an die Regierung in Nigeria für ihre Wahlen verkauft habe.
28. Der größte Misserfolg?
Seeger Lederwaren zu einer internationalen Größe zu machen war nur in Teilen erfolgreich.
29. Apple oder Microsoft?
Microsoft.
30. Lesen Sie noch Gedrucktes?
Absolut, ich besitze natürlich einen Tolino und ein Tablet, aber ich bevorzuge nach wie vor Bücher.
LEBEN
31. Was würden Sie als „König von Deutschland“ zuerst ändern?
Alles tun, um Rechtsextremismus den Boden zu entziehen.
32. Was würden Sie gern können?
Tauchen.
33. Wo würden Sie am liebsten leben?
Bretagne.
34. Wobei können Sie gut entspannen?
Früher beim Joggen, heute auf dem Rennrad.
35. Ihr ursprünglicher Berufswunsch?
Lehrer.
36. Ihre Hauptcharaktereigenschaften?
Immer geduldiger.
37. Ihre Hobbys oder Leidenschaften?
Meine Familie, Sport jeglicher Art, gutes Essen, gute Filme.
38. Ihre drei Dinge für die einsame Insel?
Meine Familie, eine Angel, viel Wasser.
39. Ihr Lieblingsdenker?
Wechselt öfter.
40. Ihr Lieblingsbuch?
Da habe ich keines. Mein Lieblingsschriftsteller ist aber John Grisham.
41. Ihr Lieblingsgericht?
Spaghetti Vongole.
42. Ihre Lieblingsweisheit?
Hektik ist Schwäche.
43. Haben Sie ein Lebensmotto?
Spuren hinterlassen.
44. Der Sinn des Lebens?
Auch andere glücklich machen.
45. E-Auto oder Verbrenner?
E-Auto.
46. FC Bayern oder Borussia Dortmund oder …?
Werder Bremen.
47. Beatles oder Stones, Ärzte oder Hosen oder …?
Pink Floyd.
48. Bier oder Wein?
Wein.
49. Strand oder Berge?
Berge.
50. Und Ihre Uhr: analog oder digital?
Analog.
VOLKER JUNGEBLUT
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