Die Trendforscherin Birgit Gebhardt hat im Auftrag des deutschen Büroeinrichtungsverbandes IBA eine Studie zum Thema kreative Lernwelten durchgeführt. Dr. Robert Nehring fragte sie nach den Ergebnissen und danach, was daraus folgt.
OFFICE ROXX: Frau Gebhardt, was war der Ansatzpunkt für die Studie? Was wollten Sie herausbekommen?
Birgit Gebhardt: Die zentrale Frage ist die nach der Bedeutung des Büros in der Zukunft: Was werden wir im Büro eigentlich noch zu tun haben? Denn so wie die bisherige Büroarbeit zwischen vernetztem Kunde und Industrie 4.0 steht, behindert sie eher die Prozesse und das Erfüllen von Kundenwünschen. Firewalls, Profitcenter sowie veraltete Daten- und Arbeitsschutzrichtlinien verlangsamen und verkomplizieren die Teamarbeit. Neben dem Home-Office entstehen derzeit zahlreiche hybride Modelle und Third Places, die dem Büro an informellem Charme und attraktivem Eventcharakter durchaus überlegen sind. Dies zeigt, dass sich Bürodesign und Leistungsspektrum künftig grundlegend ändern werden.
Was sind Ihre wichtigsten Ergebnisse?
Wir können das lineare Ablauf- und Abteilungsdenken der Industrielogik verlassen und uns auf die neue Hülle der humanen Tätigkeiten konzentrieren. Was tun Menschen und in welcher physischen Umgebung können sie das am besten? Das Büro der Zukunft wird nicht mehr Arbeit strukturieren, sondern Zusammenarbeit erleichtern. Es wird eine kreative Lernwelt sein. Keine Corporate Identity im Branding der 90er Jahre, sondern ein kultureller Spirit, den die Mitarbeiter und ihre Ideen erzeugen.
Welche Herausforderungen leiten Sie daraus für eine moderne Büroeinrichtung ab?
Wenn die Kommunikation für das Leistungsergebnis so entscheidend wird, sollte man sie gestalten. Bürogebäude werden zu Begegnungszentren, die nur dann als Magnet wirken, wenn sie in ihren Gesten zur Erzeugung von Gemeinschaft weit mehr vermögen, als buchbare uniforme Meetingräume und erweiterte Kaffeeküchen es können. Denn in der vernetzten Zukunft wird jede Umgebung mit uns kommunizieren, uns navigieren und unser Befinden optimieren. Was also sind die Begegnungsräume und -qualitäten, die dann noch Menschen ins Büro bewegen? Die Hindernisse sind bekannt: Jede Brandschutztür, jeder Aufzug, jedes Stockwerk behindert den kommunikativen Workflow. Jede Gleichförmigkeit konterkariert Wohlfühlatmosphäre und Wertschätzung. Jedes aufgesetzte Corporate Design (Beispiel Microsoft) erzählt herzlich wenig von der tatsächlichen Arbeitskultur. Dabei gilt es doch, genau diese Vielfalt an gemeinschaftlich gelebter Arbeitskultur nach innen und außen auszudrücken.
In Ihrer Studie fordern Sie häufige Wechsel der Büroumgebungen. Kreativ könne man nicht am immer gleichen Arbeitsplatz sein. Leidet da nicht sehr schnell die Produktivität? Studien zufolge wird heute im Schnitt nur noch 1,5 Stunden am Tag konzentriert gearbeitet.
Ja, und das wird auch zu recht bemängelt. Aber das hat mehrere Ursachen: Unterbrechungen von außen (Telefon, Social Media etc.), Fremdbestimmung (etwa durch Kalenderzugriff), mangelnde Selbstdisziplin oder Zeitsouveränität. Im gleichen Zuge wird aber erwartet, dass intelligente Services die eigene Produktivität wieder erhöhen, und dazu gehört auch eine respondierende Umgebung, die das Eintauchen ins konzentrierte Arbeiten wieder möglich macht. Die Studie empfiehlt mehr Vielfalt und explizite Angebote bezüglich der humanen Tätigkeiten, damit sich Wissensarbeiter im Büro willkommen, gewertschätzt und für die jeweilige Arbeit bestmöglich inspiriert bzw. unterstützt fühlen. Wir stehen vor der riesigen Chance, das Büro neu zu erfinden und ich glaube nicht, dass wir die Antworten darauf im Büro finden werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
NEW WORK ORDERDie Forschungsreihe NEW WORK ORDER startete 2012 mit dem Auftrag, den Kommunikationswandel im Büro zu untersuchen. 2014 folgte die vertiefende Studie „Organisationen im Wandel“ und 2016 die Studie „Kreative Lernwelten“. |