Teil 2: Die Frau und der Gehaltskuchen
Der Bestsellerautor und Karrierecoach Martin Wehrle gibt auf OFFICE ROXX wertvolle Tipps für einen gelingenden Büroalltag. Im zweiten Teil der Serie geht es ums liebe Geld. Genauer: um das Gehalt von weiblichen Angestellten.
Stellen Sie sich den Gehaltsetat eines Unternehmens wie einen Kuchen vor, der nicht zuletzt nach folgendem Prinzip verteilt wird: Wer zuerst „Hunger!“ schreit, kriegt ein Stück – solange der Vorrat reicht! Aber bis eine Frau es wagt, mehr Gehalt zu fordern, haben gewöhnlich drei bis vier Männer zugeschlagen. Und der Etat ist abgeräumt. So ziehen die Gehälter der männlichen Kollegen davon. In einigen Branchen gehen Mitarbeiterinnen mit einem Drittel weniger nach Hause.
Dabei hätten Frauen allen Grund, sich teuer zu verkaufen! Ihre Schul- und Studienabschlüsse nehmen es locker mit denen der männlichen Kollegen auf. Oft arbeiten sie zielgerichtet und zuverlässig, gehen konstruktiv mit Kunden und Kollegen um, glänzen durch emotionale Intelligenz und machen sogar auf halben Stellen einen ganzen Job. Und viele Chefs wären ohne die Unterstützung ihrer Assistentinnen so verloren wie ein Eiskunstläufer ohne Eis unter den Kufen.
Aber viele Frauen scheuen Eigenlob und übertünchen ihre Spitzenleistung mit der Tarnfarbe der Bescheidenheit. Das Feilschen um Geld scheint ihnen unangenehm. Manchmal habe ich das Gefühl, sie wollen ihrem Chef die scheinbar peinliche Situation ersparen. Das mag ein charakterlicher Vorzug sein, aber wohin führt er? Wenn Sie nicht fordern, müssen Sie nehmen, was der Chef freiwillig gibt. Also herzlich wenig.
Wenn eine Firma Sie als Frau engagiert, dann sicher deshalb, weil Sie für den offenen Posten besser als die männlichen Mitbewerber geeignet sind. Aus welchem Grund sollten Sie sich als erste Wahl mit einem Gehalt zweiter Klasse begnügen?
Vergessen Sie nicht, dass Chefs keine Gleichstellungsbeauftragten sind, sondern kühle Rechner. Es ist Ihre Sache, für Gerechtigkeit zu sorgen. Verlangen Sie das, was Sie wirklich wert sind – unter Verweis auf Ihre Leistung und die Vorteile, die Sie Ihrer Firma bringen. So steigern Sie Ihr Gehalt und gewinnen den Respekt Ihres Chefs: Bestimmt können Sie sich ebenso gegenüber (männlichen) Kunden und Geschäftspartnern durchsetzen. Davon profitiert Ihre Firma!
Ihre Chancen auf eine Gehaltserhöhung stehen gut, gerade wenn Ihr Ausgangsgehalt noch Luft nach oben lässt. In Gedanken wird Ihr Chef Sie mit den männlichen Kollegen vergleichen, und das kann sehr zu Ihrem Vorteil sein. Auch kommt es nicht allzu häufig vor, dass eine Frau mit großer Bestimmtheit eine Gehaltserhöhung fordert – wenn doch, haben Chefs die Erfahrung gemacht, dass sie meist gute Gründe hat.
Je deutlicher Sie „Hunger!“ rufen, desto größer die Chance, dass Sie mit Ihrer nächsten Abrechnung ein schönes Stück des Etatkuchens serviert bekommen.