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Coworking konkret #11: Tobias Kremkau über Bibliotheken als Arbeitsorte

Biblio­the­ken mögen hier und da noch ein ange­staub­tes Image besit­zen. Jedoch lässt sich dort auch her­vor­ra­gend arbei­ten. Der Cowor­king-Exper­te Tobi­as Krem­kau outet sich als Fan.

Tobias Kremkau denkt, schreibt, spricht und berät zu den Themen Coworking und Neue Arbeit. Coworking ist für ihn mehr Berufung als nur Beruf. Die Zeit zählte den „Coworking-Papst“, wie er schon bezeichnet wurde, 2019 zu den 100 wichtigsten jungen Ostdeutschen. blog.kremkau.io. Abbildung: Larissa Hägele

Tobi­as Krem­kau denkt, schreibt, spricht und berät zu den The­men Cowor­king und Neue Arbeit. Cowor­king ist für ihn mehr Beru­fung als nur Beruf. Die Zeit zähl­te den „Cowor­king-Papst“, wie er schon bezeich­net wur­de, 2019 zu den 100 wich­tigs­ten jun­gen Ost­deut­schen. Er ist Mit­glied im Digi­tal­rat des Lan­des Sach­sen-Anhalt. blog.kremkau.io. Abbil­dung: Laris­sa Hägele

Vor Kur­zem sah ich auf Twit­ter eine sicher­lich nicht reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge eines bekann­ten Digi­tal-Nomad-Blog­gers, also von jeman­dem, der beruf­lich nahe­zu voll­stän­dig im Digi­ta­len unter­wegs ist und des­halb sei­ner Arbeit orts­un­ab­hän­gig nach­ge­hen kann. Er frag­te nach dem jeweils belieb­tes­ten Arbeits­ort. Fast 500 Men­schen nah­men an der Umfra­ge teil. Mit 61 Pro­zent gewann das Home­of­fice, gefolgt von Cowor­king Spaces mit 16 Pro­zent und Cafés, in denen neun Pro­zent der Teil­neh­men­den am liebs­ten arbeiten.

Die meist­ge­wähl­ten Orte für mobi­le Arbeit über­rasch­ten mich nicht. Beson­ders Free­lan­cer, die häu­fig als Digi­tal­no­ma­den unter­wegs sind, bevor­zu­gen aus Kos­ten­grün­den das eige­ne (tem­po­rä­re) Zuhau­se gegen­über kos­ten­pflich­ti­gen Orten wie einem Cowor­king Space oder einem Café. Der mit null Pro­zent letz­te Platz in der Lis­te irri­tier­te mich aller­dings: die Biblio­thek. Sie lan­de­te in der Auf­lis­tung sogar noch hin­ter dem Bett (zwei Pro­zent) und dem Bal­kon (ein Pro­zent). War­um arbei­ten die­se Men­schen nicht ger­ne von einer Biblio­thek aus?

Zwar weiß ich nichts über die Umfra­ge­teil­neh­mer, aber ich ver­mu­te ein­mal, dass die meis­ten IT-ori­en­tier­ten Beru­fen nach­ge­hen und in einem west­li­chen Indus­trie­land leben oder von da kom­men. Es kann also davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass sie in einem Land mit einem Netz­werk von öffent­li­chen Biblio­the­ken leben und auch Zugang zu die­sen haben. Wel­che Bedürf­nis­se könn­ten die­se Men­schen haben, die eine Biblio­thek ihnen nicht bie­ten kann, wes­halb sie anschei­nend nie von dort aus arbeiten?


Das The­ma Cowor­king und Biblio­thek wird bereits seit fast zehn Jah­ren dis­ku­tiert. Vor inzwi­schen fünf Jah­ren durf­te ich an einer ent­spre­chen­den Dis­kus­si­on in der Staats­bi­blio­thek zu Ber­lin teil­neh­men. Davon gibt es ein Video, das es sich immer noch lohnt anzu­schau­en, wenn man sich dem The­ma aus sehr ver­schie­de­nen Denk­rich­tun­gen nähern möch­te: von der Biblio­thek her, ihrer Archi­tek­tur, der Sozio­lo­gie die­ser Räu­me und auch der des Schriftstellers.“

Tipp von Tobi­as Kremkau


Heut­zu­ta­ge kön­nen Biblio­the­ken, zumin­dest in Deutsch­land, auch ohne eine Mit­glied­schaft betre­ten und genutzt wer­den. Bücher und ande­re Medi­en kann man sich ohne Aus­weis nicht aus­lei­hen. Doch die offe­nen Arbeits­flä­chen, das offe­ne WLAN und auch die kos­ten­lo­sen Com­pu­ter­ar­beits­plät­ze ste­hen jedem zur Ver­fü­gung. Eini­ge Biblio­the­ken haben eigens für mobil arbei­ten­de Men­schen Grup­pen­ar­beits­räu­me nach Vor­bild von Cowor­king Spaces geschaf­fen oder auch gleich einen eige­nen Cowor­king Space im Gebäu­de der Bibliothek.

Was in einer Biblio­thek oft fehlt, ist die Com­mu­ni­ty ande­rer Nut­zer, wie man sie in einem Cowor­king Space erle­ben kann. Hier muss man sie sich, durch sozia­le Inter­ak­tio­nen mit ande­ren Men­schen, meist selbst erar­bei­ten. Das liegt nicht jedem, aller­dings hat man im Home­of­fice kei­ne Mög­lich­keit, ande­re Men­schen ken­nen­zu­ler­nen. Die­se Hür­de, wenn man von einer Biblio­thek aus arbei­tet, ist also kein Vor­teil des Home­of­fice. Das Bedürf­nis nach Mit­ein­an­der und die tech­ni­sche Infra­struk­tur spre­chen des­halb nicht gegen Bibliotheken.

Zu Hau­se und ver­mut­lich in den meis­ten Cowor­king Spaces und Cafés wird der Kaf­fee bes­ser schme­cken. Gute Arbeit braucht guten Kaf­fee. Das ist ein sehr sub­jek­ti­ver Minus­punkt einer Biblio­thek, den ich aber nach­voll­zie­hen kann. Ich habe noch nie in einer Biblio­thek einen guten Kaf­fee bekom­men (dafür ein schön küh­les Weiß­bier im klei­nen Bier­gar­ten der Münch­ner Staats­bi­blio­thek, aber das ist eine ande­re Anek­do­te für eine ande­re Kolum­ne), doch ich kann mir nicht vor­stel­len, dass das Heiß­ge­tränk den Unter­schied ausmacht.

Kurz­um, ich ver­ste­he nicht, war­um die Biblio­thek in der erwähn­ten Umfra­ge als Ort für mobi­le Arbeit so schlecht abschnei­det. Zwar mag einem selbst viel­leicht nicht jede Biblio­thek gefal­len, aber vom Kon­zept her sind sie mei­nes Erach­tens die bes­se­ren Cowor­king Spaces: preis­wert, öffent­lich und das Gemein­wohl unter­stüt­zend. Oder um es mit einem Tweet von P.Jay zu sagen: „Es gibt 83 öffent­li­che Biblio­the­ken in Ber­lin und ihr sucht nach Cowor­king Spaces.“ Anschei­nend bin ich nicht der ein­zi­ge Biblio­theks-Fan auf Twitter.

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