„Coworking-Papst“ Tobias Kremkau ist von Berlin in eine Kleinstadt ohne Coworking Space gezogen. Als Arbeitsorte gewinnen dort für ihn notgedrungenerweise das Homeoffice und die Bibliothek an Bedeutung.
Ein Thema für diese Kolumne zu finden, fiel mir diesmal ungewöhnlich schwer. Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine beschäftigen mich sehr, wie vermutlich uns alle. Vor Kurzem erlebte ich eine zerstreut wirkende Bäckerin, die den ganzen Morgen Berichte über den russischen Angriffskrieg im Radio gehört hatte und kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Ich fühlte mit ihr und auch ich habe mich noch nicht an das Geschehene gewöhnt. Zu fremd ist uns allen hierzulande der Krieg geworden, auch wenn er nie verschwunden war.
Auf Twitter fragte ich, worüber ich schreiben sollte. Ich wollte wissen, was die Menschen momentan beim Thema Coworking beschäftigt. Der erste Vorschlag, Coworking nach der Stadtflucht und wie es um mobiles Arbeiten auf dem Land bestellt ist, passte hervorragend zu meiner momentanen Situation (und trotzdem bin ich nicht selbst darauf gekommen, darüber zu schreiben), denn ich bin vor Kurzem aus Berlin-Friedrichshain fortgezogen und wohne nun in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Stendal, dem Zentrum der Altmark.
In Stendal gibt es noch kein Coworking Space. Eine private Musikschule in der Stadt bietet die Möglichkeit an, tageweise mit im Büro zu sitzen und von dort aus zu arbeiten. Noch gibt es keine Mitgliedschaften oder Besprechungsräume, die gebucht werden können. Das ist ein Anfang, aber für eine Stadt, von der es mit der Bahn nach Berlin und Hannover weniger als eine Stunde Fahrzeit sind, zu wenig. Und für mich bedeutet das, wieder im Homeoffice zu arbeiten. Nun aber in einem Zuhause mit Arbeitszimmer und nicht nur am Esstisch.
So geht es vielen Menschen im ländlichen Raum. Die Anzahl von Coworking Spaces auf dem Land und in Kleinstädten nimmt zwar seit drei bis vier Jahren zu, aber noch stellt das Eigenheim mit seinem im Vergleich zu einer städtischen Wohnung großzügigen Platzangebot oft die einzige Lösung für mobiles Arbeiten dar. Doch wie muss ein heimisches Arbeitszimmer sein, damit es auch für einen selbst funktioniert? Denn anders als das Büro oder ein Coworking Space ist das Zuhause ein Ort des Privaten und nicht der Arbeit.
Die CoworkingMap hatte ich zwar schon einmal als Linktipp empfohlen, aber vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse lohnt es sich, noch einmal auf die Karte mit verschiedenen Orten für mobiles und dezentrales Arbeiten hinzuweisen. Denn sie zeigt jetzt auch die Coworking Spaces an, die geflüchteten Menschen aus der Ukraine oder den Helfern, die sie bei sich zu Hause aufgenommen haben, kostenlose Arbeitsplätze anbieten. Möglich gemacht hat das eine Kooperation zwischen der CoworkingMap, der German Coworking Federation (GCF) und CoWorkLand.“
Tipp von Tobias Kremkau
Für mein Arbeitszimmer habe ich einen Raum mit Fenster zur Straße gewählt. So sehe ich nicht, was noch im Garten zu tun ist oder wie meine Kinder dort spielen. Alle Wände habe ich weiß gehalten, damit ich keine Ablenkungen habe und fokussiert arbeiten kann. Kreativ kann ich auch mit Laptop vom Café aus sein, aber im Homeoffice muss ich Aufgaben effizient abarbeiten können. Denn ohne Betreuungsplätze für meine beiden Kinder habe ich dafür momentan immer nur kurze über den Tag verteilte Zeitblöcke zur Verfügung.
Als einen Ersatzarbeitsort, falls fokussiertes Arbeiten im Homeoffice nicht möglich sein sollte, kommt die Stendaler Stadtbibliothek infrage. Sie ist nur wenige Fußminuten entfernt. Dort gibt es Arbeitsplätze und eine gute Internetverbindung. Selbstverständlich bin ich auch Mitglied, aber in fast allen Bibliotheken darf man sich heutzutage auch ohne eine Mitgliedschaft aufhalten und das offene WLAN nutzen. Ich halte Bibliotheken als Orte der Zivilgesellschaft und des Gemeinwohls für die besseren Coworking Spaces.
Was für wen funktioniert, hängt von einem selbst ab. Manche arbeiten bestens im Homeoffice, andere fühlen sich dort isoliert. Einigen nützt die Ruhe der Bibliothek, andere brauchen das Treiben eines Cafés um sich herum. Ich brauche das alles. Deshalb mag ich es auch, regelmäßig den Arbeitsort zu wechseln und nach der für mich in dem Moment benötigten Atmosphäre auszusuchen. Und solche Orte gibt es auch im ländlichen Raum. Ein Coworking Space stellt hier nur die professionellste Option dar, aber selten die einzige.