Coworking findet längst nicht mehr nur in Coworking Spaces statt, sondern auch in Banken, Kirchen, Hotels oder Bahnhöfen. „Coworking-Papst“ Tobias Kremkau macht eine wichtige Unterscheidung in Bezug auf solche Orte.
In der vorangegangenen Ausgabe dieser Kolumne habe ich erklärt – und dies nicht zum ersten Mal –, dass Coworking eine Kultur des Miteinanders ist. Kultur ist ein Begriff, der sämtliche Erscheinungsformen unseres Daseins meint, die auf Werten und erlernten Verhaltensweisen beruhen. Was Coworking also ausmacht, ist die Art und Weise, wie wir Menschen miteinander interagieren. Und wenn dem so ist, dann kann Coworking an jedem Ort stattfinden, an dem Menschen zusammenkommen, und ist nicht nur auf ein Coworking Space begrenzt.
Deshalb soll es hier zur Abwechslung einmal nicht um Coworking Spaces gehen, sondern um die neuen Akteure der Coworking-Bewegung, die diese Kultur des Miteinanders an die unterschiedlichsten Orte bringen. Denn es sind schon lange nicht mehr nur Coworking Spaces, die den Menschen Coworking ermöglichen. Auch Banken, Bibliotheken, Kirchen, Hotels, Einkaufszentren, Kneipen, Bahnhöfe, Flughäfen, Rathäuser und Sportvereine haben Coworking als ein Betätigungsfeld für sich entdeckt.
Auf den ersten Blick lassen sich diese Akteure und mit ihnen diese neuen Orte des Coworking in zwei Kategorien unterteilen: Erstens die Angebote, die Coworking als den Zugang zu und das Teilen von Infrastruktur definieren. Diese kennzeichnet eine hohe Fluktuation und die Orientierung am Nutzungsverhalten. Zweitens die Orte, die sich in der Vergangenheit durch Aufenthaltsangebote und Community-Konzepte definierten und nun neue Ansätze suchen, damit Menschen dort verweilen. Sie setzen auf Kopräsenz-Erlebnisse.
Die Geräuschkulisse ist eine Eigenschaft von Orten, die oft nur unbewusst wahrgenommen wird. Fokusarbeit lässt sich am besten in ruhigen Räumen erledigen. Für kreative Prozesse braucht es manchmal etwas mehr hörbares Leben um einen herum. Geräuschunterdrückende Kopfhörer helfen abzuschalten und Apps wie Coffitivity sorgen für etwas mehr kreativen Krach. Mit Letzteren versetze ich mich an lebendige Orte wie ein brasilianisches Café oder eine Uni-Kantine, wenn ich der Stille des Homeoffice entgehen und in meinen Arbeitsflow eintauchen möchte.“
Tipp von Tobias Kremkau
Die erste Kategorie umfasst beispielsweise Bahnhöfe, Flughäfen, Hotels und auch temporäre Coworking-Pop-ups. Wer auf seinen Zug am Bahnhof oder seinen Anschluss am Flughafen wartet, möchte nicht Mitglied eines Coworking Spaces werden. In solchen Situationen geht es nur darum, ein paar Minuten oder auch Stunden mobil arbeiten zu können. In diese Kategorie gehören auch Hotels und Kneipen, die tagsüber Coworking-Arbeitsplätze anbieten, bis die regulären Gäste kommen, welche sich einen schönen Abend machen möchten.
Ist das noch Coworking? Darüber lässt sich diskutieren. Denn auch wenn es keine feste Community an Mitgliedern gibt, sind soziale Interaktionen mit anderen Menschen möglich. Ohne die verbindende Zugehörigkeit zur selben Community hängt dies vermutlich vom Einsatz der einzelnen Personen ab, vor allem in der kurzen Zeit des Aufenthalts. Diese Orte sind aber ebenso ein Beleg dafür, dass sich die Arbeitswelt verändert hat. Während noch über das Zurück ins Büro diskutiert wird, schaffen die mobil arbeitenden Menschen Tatsachen.
Die zweite Kategorie umfasst dagegen Orte wie Banken, Bibliotheken, Kirchen und auch Sportvereine, die sich in erster Linie durch Mitgliedschaften auszeichnen und die man in der Regel als Mitglied regelmäßig aufsucht. Sie suchen nach neuen Konzepten, damit Menschen sich wieder bei ihnen aufhalten und sie überhaupt noch als Akteure wahrgenommen werden. Durch Coworking kann beispielsweise eine Bankfiliale auch in Zeiten des Online-Bankings Sinn machen oder die Räume des Sportvereins auch tagsüber effizient genutzt werden.
Beiden Kategorien ist der positive Effekt gemein, dass durch sie mehr Menschen mit der Coworking-Idee in Kontakt kommen. Sei es durch das Praktizieren mobilen Arbeitens auf Reisen oder das Aufsuchen von Orten, von denen aus auch andere Menschen arbeiten, um sich nicht einsam zu fühlen. Coworking kann davon profitieren und somit können es auch die Coworking Spaces. Über Coworking besser informierte Menschen sind die beste Grundlage für eine zukünftig höhere Nachfrage nach professionellen Coworking-Angeboten.