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Ein Kommentar zum Thema New Work

Mit dem Buzz-Word New Work wer­den heu­te Lösungs­an­sät­ze für räum­lich, gegen­ständ­lich und ideell sinn­stif­ten­de Arbeit bezeich­net. Der Autor Bern­hard Kuntz ana­ly­siert die­sen Trend und for­mu­liert wich­ti­ge Zusatzfragen.

Schöne neue New-Work-Welt? Abbildung: pexels/Sharon McCutcheon

Schö­ne neue New-Work-Welt? Abbil­dung: Pexels/Sharon McCutcheon

Neu­lich las ich mal wie­der einen Arti­kel, genau­er gesagt ein Inter­view, in der Wirt­schafts­wo­che zum The­ma New Work mit der Über­schrift „Nie­mand kann sich acht Stun­den kon­zen­trie­ren“. Dar­in wird mit Las­se Rhein­gans, dem Inha­ber und Geschäfts­füh­rer der Agen­tur Rhein­gans Digi­tal Enabler, gespro­chen. Er hat in sei­nem Unter­neh­men die 25-Stun­den-Woche ein­ge­führt – bei vol­lem Gehalt.

Garten Eden der Arbeit?

In die­sem Unter­neh­men wer­den laut Wirt­schafts­wo­che, um „die Arbeit von acht Stun­den der­art zu ver­dich­ten“, „alle poten­zi­el­len Ablen­kun­gen ver­mie­den“. Die Mit­ar­bei­ter „arbei­ten einen Wochen­plan ab, nut­zen kei­ne pri­va­ten Smart­phones und chat­ten nicht. Es gibt kei­nen Kaf­fee­kü­chen­tratsch und kei­ne Social Media am Rech­ner. Gefragt sind vol­le Kon­zen­tra­ti­on auf die gesetz­ten Zie­le. Zum Lohn gibt es bei Voll­zeit­ge­halt einen frü­hen Fei­er­abend – und frei­wil­li­ge Team­tref­fen zum Mit­tag­essen nach der Arbeit.“

Und wie soll­te es anders sein, selbst­ver­ständ­lich hat der Inha­ber der Agen­tur, der auch Spea­k­er zum The­ma New Work ist, über die­ses Arbeits­zeit­mo­dell ein Buch geschrie­ben: „Die 5-Stun­den-Revo­lu­ti­on. Wer Erfolg will, muss Arbeit neu den­ken“. In ihm erklärt Rhein­gans, nach der Ver­lags­an­ga­be, war­um ein Fünf-Stun­den-Tag wie in sei­nem Unter­neh­men rich­tungs­wei­send sei.

Neue Fragen an New-Worker

Gele­sen habe ich das frisch erschie­ne­ne Buch frei­lich noch nicht. Den­noch hege ich schon jetzt die Erwar­tung, dass im Zuge der New-Work-Debat­te nicht nur rosa Wölk­chen gese­hen wer­den, son­dern doch ein­mal kon­kret nach­ge­fragt wird. Fol­gen­de Fra­gen fie­len mir dazu sofort ein:

  • Wie viel wird den New-Workern bezahlt? Führt die Stun­den­re­duk­ti­on zu einer Ver­rin­ge­rung der schma­len Gehälter?
  • Sind die gewünsch­ten New-Worker sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig oder doch eher not­ge­drun­gen als Free­lan­cer unterwegs?
  • Wie viel Urlaubs­ta­ge wer­den fest­an­ge­stell­te New-Worker pro Jahr haben? 30 Tage oder nur die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen 20 Tage wie in vie­len Agenturen?
  • Han­delt es sich bei den ima­gi­nier­ten New-Workern weit­ge­hend um Stu­den­ten und jun­ge Müt­ter, die ohne­hin nur maxi­mal 25 Stun­den in der Woche arbei­ten möch­ten, oder dür­fen sie auch die Haupter­näh­rer ihrer Fami­li­en sein?
  • Ist der New-Worker eher ein Prak­ti­kant oder ein voll­wer­ti­ger Mitarbeiter?

Zwischen Old und New Work

Ich emp­fin­de die New-Work-Debat­te als etwas puri­ta­nisch, obwohl sie hip und frei erschei­nen will. Ich erach­te es zuwei­len sogar als mei­ne Pflicht als Vor­ge­setz­ter, den Tratsch bzw. das Gespräch über Din­ge, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, und das gemein­sa­me Kaf­fee­trin­ken in mei­nem Büro zu sti­mu­lie­ren. Und selbst­ver­ständ­lich sol­len mei­ne Mit­ar­bei­ter wäh­rend ihrer Arbeits­zeit mal mit ihrem Part­ner tele­fo­nie­ren oder eine Whats­App-Nach­richt von ihren Kin­dern lesen kön­nen. Alles ande­re wäre aus mei­ner Sicht inhu­man und wür­de ihrer Lebens­si­tua­ti­on nicht gerecht. Außer­dem wür­de es weder die Effek­ti­vi­tät noch die Krea­ti­vi­tät stei­gern, son­dern nur den Arbeits­druck erhöhen.

New-Work-Vorbilder?

Sol­che Arbeits­for­men und Arbeits­zeit­mo­del­le wie bei Rhein­gans Digi­tal Enabler mögen auf­grund der Mit­ar­bei­ter­struk­tur und Arbeits­in­hal­te im Ein­zel­fall durch­aus ihre Berech­ti­gung haben. Dass die Medi­en sie jedoch zu Vor­bil­dern für die Wirt­schaft hoch­ju­beln, ist pro­ble­ma­tisch, weil sie das nicht sind. Nicht sein kön­nen. Denn bei nähe­rem Hin­se­hen han­delt es sich bei den gebauch­pin­sel­ten Unter­neh­men in der Regel um Digi­ta­l­agen­tu­ren oder Bera­tungs­un­ter­neh­men, die maxi­mal ein oder zwei Dut­zend Mit­ar­bei­ter beschäf­tig­ten (bzw. so vie­le Namen auf ihrer Web­sei­te ste­hen haben). Sie möch­ten sich gern als Impuls­ge­ber und Bera­ter in Sachen New Work profilieren.

Wie wollen wir arbeiten?

Als Vor­bil­der für die Arbeit von mor­gen in grö­ße­ren Unter­neh­men, deren Beleg­schaf­ten viel hete­ro­ge­ner sind, tau­gen sie jedoch nicht – auch weil bei einer sol­chen Arbeits­ver­dich­tung wie bei Rhein­gans Digi­tal Enabler kei­ne emo­tio­na­le Bin­dung ans Unter­neh­men statt­fin­det. Viel­mehr rei­ßen die Mit­ar­bei­ter, so mei­ne Ver­mu­tung, im Ide­al­fall hoch­kon­zen­triert ihre fünf Stun­den her­un­ter, und dann ver­las­sen sie mit einem Seuf­zer der Erleich­te­rung das Büro. Des­halb eine wei­te­re Fra­ge an die New-Work-Pro­pa­gan­dis­ten: „Wie lan­ge ist die Ver­weil­dau­er der Mit­ar­bei­ter in Ihrem Unter­neh­men?“ – Hof­fen wir auf die Eröff­nung einer kri­ti­schen wie frucht­ba­ren Dis­kus­si­on, die alle mit­nimmt. Dann kön­nen alle über­le­gen, wie sie mor­gen arbei­ten wollen.

Mehr zu und von Bern­hard Kuntz fin­den Sie hier.

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