Teil 4: Warum flüstern Sie, Frau Doktor?
Der Bestsellerautor und Karrierecoach Martin Wehrle gibt auf OFFICE ROXX wertvolle Tipps für einen gelingenden Büroalltag. Diesmal geht es um auf den Putz hauende Männer und zu bescheidene Frauen.
„Guten Tag, Frau Dr. Körber!“, begrüße ich eine neue Klientin. „Hallo Herr Wehrle“, antwortet sie – und fügt eine Bitte hinzu. „Lassen Sie den ‚Doktor’ weg.“ Fast allen promovierten Männern schwillt die Brust, wenn man sie „Herr Doktor“ nennt. Der Titel schmückt ihre Mailadresse, dominiert ihre Signaturen und springt auch von der privaten Visitenkarte ins Auge.
Und dann beobachten Sie mal, wie eine promovierte Frau sich vorstellt, etwa bei der Eröffnungsrunde eines Seminars. Der Titel taucht höchstens indirekt auf: „Ich habe Physik studiert. Nach meiner“ – die Stimme schrumpft zu einem Flüstern – „Promotion habe ich dann ...“ – „Moment“, sage ich, „Sie haben den Doktorgrad erworben?“ – „Ja“, flüstert es zurück, und ein funkelnder Blick legt mir nahe, dringend das Thema zu wechseln.
Nicht nur beim Doktortitel, auch bei anderen Statussymbolen sind Frauen zu bescheiden. Zum Beispiel war die Juristin Bettina Seiber (33) aufgestiegen zur Vize-Leiterin eines Unternehmens mit 250 Mitarbeitern. Ihr wurde eine Sekretärin angeboten, doch sie lehnte ab: „Ich korrespondiere fast nur per Mail. Das bekomme ich ohne Hilfe hin.“
Erst ein paar Monate später ging ihr ein Licht auf: Sie nahm mal wieder einen Anruf entgegen (ihr Telefon klingelte seit der Beförderung rund um die Uhr!): „Seiber.“ Die Stimme am anderen Ende gab forsch zurück: „Hier ist das Sekretariat von Herrn Doktor Baier. Würden Sie mich bitte zur Chefin durchstellen!“ Wer das Telefon abhebt, kann nicht wichtig, kann keine Chefin sein!
Und war Bettina Seiber nicht selbst aufgefallen, dass die Managerkollegen selten direkt ihre Nummer wählten – sondern das Gespräch auf komplizierte Weise von ihrem Sekretariat durchstellen ließen? Offenbar ging es nicht um Zeitersparnis, sondern um die Botschaft: „Ich habe die Macht, telefonieren zu lassen!“ Eine Sekretärin ist ein Statussymbol.
Oder nehmen Sie eine klassische Männerdomäne, den Dienstwagen. Während Frauen glücklich sind, überhaupt ein Auto von der Firma zu bekommen, haben die Männer längst eruiert, mit welcher PS-Zahl sie sich unter den anderen Vorgesetzten in der Spitzengruppe platzieren können. Wer hier mit einem Auto auftaucht, das nur halb so viel wie die anderen kostet, wie so manche Chefin, wird nur als halbe Führungskraft wahrgenommen.
Oder: Managerinnen geben sich mit einem Parkplatz zufrieden, der weit vom Firmengebäude entfernt liegt – während Männer peinlichst darauf achten, dass die Nähe zum Gebäude ihrem Rang in der Hierarchie entspricht. Frauen haben kein Problem damit, zweiter Klasse im Flugzeug oder in der Bahn zu reisen – während die Männer als Führungskräfte erster Klasse gelten wollen, auch beim Reisen.
Wer solche Statusspiele albern und peinlich findet, liegt damit sicher nicht verkehrt. Dennoch gelten diese ungeschriebenen Regeln in vielen Firmen. Und vorwärts kommt nur, wer sich in groben Zügen daran orientiert – gerne mit der nötigen Distanz und einem gewissen Augenzwinkern.
Viele Frauen haben einen Lottoschein mit sechs Richtigen in der Tasche. Das allein hilft im Beruf aber nicht; man muss ihn auch einlösen. Und wer sich durchsetzen will, braucht Status-Bewusstsein!