Robert Nehring hat nicht viel von Marcel Proust gelesen, stellt aber ebenfalls gern viele Fragen. Interessanten Persönlichkeiten aus dem Büroumfeld schickt er auch mal einen Fragebogen. Diesmal antwortete Christian Haeser, Geschäftsführer Handelsverband Wohnen und Büro e.V.
ARBEITEN
1. Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsplatz.
Mein Arbeitsplatz befindet sich in einem offenen und kommunikativen Glasraum-Büro, zentral zu den Kolleginnen und Kollegen gelegen.
2. Wie kommen Sie zur Arbeit?
In der Regel fahre ich mit dem Auto. Wenn es die Termine zulassen, nutze ich die S-Bahn. Das ist definitiv die angenehmere Alternative, da die letzte Meile zum Büro durch einen wunderschönen Park führt.
3. Wo arbeiten Sie am liebsten?
Ich arbeite sehr gerne und überwiegend im Büro, um mich direkt mit meinen Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Es gibt keine effektivere Kommunikation als die im Büro. Für gewisse Konzentrationsaufgaben und Projekte nutze ich das Homeoffice. Dort kann ich mich auch mal für ein paar Stunden dem Tagesgeschäft entziehen und fokussiert Themen angehen.
4. Wie viele E-Mails erhalten Sie im Schnitt pro Tag?
Sagen wir es mal so: Mir bleibt keine Zeit, um die Mails zu zählen.
5. Wie viele Videocalls haben Sie pro Woche und wie viel Zeit verbringen Sie mit diesen?
Ich habe jede Woche mindestens zwei Jour fixes innerhalb der Handelsorganisation. Dort bringen wir uns alle auf den aktuellen Stand und tauschen uns aus. Dann gesellen sich jede Woche noch einige Videocalls hinzu, sodass ich mindestens sechs Stunden mit Videocalls pro Woche verbringe.
6. Ihre Stelle als Geschäftsführer des HWB haben Sie Anfang 2020 angetreten. Kurz darauf ging die Wirtschaft in einen Krisenmodus über, der noch heute anhält. Wie ist es Ihnen in dieser Zeit ergangen?
Es war ein Sprung in sehr kaltes Wasser. Corona respektive die Lockdowns haben dem Handel schwer zu schaffen gemacht. Wir, als kleines Team, sind in dieser Zeit über uns hinausgewachsen und haben unseren Händlerinnen und Händler permanent Bericht erstattet und Aufklärungsarbeit geleistet. Durch die Krise bin ich schnell mit der Branche verwachsen und habe direkt Kontakte knüpfen können. Leider nicht im herkömmlichen Sinne persönlich, sondern hauptsächlich per Telefonie, Videocalls oder E-Mail. Umso mehr genieße ich es jetzt, das persönliche Kennenlernen auf Messen, Tagungen und Besuchen nachzuholen.
7. Wie ist die Bürowirtschaft bis heute durch die Krise gekommen?
Der Büro- und Schreibwarenhandel hat sich in der Krise als äußerst robust und agil erwiesen. Die Fachhändler richten sich immer wieder neu auf die Bedürfnisse der Kunden aus und passen dementsprechend ihre Sortimente an. Der Service vor Ort und das Erleben der Produkte im Geschäft sind weitere wichtige Pluspunkte, die dem Handel durch die schwierige Zeit geholfen haben. Neue Wohn- und Arbeitskonzepte werden unserer Branche weiterhin Rückenwind geben.
8. Wie sehen Sie die Zukunft des Bürofachhandels?
Der Bürofachhandel sieht sich mit denselben Herausforderungen konfrontiert, wie alle anderen Branchen auch. Hierzu gehören unter anderem Fachkräftemangel, Nachfolgeproblematik und die Konkurrenz durch den Onlinehandel. Spätestens seit Corona ist allen bewusst geworden, wie wichtig es ist, sich hybrid aufzustellen. Der Grund hierfür ist nicht nur die Onlinekonkurrenz, sondern auch das veränderte Verbraucherverhalten. Ich bin mir sicher, dass der Bürofachhändler immer durch seine persönliche Expertise punkten wird, denn Qualität und kompetente Beratung sind eine wichtige Währung für jeden Kunden.
9. Das papierlose Büro mag eine Vision bleiben. Die Büroarbeit kommt aber mit immer weniger Papier aus. Was bedeutet das für die PBS-Branche (Papier, Bürobedarf, Schreibwaren)?
Das mag zwar dem ersten Anschein nach richtig sein, Papier ist aber nach wie vor nicht wegzudenken. Individuelle und persönliche Schreiben haben einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung, sind oft ein Zeichen für persönliche Wertschätzung. Auch in den Schulen ist es wichtig, das Schreiben auf Papier mit allen Sinnen zu erlernen und zu festigen. Ein modernes Tablet kann das Schreiben auf Papier nicht ersetzen.
10. Viele traditionelle PBS-Hersteller sind längst zu neuen Ufern aufgebrochen: Möbel, Leuchten, Luftreiniger. Die Schreibgerätehersteller konzentrieren sich auf Basteln und Schule, die Papierindustrie auf Verpackungen. Befindet sich der Bereich Bürobedarf in Auflösung?
Der Bereich Bürobedarf befindet sich ganz und gar nicht in Auflösung, sondern erweitert seine Sortimente und Kompetenzen um den Bedarf der Verbraucher. Die Trennungen zwischen den Sortimenten sind heutzutage nicht mehr strikt, die Übergänge sind fließend. Wohn- und Arbeitswelten wachsen immer mehr zusammen, es macht also großen Sinn, die Waren entsprechend anzupassen.
11. Die traditionelle Branchenmesse Paperworld hat 2020 zum letzten Mal stattgefunden. Geht die Zeit der physischen Messen im Bereich Büro langsam zu Ende?
Nein, die Messe passt sich ebenfalls daran an, dass Wohnen und Arbeiten respektive die jeweiligen Sortimente miteinander verschmelzen. Das konnte man wunderbar auf der diesjährigen Ambiente sehen, die mit der Ambiente Working und Creativeworld im Prinzip sämtliche Needs an einem Ort abgedeckt hatte. Dieses Konzept ist sehr gut angekommen und wird weiter ausgebaut.
12. Vor Kurzem hat sich der Bitverlag nach 45 Jahren verabschiedet. Dessen Handelsmagazine, etwa BOSS und PBS aktuell, prägten die PBS-Branche über Jahrzehnte. Wie beurteilen Sie die Situation der Fachmedien im Bürobereich generell? Ist diese Branche noch genügend repräsentiert? Ist Print noch das richtige Medium?
Ich bin kein Verleger und natürlich kein Spezialist auf diesem Gebiet. Es hat mich allerdings sehr traurig gemacht, dass diese beiden Urgesteine unserer Branche verloren gegangen sind. Print ist nach wie vor für die Fachpresse das richtige Medium, doch auch hier ist es, wie im Handel, immens wichtig, sich hybrid aufzustellen. Nachrichten sind schnelllebig, Print ist geduldig. Das passt nicht zueinander. Alles muss einfach und schnell über das Tablet oder Smartphone verfügbar sein. Denken Sie auch an die Social-Media-Kanäle. Es ist sehr wichtig, auch hierüber junge Menschen für die Bürobranche zu begeistern.
13. Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Wie wird sich das Thema Hybrid Working wohl entwickeln?
Hybrides Arbeiten war vor Corona in vielen Bereichen des Dienstleistungssektors kaum denkbar. Dies hat sich nun grundlegend geändert und wird auch weiterhin bestehen bleiben. Ich denke, jedes Unternehmen muss für sich das bestmögliche Modell erarbeiten. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass effektives Arbeiten ohne anteilige Präsenzzeiten im Büro nahezu unmöglich ist.
14. Müssen Wohnen und Büro, wie im Namen Ihres Verbandes, künftig immer zusammengedacht werden?
Auf jeden Fall! Wie bereits erwähnt, wachsen unsere Fachbereiche immer mehr zusammen.
15. Viele erwarten nun starke Büroflächenreduktionen. In jedem Fall verändert sich die Rolle des Corporate Office. Wie sehen Sie das?
Eine Reduktion der Büroflächen ist längst im Gange. Laut einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts sind an einem durchschnittlichen Tag dreimal so viele Arbeitsplätze ungenutzt wie vor der Corona-Pandemie. Der Anteil beträgt im Schnitt aktuell 12,3 Prozent. Vor der Pandemie lag dieser Anteil bei nur 4,6 Prozent. Das hat übrigens auch negative Auswirkungen auf die Frequenzen in den Innenstädten, wo sich ein großer Teil der Büros befindet. Es ist nur logisch, dass die Unternehmen bei geringerer Auslastung die Büroflächen reduzieren werden.
16. Das Einzelbüro ist so etwas wie der alte weiße Mann der Büroformen geworden. Wird es sich künftig nur noch im Homeoffice finden?
Das sehe ich nicht so. Einzelbüros bieten den Vorteil, ungestört Themen durchdenken und stringent abarbeiten zu können. Es darf nur nicht vergessen werden, dass der Austausch mit den Kollegen permanent zu pflegen ist.
17. Mieten soll das Potenzial haben, im Büro das neue Kaufen zu werden. Teilen Sie diese Auffassung?
Ich gehe davon aus, dass sich der Anteil an gemieteten Büromöbeln in den Büros weiterhin erhöhen wird. Ursachen hierfür sind die neue flexible Nutzung der Büros sowie der Nachhaltigkeitsgedanke.
18. Welche Bedeutung hat die ökologische Nachhaltigkeit für die Bürowirtschaft?
Wie in allen Branchen hat das Thema Nachhaltigkeit auch in der Bürowirtschaft eine starke Rolle eingenommen. Eine immer höhere Anzahl an Produkten wird zum Beispiel mit recycelten oder natürlichen Materialien produziert. Der Kreislaufwirtschaftsgedanke ist sowohl bei der Industrie als auch beim Handel fest verankert und wird stetig ausgebaut.
19. Wie könnten Büros in zehn bis 20 Jahren aussehen – oder erledigen wir da schon alles mit VR-Brille auf der heimischen Couch, also in einem virtuellen Büro? Was würden Sie sich wünschen?
VR-Brillen können den Massenmarkt erobern, wenn sie dem Endkunden einen Vorteil bieten. Ich sehe dies als große Chance an, Teilbereiche des Arbeitens in die Cloud und damit in die digitale Welt zu verlagern. Aber nicht jede Form des Arbeitens kann dorthin verlagert werden.
20. Wie stehen Sie zum Coworking?
Coworking ist besonders im kreativen Bereich eine effektive Form des Arbeitens.
21. Was halten Sie von New Work?
New Work ist ein wichtiges Feld und wird immer mehr von den Arbeitnehmern angenommen.
22. Den Generationen Y und Z rate ich …
… ihre Affinität zu Digitalisierung und Technologie beizubehalten, aber dennoch offen für Traditionen und Werte zu bleiben.
23. Welche Utensilien aus der guten alten Analogwelt sollten in einem Office erhalten bleiben?
Klassisch: der Füller.
24. Wie sähe Ihr Traumbüro aus?
Ich benötige lediglich viel Platz, um meine Ordner unterzubringen und strukturiert arbeiten zu können.
25. Was Sie schon immer einmal zur Entwicklung der Büroarbeit sagen wollten …
Die Technologisierung wird immer mehr Einzug halten.
26. Was inspiriert Sie?
Erfolgserlebnisse und die Möglichkeit, etwas bewegen zu können.
27. Ihr größter beruflicher Erfolg?
Wichtig ist, das Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Am Ende fügen sich alle Puzzleteile zusammen.
28. Der größte Misserfolg?
Das müssen andere beurteilen.
29. LinkedIn oder Xing oder …?
LinkedIn.
30. Lesen Sie noch Gedrucktes?
Ja, oft und gerne. Die Haptik spielt für mich immer noch eine große Rolle.
LEBEN
31. Welches Bundesministerium sollte es noch geben?
Ein Bundesministerium des Handels.
32. Was würden Sie gern können?
Handwerklich begabter sein.
33. Wo würden Sie am liebsten leben?
Im Süden.
34. Wobei können Sie gut entspannen?
In einer ruhigen Umgebung, egal an welchem Ort.
35. Ihr ursprünglicher Berufswunsch?
Genau das, was ich jetzt mache.
36. Ihre Hauptcharaktereigenschaften?
Ich kann sehr gut zuhören und Kompromisse finden.
37. Ihre Hobbys oder Leidenschaften?
Laufen und Schwimmen.
38. Ihre drei Dinge für die einsame Insel?
Ein Buch, mein Laptop und ein Schlauchboot.
39. Ihr Lieblingskünstler?
Salvador Dali.
40. Ihr Lieblingsbuch?
„Die Hauptstadt“ von Robert Menasse.
41. Ihr Lieblingsgericht?
Gulasch mit Knödel.
42. Ihre Lieblingsweisheit?
„Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“ Winston Churchill.
43. Haben Sie ein Lebensmotto?
Kommunikation muss authentisch und ehrlich sein.
44. Der Sinn des Lebens …
…
45. E-Auto oder Verbrenner?
Verbrenner.
46. FC Bayern oder Borussia Dortmund oder …?
FC Bayern.
47. Beatles oder Stones, Ärzte oder Hosen oder …?
Kraftwerk.
48. Bier oder Wein?
Beides (je nach Anlass).
49. Strand oder Berge?
Berge und Strand.
50. Und Ihre Uhr: analog oder digital?
Digital.
![]() Abbildung: HWB CHRISTIAN HAESER
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