Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat eine Metastudie zur Wirkung raumpsychologischer Faktoren veröffentlicht. Wir sprachen mit den Autoren Yue Pan und Dr. Stefan Rief.
OFFICE ROXX: Frau Pan und Herr Dr. Rief, in Ihrer Studie plädieren Sie dafür, raumpsychologischen Faktoren bei der Büroplanung mehr Bedeutung zuzumessen. Warum?
Yue Pan: Es gibt tatsächlich zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, in denen nachgewiesen wurde, dass unterschiedliche Raumfaktoren einen starken Einfluss auf Aspekte wie Wohlbefinden und Leistung haben. Allerdings wirken diese Effekte häufig sehr individuell. Das machte ihre Nutzung lange Zeit schwierig. Nun erleben wir aber nicht nur ein steigendes Interesse bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern an diesem Thema. Flexiblere Nutzungskonzepte erlauben auch eine höhere Lösungsvielfalt, weil ja nicht mehr nur für eine „Durchschnittsperson“ gestaltet werden muss.
Vielen ist ein persönlicher Arbeitsraum wichtig. Flächenverdichtung und Desk-Sharing haben diesen – zumindest vor der Pandemie – immer mehr zurückgedrängt. Wie wird diese Entwicklung in der Literatur bewertet?
Stefan Rief: Die Dichte der Arbeitsumgebung beeinflusst Kommunikation und Arbeitsbelastung. Eine zu hohe Dichte kann unkontrollierbare, unangenehme und belastende Effekte zur Folge haben. Sie kann außerdem zum Erliegen der eigentlich gewünschten Kommunikation führen. Aber auch eine zu geringe Dichte kann Schwierigkeiten bei der Kommunikation verursachen. Daher sollten immer Situation und Tätigkeit berücksichtigt werden. Der Teufel steckt hier ein wenig im Detail. Das Desk-Sharing ist hier eine gute Hilfe: Es ermöglicht, die Dichte genau anzupassen, weil ich mit ihm sowohl Raum für den einzelnen Arbeitsplatz gewinnen als auch über digitale Systeme die Belegungsdichte steuern kann.
Über den Einfluss von Beleuchtung und Farbe wurde schon viel geschrieben. Was haben Sie herausgefunden?
Stefan Rief: Wir haben eine ganz spannende Nutzerstudie aus Japan entdeckt. Ihr zufolge beeinflussen Lichtstärke und Lichtfarbe das kreative Arbeiten. So bevorzugten die Probanden bei kreativen Arbeiten eine relativ geringe Beleuchtungsstärke zwischen 250 und 500 lx in Verbindung mit einer warmen Lichtfarbe. Eine Studie von Steidle und Werth zeigt zudem, dass sehr helle Beleuchtung – mit 1.500 lx – die Kreativität und das Freiheitsgefühl vermindern kann.
Yue Pan: Es ist allerdings schwierig, jeder Farbe isoliert eine bestimmte Wirkung zuzuordnen. Sie müssen oft im Zusammenspiel mit anderen Farben und deren Flächenanteil betrachtet werden. Allerdings wird in der Architektur richtig gelehrt, dass eine hellere Decke den Raum optisch erhöht und auch helle Wandflächen dazu beitragen, dass ein Raum höher erscheint als er ist. Diese Zusammenhänge wurden in Wahrnehmungsexperimenten bestätigt. Weitgehend unbekannt ist hingegen der Effekt, dass Farben Einfluss auf die Temperaturwahrnehmung von Menschen haben können. In einem Experiment wurde beobachtet, dass die Probanden in einem blaugrün gestrichenen Raum bereits bei einer viel höheren Temperatur anfingen zu frieren als in einem orangefarbenen.
Ein großes Problem sind in vielen Büros akustische Störungen – was lässt sich gegen diese unternehmen?
Stefan Rief: Da betreten wir natürlich schon das Feld der Raumphysik und sind nicht nur in der Raumpsychologie unterwegs. Vor diesem Hintergrund sollten bei der Planung eines Büros die Flächen so gestaltet werden, dass potenzielle Lärmbelastungen durch den Raum verringert werden. Außerdem sollten genügend Rückzugsmöglichkeiten für kurze Besprechungen, Telefonate oder fokussiertes Arbeiten angeboten werden.
Yue Pan: Neben Dämmen und Dämpfen gibt es auch noch die Möglichkeit, durch Soundmaskierung die Sprachverständlichkeit zu verringern, um die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen. Von der Geräuschkulisse her ist das Rauschen von Quellwasser sehr zu empfehlen, da es im Vergleich zu anderen Hintergrundgeräuschen wie Gesang und Instrumentalmusik am wenigsten störend wirkt.
Eher ein Schattendasein fristet der Aspekt Luft bei der Büroplanung. Wie wirkt sich die Luftqualität samt Temperatur und Feuchtigkeit auf die Leistung aus?
Stefan Rief: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität sind entscheidend für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer. Allerdings reagieren die Menschen deutlich individueller als bei den anderen Faktoren. Auch Männer und Frauen empfinden das Klima als sehr unterschiedlich. Generell können unpassendes Raumklima (wie zu warm, zu kalt, zu schlecht belüftet) und zu niedrige Luftfeuchtigkeit zu massiven Leistungsverlusten führen. Ein angenehmes, regulierbares Büroklima ist die Voraussetzung für eine gute Arbeitsleistung.
Gehören Pflanzen ins Büro?
Yue Pan: Ein Mangel an unmittelbarem Kontakt mit der Natur hat nachteilige Konsequenzen. Menschen wünschen sich explizit Naturerlebnisse im Büro. Das kann beispielsweise der Blick aus dem Fenster in die Landschaft, warmes Tageslicht am Arbeitsplatz oder auch ein Poster an der Wand sein, das eine Fluss- oder Gebirgslandschaft darstellt. Hierdurch entsteht eine positive Wirkung auf den Betrachter. Pflanzen im Büro können zum einen das Raumklima verbessern, zum anderen regen sie zusätzlich die Konzentrationsfähigkeit und Kreativität des Menschen an und reduzieren Krankmeldungen bzw. Fehlzeiten. Für die zukünftige Gestaltung von Büroumgebungen ist das Verständnis der Beziehung zwischen Mensch und Natur daher nicht nur sinnvoll, sondern vielmehr notwendig.
Wie ist es mit Duftmarketing? Gibt es Düfte, die Mitarbeiter produktiver machen?
Yue Pan: Tatsächlich haben wir Studien gefunden, die zeigen, dass sich beispielsweise Pfefferminzduft positiv auf die Laune und manche Aspekte von Leistung auswirken kann. Rosmarinduft hat einen positiven Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten. Von ihm umgeben soll man sich Dinge, die es zu erledigen gilt, besser merken können. In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass sich unter dem Einfluss von Zitronenduft Rechtschreibfehler um die Hälfte reduzieren lassen und die Konzentrationsfähigkeit gesteigert werden kann. Allerdings ist das Duftempfinden sehr individuell. Der Einsatz von Duftstoffen in der Breite der Büros ist sicher noch ein paar Jahre entfernt.
Wie könnte und sollte Büroplanung also künftig aussehen?
Stefan Rief: Aktuell läuft es auf flexibel genutzte Multispace-Büros hinaus, die besonders dann gut funktionieren und eine hohe Akzeptanz aufweisen, wenn sie über ein funktional und atmosphärisch vielfältiges Angebot an unterschiedlichen Arbeitssettings verfügen. Die Vielfältigkeit kann durch raumpsychologische Effekte gesteigert und weiter ausdifferenziert werden. Warum nicht mal einen Rückzugsraum mit viel Holzoberfläche gestalten? In einer finnischen Studie konnte festgestellt werden, dass der Stresslevel mit zunehmendem Holzanteil in einem Raum sinkt. Oder warum nicht mal in einem Raum eine geringere Beleuchtungsstärke anbieten? Eine solche soll zu einer besseren Behaltensleistung beim Lernen beitragen. Für die Zukunft sehe ich ein enormes Potenzial in kognitiven Umgebungen, also der Verbindung von Digitalisierung und physischem Umfeld. Je besser wir unsere Umwelt im Laufe eines Arbeitslebens kennenlernen, desto individueller können raumphysikalische und raumpsychologische Effekte individualisiert und nutzbar gemacht werden – für mehr Leistung, mehr Wohlbefinden und eine bessere Gesundheit.
Ihre Studie wurde bereits vor der Corona-Krise veröffentlicht. Erscheinen einige Erkenntnisse nun in einem anderen Licht?
Yue Pan: Nein, eigentlich nicht. Mit dem Home-Office hat das Büro zwar einen mächtigen Konkurrenten bekommen, aber die Rückkehr in ein Büro fällt sicherlich leichter, wenn der Arbeitsplatz dort unsere Leistung und unser Wohlbefinden unterstützt sowie interessant und attraktiv ist. Dann klappt es auch wieder mit den so wichtigen spontanen und zufälligen Begegnungen, die virtuell bisher nicht wirklich abgebildet werden können, aber so wichtig für Inspiration, Innovation und auch Motivation sein können.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.
BUCHTIPP: Die Metastudie „Raumpsychologie für eine neue Arbeitswelt = Environmental Psychology for a New World of Work“, deutsch/englisch, von Wilhelm Bauer (Hg.), Yue Pan und Stefan Rief kann im Webshop des Fraunhofer IAO für 34 € bestellt werden. |