Geteilte Mobilität ist definitiv ein Schritt in Richtung nachhaltiges Wirtschaften. Die Publizistin Dr. Alexandra Hildebrandt erklärt, welche Probleme auf dem Weg dorthin noch gelöst werden müssen, um das Konzept sinnvoll und für alle lohnend umzusetzen.
Carsharing erlebte in den vergangenen Jahren vor allem in Großstädten eine große Verbreitung. Hier ist zu unterscheiden zwischen stationsgebundenem Carsharing (Fahrzeuge können nur an bestimmten Orten geliehen und auch zurückgegeben werden) und Free-floating-Carsharing oder On-demand-Carsharing (Fahrzeuge können überall im öffentlichen Straßenraum abgestellt werden). Ridesharing-Unternehmen (Uber, Lyft und Didi Xunking) setzen darauf, dass ein immer größerer Prozentsatz der knapp 16 Billionen weltweit gefahrenen Kilometer pro Jahr in Zukunft von sogenannten Ride-Hailing-Firmen übernommen wird und nicht mehr von Privatfahrzeugen.
Das Auto im digitalen Kapitalismus
Die Studie „Eascy – Die fünf Dimensionen der Transformation der Automobilindustrie“ (2017) von PwC bestätigt, dass sich die starke Wachstumsdynamik beim Carsharing fortsetzt. Basierend auf der bisher erfolgten Entwicklung hätte allein DriveNow an seinen deutschen Standorten in zehn Jahren einen Gesamtmarktanteil von circa zehn Prozent der Personenkilometer. Die Idee, Güter oder Dienstleistungen nicht dauerhaft zu besitzen, sondern nur dann zu nutzen, wenn der Bedarf besteht, ist nicht neu. Das Teilen von Mobilitätsangeboten und Dienstleistungen ist ein Teil dieser Sharing Economy. Sie ist auch im Zusammenhang mit dem Modell der Kreislaufwirtschaft bedeutsam, weil das Teilen von Produkten die Einsparung von begrenzten Rohstoffen ermöglicht und somit zur Entkopplung zwischen Ressourcenverbrauch und Wohlstandsniveau beiträgt.
Herausforderung Uber & Co.
Daimler und BMW wollen in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro investieren. Die Allianz richtet sich – wie immer wieder betont wird – nicht gegen VW oder Toyota, Sixt oder Hertz, sondern gegen Uber, den weltweit größten Player auf dem Gebiet der neuen Mobilitätsangebote. Die Idee dafür hatten die Gründer Travis Kalanick und Garrett Camp angeblich im Jahr 2008, als sie nach einer Konferenz in Paris kein Taxi bekamen. Über eine Smartphone-App kann eine Fahrt bestellt werden, Route und Fahrtzeit werden hier angezeigt. Die Kosten werden bargeldlos über die im Nutzerprofil hinterlegten Zahlungsdaten abgewickelt. In Deutschland ist das Vermitteln von Privatfahrten nicht erlaubt, weil diese Rahmenbedingungen nicht mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar sind. Dennoch ist das Unternehmen hier in ausgewählten Großstädten aktiv, vermittelt allerdings nur Fahrten mit lizenzierten Chauffeuren.
Die Technik hinter dem System Uber
Verwendet wird ein automatisierter Algorithmus, um die Preise an Angebot und Nachfrage auf dem Markt anzupassen. Dabei wird nicht der Betrieb übernommen, sondern die dahinterstehende Intelligenz (Kundenprofile, Fahrpläne, Reiseplanungen und Buchungen). Der Wissenschaftler Timo Daum kritisiert, dass Autohersteller zu Hardwarelieferanten werden, „die Fahrer zu ohnmächtigen Einzelnen, die auf einen Zuschlag durch den Matching-Algorithmus hoffen, die Kunden zu Datenlieferanten, die der Preis- und Zuschlagspolitik des Konzerns ohnmächtig ausgeliefert sind.“
Der Blogger Sascha Lobo nennt es „Plattform-Kapitalismus“. Der Begriff Plattform kommt aus dem IT-Bereich und bezeichnet dort eine Grundtechnologie, auf der andere Dienste oder Anwendungen aufbauen. „Es handelt sich um Software- oder Hardware-Infrastrukturen, die Dritten zur Verfügung gestellt werden. Zentral für diese Geschäftsmodelle sind der Einsatz von Matching-Algorithmen, oft mit Methoden künstlicher Intelligenz unterstützt, sowie die Verwertung von Daten“, schreibt Timo Daum.
Er verweist auch darauf, dass die neuen, digitalen Mobilitätskonzepte wie Carsharing oder Ridesharing bisher nicht als Teil des öffentlichen Verkehrs betrachtet wurden. „Sie unterliegen deshalb auch keiner besonderen Regulierung oder Kontrolle bzw. sind schlicht und einfach illegal.“ Der US-Bundesstaat Kalifornien ist für ihn ein Vorreiter – und das nicht nur, wenn es um Umweltstandards geht: Bereits seit 2012 definiert und reguliert Kalifornien sogenannte Transportation Network Companies (TNC), also Mobilitätsdienste wie Uber. Das deutsche Verkehrsministerium plant ebenfalls, diesen Bereich bis 2021 zu legalisieren.
Hauptziel wird offensichtlich verfehlt
Eines der wichtigsten Ergebnisse seines Buches ist, dass die Sharing-Angebote anscheinend zu mehr Verkehr statt zu weniger führen: „Beim Point-to-Point-Carsharing ist die Bilanz eindeutig negativ: Fahrten mit den neuen Flotten ersetzen hauptsächlich Fahrten mit dem ÖPNV, ein Effekt auf Anschaffung und Betrieb von Privatfahrzeugen ist nicht messbar. Zudem sitzt auch bei diesen Fahrten meist nur eine Person am Steuer, und die zeitbasierten Tarife verleiten zu riskantem Fahren.“ Die gewünschten Effekte aus Sicht der Nachhaltigkeit (Ressourcenschonung, sinnvolle Nutzung des öffentlichen Raums etc.) stellen sich durch die algorithmisch getriebenen privaten Mobilitätsanbieter nicht ein.
Timo Daum plädiert dafür, dass das Verkehrsmittel-Sharing und multimodale Verkehrsangebote nicht privaten Betreibern überlassen werden, sondern aus einer Hand geplant und durchgeführt werden sollten: „Mobilität sollte eher wie ein Park organisiert sein und nicht wie eine Fabrik oder ein Casino, sprich: offen, inklusiv, gesund, nachhaltig, angenehm und öffentlich sein, statt ein Eldorado für Geschäftemacher, egal, welcher Couleur.“
Das Konzept des Teilens in der Alltagsmobilität
Vor diesem Hintergrund sei auch auf die Studie „Empirische Untersuchungen zur Shared Mobility in Mainfranken“ verwiesen, die das Zentrum für Regionalforschung (ZfR) der Universität Würzburg im Auftrag der IHK Würzburg-Schweinfurt Ende 2017 vorgelegt hat. Untersucht wurden Angebot und Nachfrage sowie die tatsächliche Nutzung geteilter Mobilitätsangebote: private und institutionalisierte Car- und Bikesharing-Angebote, Mitfahrgelegenheiten und Bürgerbusse in der Region Nordbayerns. Laut Studie kannte den Begriff „Carsharing jeder zehnte Befragte vor zwei Jahren in Mainfranken gar nicht.“
Die Ergebnisse geben gute Anhaltspunkte für weitere Planungen
- Es sollten mehr Mobilstationen eingerichtet werden, wo Leihangebote für Fahrräder oder Pkw gebündelt sind – idealerweise mit direkter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
- Marketing und Aufklärung sollten verstärkt werden. Interessant wären Mobilstationen am Ende von Straßenbahnen, um mit Fahrrad oder Carsharing weiter zu können, denn zunehmend stellen auch Sharing-Angebote sowohl für Pkw als auch für Fahrräder einen stetig wachsenden Bereich bei modalen und intermodalen Mobilitätslösungen dar.
- Wichtig wäre es, Umstiege am Stadtrand zu ermöglichen, vor allem für die Einpendler, um den städtischen, öffentlichen Raum wieder für Fußgänger und Radfahrer erlebbar zu machen.
- Insbesondere an den Park-and-Ride-Plätzen sollten genügend Ladepunkte für Parken+Laden zur Verfügung stehen.
- Auch Unternehmen sollten ihre Mobilität umfassend betrachten und ergänzende Mobilitätsangebote berücksichtigen – etwa durch die Förderung von E-Bikes, Jobtickets oder Carsharing als Alternativen zum Dienstwagen.
Literatur:
Timo Daum: „Das Auto im digitalen Kapitalismus. Wenn Algorithmen und Daten den Verkehr bestimmen“, Oekom Verlag, 192 S., 2019.
Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer (Hg.): „CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft“, SpringerGabler Verlag, 1.260 S., 2017.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: „Mobilität und Logistik: Richtige Wege, die nicht aufs Abstellgleis führen“, Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Publizistin, Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin. Twitter: @AHildebrandt70 Foto: Steffi Henn |