Zu den Gewinnern der schwierigen letzten Monate zählen zweifellos die verschiedenen Anbieter von Videokonferenz-Software. Wir haben sechs Lösungen für virtuelle Meetings in ihrer Gratisversion unter die Lupe genommen. Gerrit Krämer stellt die Ergebnisse vor.
Wie viel häufiger virtuelle Meetings in den letzten Monaten durchgeführt worden sind, zeigt unter anderem der Bericht „The 2020 Video Trends Report“ des amerikanischen Cloud-Dienstleisters Vonage. Das Unternehmen hat dort veröffentlicht, wie viele Minuten dessen Kunden allein im März per Videokonferenz kommuniziert hatten. Der Wert lag um 232 Prozent höher als im Februar. Beim Anbieter Zoom hatte es im April insgesamt knapp 300 Millionen Teilnahmen an Videokonferenzen pro Tag gegeben. Im Dezember 2019 waren es täglich gerade einmal zehn Millionen gewesen. So viel zur Theorie. Wir wollten aber auch wissen, was einzelne Lösungen in der Praxis leisten.
Zoom – Tool der Stunde
In der kostenlosen Version von Zoom sind Meetings ab drei Personen auf ein Zeitlimit von 40 Minuten beschränkt (maximale Teilnehmerzahl: 100). Eins-zu-Eins-Gespräche können unbegrenzt lange geführt werden. Der Host des Meetings muss ein Zoom-Konto anlegen, alle anderen Teilnehmer können anschließend per Link eingeladen werden. Der Anbieter empfiehlt, das Programm auf dem Rechner zu installieren. Wir sind dem gefolgt, denn so ließen sich Organisation und Durchführung der Videokonferenz mit wenigen Klicks erledigen.
Die Menüführung ist reduziert und intuitiv, alle wichtigen Features sind sofort sichtbar: Konferenzen per Kalender planen oder direkt starten, Meetings beitreten sowie Kontakte hinzufügen und einladen. Während der Konferenz Dateien per Chat verschicken, den eigenen Bildschirm teilen und ein virtuelles Whiteboard einbinden, hat problemlos funktioniert. Die Auswahl an virtuellen Hintergründen hat in der Redaktion für Lacher gesorgt, wenn der Kollege plötzlich aus dem All grüßt.
Jitsi – so einfach
Die Open-Source-Lösung Jitsi hat uns durch ihre Einfachheit voll überzeugt. Der Nutzer ist mit drei Schritten am Ziel. Erster Schritt: Auf die Jitsi-Webseite surfen. Zweiter Schritt: Einen Meetingraum per Eingabe eines Konferenznamens erstellen und auf Go klicken. Im dritten Schritt wird per Klick ein Einladungs-Link generiert, den man dann an die Gesprächspartner sendet. Bei der Namensgebung des Raumes empfehlen wir Kreativität. Wenn Sie Ihr Meeting zum Beispiel nur „Test“ nennen, können Ihnen schnell unbeabsichtigt Fremde begegnen, die ihre Besprechung auch Test genannt haben.
Jitsi ist nicht nur einfach zu bedienen, die Lösung kann auch vieles: den Bildschirm teilen, parallel einen Chat öffnen und den Hintergrund unscharf machen. Zudem lassen sich Gespräche aufzeichnen und direkt in der Dropbox speichern. Der Anbieter gibt Meeting-Kapazitäten für bis zu 75 Personen an. Da die Serverkapazitäten der Open-Source-Lösung begrenzt sind, sollten aber nicht mehr als 25 bis 30 Teilnehmer eingeladen werden.
Google Meet – mit Konto
Voraussetzung für das seit Mai kostenlos nutzbare Google Meet ist ein Google-Konto. Die Gratisversion ermöglicht Meetings mit bis zu 100 Personen bei einer maximalen Dauer von 60 Minuten. Laut Google soll die zeitliche Beschränkung aber erst Ende September in Kraft treten. Der Host meldet sich über die Google-Meet-Webseite an und initiiert dort das Meeting. Über einen Button wird der Einladungslink generiert. Nachdem ihm die Teilnehmer gefolgt sind, muss der Host den Zutritt zum Meeting gestatten. Das lief in unserem Test alles problemlos.
Die Features sind in der Gratisversion stark reduziert: Bildschirme teilen und gemeinsam an in Google-Docs hochgeladenen Dokumenten arbeiten – mehr ist nicht möglich. Google Meet bietet Enterprise-Lösungen in verschiedenen Preisstufen an, mit denen sich Teilnehmerzahl und Funktionsumfang sukzessive erhöhen lassen.
Microsoft Teams – sehr komplex
Während der Corona-Krise hat Microsoft für die kostenlose Version von Teams die Teilnehmerbegrenzung aufgehoben: Bis zu 250 Personen können an einem Meeting teilnehmen. Was wir hier als etwas einschränkend empfunden haben, ist die Tatsache, dass immer nur vier Personen gleichzeitig auf einem Bildschirm gezeigt werden. Zum Hosten eines virtuellen Meetings ist ein Microsoft-Konto nötig, die Teilnahme ist auch ohne entsprechendes Konto möglich. Die Menüführung in Teams hat sich aus unserer Sicht etwas unübersichtlich und weniger intuitiv gestaltet als bei anderen Gratisversionen. Diese Komplexität verkompliziert den Prozess der Erstellung, Einladung und Durchführung von Konferenzen unnötig.
Zu den Gratis-Features zählen das Teilen des Bildschirms, das Benutzen von Einzel- und Gruppenchats und der Austausch von Daten über Kollaborationslösungen wie Dropbox. Weitere Funktionen lassen sich in verschiedenen Tarifstufen freischalten.
Cisco Webex – sehr umfangreich
Webex von Cisco bietet in der kostenlosen Version die Möglichkeit, virtuelle Meetings für bis zu 100 Personen einzuberufen. Nur der Host benötigt ein entsprechendes Konto, alle weiteren Teilnehmer können eingeladen werden und mit einem Klick beitreten. Sehr gut gefallen hat uns die in die Gratisversion integrierte Kalenderfunktion, die das Planen von Meetings sehr komfortabel macht. Die Software läuft als reine Browservariante, eine Installation auf dem Rechner ist optional.
Die kostenlosen Extras sind zahlreich: teilbarer Bildschirm, gemeinsam nutzbares Whiteboard und Textchats inklusive Versand von Dateien mit bis zu einem Gigabyte. Das Aufzeichnen von Videokonferenzen, ein größeres Cloud-Speichervolumen und eine Teilnehmerzahl von 200 Personen sind per Bezahl-Abo möglich.
LogMeIn – nur für vier
Goto Meeting von LogMeIn bietet in der Gratisversion Konferenzen mit einer maximalen Dauer von 40 Minuten. Anders als bei den restlichen von uns getesteten, kostenlosen Lösungen können sich hier maximal vier Personen gleichzeitig besprechen. So eignet sich Goto Meeting nur für wirklich kleine Teams oder Einzelgespräche.
Die Gratisversion ermöglicht lediglich das Teilen von Bildschirmen und einen Textchat. Nach der Anmeldung kann die Gratisversion 14 Tage lang benutzt werden, danach wird ein kostenpflichtiges Upgrade fällig, welches die zeitliche Begrenzung aufhebt, die Teilnehmerzahl auf 250 erhöht und das Aufzeichnen von Meetings erlaubt.
Unsere Favoriten
Die Bild- und Tonqualität war bei allen getesteten Anwendungen überzeugend, mit leichten Vorteilen bei den Lösungen von Microsoft und Google. Insgesamt wusste uns aber vor allem Jitsi zu begeistern. Der Nutzer muss sich nirgendwo registrieren, es ist keine Software-Installation nötig und das Meeting lässt sich fix starten. Cisco Webex, Zoom und Google Meet wissen mit klugen Features und intuitiver Bedienung zu überzeugen und belegen bei uns gemeinsam den zweiten Rang. Die Komplexität von Microsoft Teams könnte viele spontane Benutzer abschrecken.