Teil 3: Der Maulheld
Der Bestsellerautor und Karrierecoach Martin Wehrle gibt auf OFFICE ROXX wertvolle Tipps für einen gelingenden Büroalltag. Diesmal geht es um einen besonderen Menschentypus im Büro – den Maulhelden.
„In meiner letzten Firma habe ich ...“ So eröffnete der neue Ingenieur Peter Eidel (28), ein Typ mit dünnem Haar und dicker Armbanduhr, seine schwungvoll vorgetragenen Abenteuergeschichten, aus denen er stets als Held hervorging. Mal – so tönte er vor den neuen Kollegen – hatte er ein neues Produkt erfunden und den Weltmarkt aufgemischt; dann einen Großkunden gewonnen und Millionen in die Kasse gespült.
Seine Geschichten baute er immer nach demselben Muster auf: Am Anfang steht ein Monster von einem Problem, an dem sich alle die Zähne ausbeißen. Und wenn die Verzweiflung am größten ist, springt er als Retter auf die Bühne. An den wichtigsten Stellen seiner Erzählung legte er Kunstpausen für Szenenapplaus ein. Aber die neuen Kollegen schauten immer grimmiger und fragten sich: Warum war dieser tolle Hecht überhaupt in den flachen Teich ihrer Firma gesprungen, noch dazu in eine einfache Fachposition?
Wenig später kam heraus: Er war mit dem Kescher einer Kündigung aus seinem alten Firmenteich geschöpft worden. Er hatte bei den Spesen geschummelt und sich auch sonst nicht mit Ruhm bekleckert. Offenbar waren seine Erzählungen nur Ablenkmanöver. In der Natur nennt man diesen Vorgang Signalfälschung: Ein Tier gibt sich größer und wehrhafter, um natürliche Feinde zu verjagen. Denken Sie an Fische, die sich zur doppelten Größe aufpusten.
Offenbar ahnen die Maulhelden, dass ihre reale Leistung sie auf keinen grünen Zweig brächte. Also verkaufen sie jeden Handgriff als großen Wurf und verklären ihre Vergangenheit zur Heldengeschichte. Aber fallen Kollegen und Chefs auf diesen Trick herein? Oder ist es die Regel, dass dieses aufgeblasene Verhalten durchschaut wird (wie bei Peter Eidel)? Eine Studie beim Computerkonzern IBM ergab: Ob ein Mitarbeiter befördert wird, hängt nur zehn Prozent von seiner Leistung ab – und zu 90 Prozent davon, wie er diese Leistung seinen Chefs verkauft und das Verhältnis zu ihnen gestaltet.
Und wer schafft es, auf dem Leistungsradar seiner Chefs aufzutauchen? Ein bescheidener Stillarbeiter, der sein Büro kaum verlässt? Oder ein aufgeblasener Leistungsfisch, der mit Bugwelle durch die Firma schwimmt? Gerade in Branchen, wo viel getrommelt wird, bleiben die klugen Leisetreter oft im Erdgeschoss der Hierarchie stecken – während die Hochstapler aufsteigen. Das erklärt, warum viele Manager so wenig von der Menschenführung, aber so viel vom Selbstverkauf verstehen. Der Humorist Heinz Erhardt hätte dazu gesagt: „Manche Menschen wollen immer glänzen, obwohl sie keinen Schimmer haben.“