Vom Luxus, selbstbestimmt zu handeln
Das handschriftliche Verfassen von Einladungen oder Korrespondenzen stellt eine Gegenbewegung zur Digitalisierung dar. Welche Rolle dabei Luxusschreibgeräte spielen, erklärt Dr. Alexandra Hildebrandt.
Sag mir, wie du schreibst – und ich sage dir, wer du bist. In der Schrift eines Menschen ist sein Wesen erkennbar: sein Wille, seine Kraft, aber auch seine Unsicherheiten. Jemand macht sich groß, wenn er die Buchstaben raumfüllend gestaltet und seinen Namen unterstreicht. Er zeigt sich als Grenzüberschreiter, wenn er nicht auf der Zeile bleibt. Oder er hält die Buchstaben klein wie sich selbst.
Die Handschrift bleibt
Die Handschrift sagt viel über das Wesen eines Menschen aus, das wir in einer Zeit, in der das meiste nur noch über E-Mail und Social Media kommuniziert wird, immer weniger auf dem Papier erkennen können. Unterschriften sind oft der einzige Eindruck vom Menschen hinter den Zeilen, denn auch persönlich geschriebene Briefe werden immer seltener. Es gibt allerdings keinen Zweifel daran, dass die Kulturtechnik Schreiben überleben wird.
Wider die Digitalisierung
Bereits seit einigen Jahren ist eine Gegenbewegung zu den digitalen und mechanisierten Gestaltungsmöglichkeiten spürbar. Das Schreiben gewinnt vor diesem Hintergrund immer mehr den Nimbus eines Luxus, den auch zunehmend Unternehmen für sich entdecken, die Einladungen, Schilder und Karten von Hand beschriften lassen. „Handlettering“, das ursprünglich in der Schildermalerei beheimatet war, ist derzeit bei allen gefragt, die Schönschrift mögen und ihren Kunden eine besondere Form der Wertschätzung entgegenbringen möchten.
Wahrer Luxus ist nachhaltig
Der Begriff Luxus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Verschwendung“ – allerdings ist Luxus wirtschaftlich gesehen alles andere als überflüssig. Für Clemens Pflanz, Gründer und geschäftsführender Vorstand des deutschen Luxusverbandes Meisterkreis, hat billiger Flitter mit Luxus nichts zu tun. Wahrer Luxus ist für ihn sogar nachhaltig, weil hochpreisige Produkte von den Konsumenten wertschätzender behandelt werden und wegen ihrer hochwertigen handwerklichen Verarbeitung länger halten. Von echter Verschwendung kann bei einem übermäßigen Gebrauch von Billigschreibgeräten gesprochen werden, die nach kurzer Zeit kaputtgehen oder von Anfang an schlecht schreiben, sodass der Stift schnell in die Mülltonne wandert.
Edle Editionen
Dass Füllfederhalter in Zeiten von Smartphones und Laptops noch eine Zukunft haben und nicht aus der Zeit gefallen sind, zeigt sich vor allem am Beispiel von Montblanc, wo Füller-Sondereditionen für Sammler auf jeweils 4.810 Stück limitiert sind (die Zahl entspricht den Höhenmetern des Montblanc). Die Editionen sind unter anderem Charlie Chaplin, Thomas Mann, Greta Garbo oder Luciano Pavarotti gewidmet und erzählen Geschichten. Die Luxusbranche lebt von ihnen, weil sie ihre Kernbotschaft vermitteln, aber auch Begehrlichkeit und Leidenschaft wecken.
Einfach echt
Etwas Besseres als die Digitalisierung hätte der Traditionsmarke Montblanc nicht passieren können. „Vor zwanzig Jahren war das Digitale noch selten und etwas Cooles, der Alltag lief analog ab“, sagt Jérôme Lambert, CEO bei Montblanc. Heute ist es umgekehrt: Analoge Dinge sind nicht mehr notwendig und werden nur noch aus Vergnügen benutzt. Für Lambert zählen Füllfederhalter zu den wenigen Luxusgütern, mit denen ihre Besitzer tatsächlich etwas tun können. „Schreiben ist etwas Aktives und Persönliches.“ Und etwas Prägendes im besten Wortsinn, das man spüren und hören kann, wenn die Feder über das Papier gleitet.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Sachbuchautorin, Hochschuldozentin sowie Mitinitiatorin der Initiative „Gesichter der Nachhaltigkeit“. |