Was spricht für das handschriftliche Schreiben und was dagegen? Wir geben Antwort und stellen als Entscheidungshilfe traditionelle und digitale Schreiblösungen vor.
Wichtigste Verfechter des handschriftlichen Schreibens sind, wen wundert’s, die Hersteller von Schreibgeräten, gefolgt von Pädagogen und Psychologen, die ihm eine besondere Bedeutung in der feinmotorischen und intellektuell-kulturellen Entwicklung des Menschen beimessen. Kritiker des handschriftlichen Schreibens bemängeln dagegen, dass diese Art der Kommunikation weder zeitgemäß noch neutral sei, da hier die Form über den Inhalt gestellt werde. Die Argumente im Einzelnen:
Pro
Sprach- und Bilderwelten prägen die gesamte Sozial- und Kulturgeschichte des Menschen. Seit Jahrtausenden nutzt er Schreib- und Zeichenwerke als Ausdruck von Identität und zur Kommunikation. Schreiben und Zeichnen fördern in der Kindheit die Entwicklung von Sprache und Wahrnehmung, in der Jugend helfen sie bei der Identitätssuche und -findung. Im Erwachsenenalter dient kreatives Schreiben als Ausgleich zu den Anforderungen in Beruf und Familie, der Bewältigung von Krisen sowie der Selbstreflexion und der Erinnerung. Ohne handschriftliche Kompetenz sind auch historische Texte und Dokumente nur schwer zu entziffern. Handschriftliches ist schwerer zu fälschen und kann leichter einem Verfasser zugeordnet werden, was bei digitalen Dokumenten meist schwerer fällt.
Beim handschriftlichen Schreiben verbessern sich zudem die feinmotorischen Fähigkeiten, und über die Rückkopplung der motorischen Aktionen zum Gehirn werden Denkprozesse angestoßen. Viele kreativ Tätige halten beispielsweise ihre ersten Ideen und Entwürfe als Skizzen auf Papier fest und tippen sie nicht in den PC.
Da handschriftliches Schreiben in der Regel länger als Tippen dauert, fördert dieser Zeitfaktor zudem das Aufnehmen und Verinnerlichen von Wissen. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie von Pam A. Mueller von der Princeton University. Diese stellte fest, dass handschriftlich erfasste Informationen viel besser verarbeitet und in Kontext gesetzt werden bzw. umfassender wieder abrufbar sind als solche, die eingetippt wurden.
Contra
Heute erscheint das Aussterben der Handschrift vielen Menschen als das Ende der Individualität und der Beginn einer roboterhaften Zukunft. Doch kaum einer erinnert sich daran, wie mühsam das Schreibenlernen war und wie frustrierend das eigene handschriftliche Schreiben oft ist. Das stellt zum Beispiel Anne Trubek vom Oberlin College Ohio heraus. Die bekennende Gegnerin des handschriftlichen Schreibens sieht im Schreiben mit der Hand eine unnatürliche Bewegung des Körpers, die erst mühsam antrainiert werden muss.
In ihrem Essay „Why handwriting must die“ prangert Trubey die Verklärung der Handschrift an, die als „Refugium von Intimität, Originalität und Authentizität“ gelte. Aber nur wenn sie lesbar und kunstvoll ist. Wenn nicht, werde dem (handschriftlich) Schreibenden schnell ein Mangel an Feinmotorik und Intelligenz unterstellt. Sie führt Studien an, bei denen Lehrer sauber geschriebene Versionen ein und desselben Textes besser benoten. Dies ist vor allem problematisch für Jungen, deren feinmotorische Fähigkeiten sich später ausbilden als die von Mädchen. Das Tippen von Text dagegen hat einen demokratisierenden Effekt. Es vereinheitlicht das Erscheinungsbild der Texte und rückt den Ausdruck von Ideen in den Mittelpunkt – statt das Aussehen von Buchstaben. Schreiben sollte ein Automatismus sein, der es erlaubt, so schnell wie möglich zu denken und die „gesparte“ Zeit zum weiteren Nachdenken zu nutzen.
Schreiben nach Wahl
Ob längere Texte bei handschriftlicher Konzeption an Qualität gewinnen würden, ist allerdings fraglich. Zudem dauert es letztendlich doch zu lang und Korrekturen sind aufwendiger. Aber ob jede kleine Notiz erst irgendwo eingetippt werden muss und ob die Abarbeitung von To-Do-Listen im PC noch ihre „reinigende“ Wirkung hat, ist ebenso fraglich. Dennoch ist es gut, die Wahl zu haben und für jedes Schreiben das passende Schreibmedium wählen zu können. So wird sicher weiterhin im Arbeitsalltag aus Zeit- und Effizienzgründen das maschinelle Schreiben bevorzugt werden. Jedoch beim Brainstorming, für Meeting-Protokolle, Unterschriften, persönliche Aufzeichnungen, kurze Notizen während eines Telefonats oder für Kollegen wird man eher von Hand schreiben.
Analoge und digitale Schreibgeräte
Ob leichtgängige, ergonomisch gestaltete Stifte für Mitschriften, Marker für Flipcharts oder edle Schreibgeräte, die Inhalt und Form von persönlich Geschriebenem aufwerten – für Handschreiber ist die Auswahl nach wie vor groß. Aktuell gibt es eine zunehmende Nachfrage nach Schreibgeräten, die neben handschriftlichem auch digitales Schreiben erlauben. Diese Multi-Touch-Pens bieten einerseits die Produktmerkmale von herkömmlichen Schreibgeräten, können aber andererseits als Stylus bzw. Eingabestift genutzt werden. Passend dazu gibt es auch Apps für Tablet-PCs oder Smartphones, die handschriftliches Notieren (mit einem Stylus-Pen) erlauben. Selbst für Schreibanfänger werden seit Kurzem Apps angeboten. Bei ihnen können Buchstaben auf dem Tablet-PC nachgezeichnet werden, sodass eine ergänzende Übung zum üblichen Schriftspracherwerb möglich ist.
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