Robert Nehring hat nicht viel von Marcel Proust gelesen, stellt aber ebenfalls gern viele Fragen. Interessanten Persönlichkeiten aus dem Büroumfeld schickt er auch mal einen Fragebogen. Diesmal antwortete Oliver Lehmann, General Manager von Mindspace Deutschland.
ARBEITEN
1. Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsplatz.
Ich bin viel unterwegs. Oft arbeite ich also von einem Fensterplatz in der Bahn aus. In Berlin suche ich mir am liebsten einen sonnigen Platz in unserem Büro in der Friedrichstraße.
2. Wie kommen Sie zur Arbeit?
In Berlin fahre ich Auto. Wenn ich eine andere unserer zwölf Locations in Deutschland besuche, bevorzuge ich die Bahn.
3. Wo arbeiten Sie am liebsten?
Ich fühle mich in allen Büros sehr wohl, ob am Berliner Gendarmenmarkt oder am Ku‘damm, in Hamburg oder auch in München direkt am Viktualienmarkt.
4. Wie viele Videocalls haben Sie pro Woche?
Zehn bis 15 vielleicht.
5. Wie viele Stunden verbringen Sie im Schnitt pro Woche in Social-Media-Kanälen?
Seit einigen Jahren habe ich mit Ausnahme von Linkedin keine Social-Media-Accounts mehr. Inklusive aller Morgen- und Pausenscrolls zwischendurch komme ich bei Linkedin sicher auf drei, vier Stunden pro Woche.
6. Mindspace beherbergt nicht nur Start-up-Mitarbeitende, sondern auch Abteilungen großer Unternehmen wie Microsoft und Samsung. Wie definieren Sie Ihr Angebot?
Wir verstehen uns als Boutique-Flex-Office-Anbieter. Wir bieten Büroflächen an, die sich an die Bedürfnisse des Mieters anpassen, und nicht umgekehrt. Dabei orientieren wir uns in Design-, Ausstattungs- und Servicefragen eher an Boutiquehotels als an anderen Büros.
7. Ist Flexible Office das neue Coworking?
Flex Office sehe ich als eine konsequente Weiterentwicklung des Coworking-Konzepts. Inzwischen sind unsere Kunden zu 99 Prozent Unternehmen. Damit haben sich auch die Ansprüche verändert.
8. Während der Pandemiejahre verwaisten nicht nur die Firmenbüros. Auch die Coworking Spaces waren ziemlich leer. Besonders schmerzte viele Anbieter das Wegbrechen von Meetings und Events. Wie ist es Mindspaces in dieser Zeit ergangen?
Wir sind nach dem Shutdown schnell wieder aktiv geworden und haben Büroausstattung an Member im Homeoffice verliehen, stabile Hygienekonzepte eingeführt sowie das Online-Angebot für unsere Community ausgebaut. Im Rückblick waren die Pandemiejahre eine große Herausforderung, aber auch ein Katalysator für unsere Branche. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Flex-Flächen gegenüber konventionellen Angeboten viele Vorteile haben.
9. Selbst während der Pandemie wurden aus Ihrer Branche offiziell positive Entwicklungen gemeldet. War das insgesamt realistisch?
In der Branche habe ich früh eine „Jetzt erst recht“-Haltung wahrgenommen, nachdem der Schrecken über die abgesackten Umsätze verdaut war. Und die Optimisten haben recht behalten: Es gibt heute sechsmal so viele Coworking-Standorte wie noch 2018.
10. Wie fällt der Mix von Corporate Office, Homeoffice und den sogenannten Dritten Orten heute in Deutschland aus?
Belastbare Zahlen zu dieser Frage würden mich auch interessieren. Eine spannende Zahl kommt vom Institut der deutschen Wirtschaft, wonach elf Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitenden anbieten, in Coworking Spaces zu arbeiten. Hier müssen Unternehmen nachbessern, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.
11. Mit welchem Mix rechnen Sie in fünf und in zehn Jahren?
Der erwähnte IW-Bericht trägt den Titel „Co-Working Spaces – die terra incognita des mobilen Arbeitens“ (2023). Ich bin mir sicher, dass in fünf und in zehn Jahren Flex Office für deutlich mehr Menschen zum Arbeitsalltag gehören wird.
12. Branchenprimus Wework – einst mit 47 Milliarden Dollar bewertet – hat im November letzten Jahres Insolvenz angemeldet. Was bedeutet das für den deutschen Coworking-Markt?
Wework hat die Coworking-Idee und die Flex-Office-Branche wie kein anderes Unternehmen weltweit bekannt gemacht. Das gilt es zu würdigen. Aber: Wework ist nicht die Flex Office-Branche. Allein in den Top-7-Städten gibt es 239 verschiedene Betreiber.
13. Welches Potenzial sehen Sie für Mindspace?
Wir sehen für uns weiter großes Potenzial im deutschen Markt. Die Nachfrage von flexiblen Bürolösungen ist seit dem Ende der Coronapandemie stark gestiegen, was wir auch an unseren Standorten bemerken. Unsere etablierten Locations sind bundesweit zu 85 Prozent ausgelastet.
14. Immer mehr Geschäfte verlassen die Einkaufsstraßen in Deutschland – eine Chance für Ihre Branche?
Einkaufsstraßen sind wegen ihrer guten Lage und Anbindung spannend für Coworking-Konzepte. Mindspace hat 2016 seinen ersten Standort in Deutschland in einem Einkaufszentrum in Berlin-Mitte eröffnet. In Düsseldorf sind wir gerade ins Stilwerk gezogen, in Laufnähe zur berühmten Kö. In Zukunft werden Arbeits-, Freizeit- und Einkaufsangebote in der Innenstadt weiter zusammenwachsen, da bin ich sicher.
15. Kann Ihre Branche bereits vom Rückgang traditioneller Büroflächen profitieren?
Wir sehen eine weiterhin steigende Nachfrage nach flexiblen Bürolösungen. Im Herbst wollen wir den dritten neuen deutschen Standort in 15 Monaten eröffnen.
16. Während der Pandemie hat sich das Homeoffice vollends als alternativer Arbeitsort etabliert. Auch künftig werden viele zu Hause arbeiten. Ist das ein Problem für Coworking- und Flex-Office-Spaces?
Das Homeoffice konfrontiert Unternehmen mit der Frage, warum Mitarbeitende wieder regelmäßig ins Büro kommen sollten. Unserer Erfahrung nach lautet die Antwort in etwa so: Mitarbeitende kommen eher wieder zurück, wenn sie sich im Büro wohlfühlen. Deswegen setzen wir auf inspirierende Umgebungen und hotelähnlichen Service. Das funktioniert sehr gut.
17. Gesundheit: Lange Zeit waren Coworking Spaces ziemlich ergonomiefreie Zonen. Wie sieht es heute bei Mindspace mit Arbeitsstättenverordnung, Gefährdungsbeurteilung & Co. aus?
Die Themen Ergonomie und Gesundheit am Arbeitsplatz sind uns wichtig. In Sachen Ergonomie arbeiten wir eng mit den Unternehmen zusammen, die für die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnungen verantwortlich sind. Angebote rund um die mentale und körperliche Gesundheit sind ein Schwerpunkt unseres Community-Angebots.
18. Akustik: Wie löst Mindspace das Problem der akustischen Störungen durch Anrufe, Gespräche etc.?
Alle Standorte bieten einen Mix aus Einzel- und Mehrpersonen-Büros sowie Coworking-Flächen. Zudem haben wir auf jeder Etage mehrere Telefonzellen und Meetingräume, die für Calls oder vertrauliche Gespräche genutzt werden können.
19. Winetasting, Massage, Partys ... – wie viel Benefit braucht Büroarbeit heute für Sie?
Die entscheidende Frage ist für mich, was sich Mitarbeitende wünschen. Der Gedanke dahinter ist einfach: Wer sich im Büro wohlfühlt, arbeitet besser und fühlt sich eher zugehörig.
20. Wie stellen Sie sich Büroumgebungen im Jahr 2040 vor?
Ich erwarte Büroumgebungen mit großen offenen Flächen und noch viel mehr Platz als bisher, um sich zu entfalten. Angebote wie Gym, F&B, Kino oder aber Friseur, Barbier und Massagen werden 2040 zum Standard in Büros werden.
21. Was Sie schon immer einmal zur Entwicklung der Büroarbeit sagen wollten:
Das Büro ist nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern ein Ort für Austausch, Inspiration und Service.
22. Wie sehen Sie die Entwicklung von New Work?
Die Erwartungen seitens der Beschäftigten verändern sich inzwischen immer schneller. Wir setzen deshalb auf Studien in sieben internationalen Märkten, um unser Angebot frühzeitig und kontinuierlich an neue Entwicklungen anzupassen. Ein wichtiger Trend ist die wachsende Nachfrage nach Angeboten rund um das Thema mentale Gesundheit.
23. Der Generation Z rate ich, …
… nicht alles ernst zu nehmen, was über sie geschrieben wird, sondern sich mit einzubringen, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten.
24. Was inspiriert Sie?
Immer wieder Neues lernen zu dürfen.
25. Ihr größter beruflicher Erfolg?
Ich denke wenig über persönliche Erfolge nach. Viel wichtiger sind mir die gemeinsamen Erfolge, die wir als Mindspace-Team zusammen erreichen.
26. Der größte Misserfolg?
Wenn ich es nicht geschafft habe, Leuten meine Ziele zu vermitteln und sie nicht zum Erfolg coachen konnte.
27. Woran arbeiten Sie gerade?
Gerade bereite ich die Eröffnung unseres neuen Büros am Berliner Hausvogteiplatz vor.
28. Apple oder Microsoft?
Apple.
29. Nutzen Sie noch Stift und Papier?
Ja. Aber immer seltener.
30. Lesen Sie noch Gedrucktes?
Sehr gern sogar.
LEBEN
31. Was würden Sie als „König von Deutschland“ zuerst ändern?
Büropflicht für alle! Spaß beiseite: Einen König hat Deutschland nicht nötig.
32. Was würden Sie gern können?
Ich würde sehr gern Klavier spielen können.
33. Wo würden Sie am liebsten leben?
In Mexiko oder an einem kleinen, verträumten Ort, an dem man viel Kraft tanken kann.
34. Wobei können Sie gut entspannen?
Am besten entspanne ich beim Sport.
35. Ihr ursprünglicher Berufswunsch?
Als Kind wollte ich Anwalt werden.
36. Ihre Hauptcharaktereigenschaften?
Mir sind Fairness, Disziplin und Hilfsbereitschaft sehr wichtig.
37. Ihre Hobbys oder Leidenschaften?
Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie, auf Reisen und auf dem Golfplatz.
38. Ihre drei Dinge für die einsame Insel?
Eine Hängematte, meine Familie und eine Cessna, die uns wieder nach Hause bringt.
39. Ihr Lieblingsdenker?
Aristoteles.
40. Ihr Lieblingsbuch?
Im beruflichen Kontext ist es Simon Sineks „Start with Why“.
41. Ihr Lieblingsgericht?
Ceviche, gern mit einem Sauvignon blanc oder Riesling.
42. Ihre Lieblingsweisheit?
„To begin, begin“ von William Wordsworth.
43. Haben Sie ein Lebensmotto?
Bisher noch nicht.
44. Der Sinn des Lebens?
Spuren in der Geschichte hinterlassen zu haben.
45. E-Auto oder Verbrenner?
Derzeit fahre ich einen Verbrenner.
46. FC Bayern oder Borussia Dortmund oder …?
Seit jeher Hertha BSC.
47. Ärzte oder Hosen oder …?
Das kommt ganz auf den Tag und die Stimmung an.
48. Bier oder Wein?
Am liebsten Wein.
49. Strand oder Berge?
Wenn ich wählen müsste: Strand.
50. Und Ihre Uhr: analog oder digital?
Analog.
OLIVER LEHMANN
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