„Arbeit, die man wirklich, wirklich will“, definierte der Philosoph Frithjof Bergmann als einen Teil der New Work. Unter diesem Schlagwort gestalten derzeit viele Unternehmen ihre Abläufe und Büros um. Mit der Folge, dass gar nicht mehr gearbeitet werden kann, findet Professor Lars Vollmer.
OFFICE ROXX: Herr Vollmer, menschlichere, sinnstiftende Arbeit, Büros mit Tischkickern und Kletterwänden – klingt doch gut. Was ist denn so falsch an New Work?
Lars Vollmer: Im ersten Augenschein natürlich gar nichts. Bei dem, was so alles in den Begriffscontainer New Work reingepackt wird, kann einem schon warm ums Herz werden. Wer könnte wohl etwas gegen eine humanere Arbeitswelt haben? Aber Unternehmen haben vor allem dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie Probleme von Kunden lösen, die bereit sind, dafür Geld auszugeben. Das mag unterkühlt klingen, ist im Kern aber eine Binsenweisheit, die meines Erachtens etwas vergessen wurde. Ich glaube, den Fokus in erster Linie auf eine Humanisierung der Arbeitswelt zu legen, ist eine Denkfalle, in die wir tappen. Sie bringt uns Maßnahmen näher, die es vorrangig angenehmer machen im Arbeitsleben.
Inwiefern?
Die eigentliche Arbeit, der Grund, weswegen die Leute in die Unternehmen kommen, der bleibt dann genauso dysfunktional wie vorher und macht Menschen substanziell unzufrieden. Trotz Obstkorb, Freigetränken und Bällebad, die dann nur eine humane Fassade aufrechterhalten. Ich bin der Überzeugung, Menschen werden vor allem dann zufrieden, wenn sie mit den Kollegen ihres Unternehmens zusammen wirksam sein können und erfolgreich werden – das ist die elementarste Sinnstiftung. Viele Organisationen von heute aber machen es den Menschen groteskerweise schwer, wirksam zu arbeiten, sie halten sie regelrecht von der Arbeit ab. Der Grund liegt im Aufrechterhalten der Organisationslogik aus dem Industriezeitalter.
Warum spricht gefühlt gerade jeder – Unternehmensberater wie Büromöbelhersteller, Coach oder Softwareentwickler – von New Work?
Vertrieb lebt von anschlussfähiger Sprache, und New Work ist zu einem Bedeutungscontainer geworden, in den quasi jeder das hineinstecken kann, was ihm beliebt. An die Begriffsursprünge des Philosophen Frithjof Bergmann braucht sich da niemand zu erinnern. New Work klingt trendy, cool, fortschrittlich, bedeutungsschwanger. In etwa so wie „Digitalisierung“, „agil“ oder – vor zehn bis 15 Jahren – „lean“.
Wenn New Work nicht die Lösung für erfolgreiche Unternehmen und gelungenes Arbeiten ist – was dann?
Wir müssen uns der Erkenntnis stellen, dass die Sozialmechanik namens Management, die aus dem späten 19. Jahrhunderts stammt, die unternehmerischen Probleme des 21. Jahrhunderts nicht mehr adäquat lösen kann. Planung, Anweisung und Kontrolle als Organisationsmaximen kollabieren in Gegenwart der heutigen hochkomplexen Probleme. Um sich davon zu überzeugen, brauchen Sie nur die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen aufzuschlagen. Wir haben uns mit Praktiken wie Performance-Reviews, Budgetverhandlungen, Powerpoint-Basteleien, okkulten Planungsriten, 360-Grad-Feedbacks, Meetingregeln und tonnenweise Vorschriften Unternehmen als Bürokratiemonster eingehandelt. Vielen fällt das nun auf die Füße, und es wird meines Erachtens dringend Zeit für ein neues, inzwischen gut beschriebenes, Organisationsdenken für das 21. Jahrhundert.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Sebastian Klöß.
Lars Vollmer ist Unternehmer, |