Aktuelle Entwicklungen in der Bürowelt stellen den Bereich Büroeinrichtung vor neue Herausforderungen. Dr. Robert Nehring zeigt wesentliche Trends auf und skizziert Schnittstellen zu Büroplanung und -möblierung.
Mit dem Einzug von Computer und Internet in die Büroarbeitswelt hat für diese ein grundlegender Wandel begonnen, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Arbeit wird flexibler, es wird anders kommuniziert, und Aspekte wie Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit treten in den Fokus. Die meisten großen Entwicklungen im Office haben direkte Auswirkungen darauf, wie Büroräume geplant und möbliert werden sollten.
#1 Flexible Office
Das flexible Büro für flexible Büroarbeiter. Diesen Trend kennzeichnen drei Grundmerkmale. Wir haben es heute zunehmend zu tun mit
- verschiedenen Arbeitsorten (dem Home-Office, multizonalen Bürolandschaften mit Desk-Sharing und sogenannten Third Places wie Coworking-Space, Business-Center, Hotel, Café, Bahn, Flughafen, Auto etc.),
- verschiedenen Arbeitszeiten (Zunahme von dezentralem Arbeiten mit Mitarbeitern in verschiedenen Zeitzonen und Modellen wie Teilzeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Lebenszeitkonten etc.) sowie
- verschiedenen Arbeitsformen (Zunahme von befristeter Projektarbeit in wechselnden Teams und der Zusammenarbeit verschiedener Generationen und Kulturen mit unterschiedlichen Kommunikationskanälen und -stilen).
Das flexible Büro ist ein großer Trend, auch wenn in ca. 80 Prozent der deutschen Unternehmen noch an festen Büroarbeitsplätzen gearbeitet wird. In England und den Niederlanden tun dies bereits nur noch 48 bzw. 46 Prozent.
Die Büroeinrichtung muss dieser Entwicklung Rechnung tragen. Gefragt sind flexible Möbel, etwa Desk-Sharing-taugliches Mobiliar wie Sitz-Steh-Tische mit einfachen Netzzugängen, Stühle mit automatischer Gewichtseinstellung und abschließbare Rollcontainer. Auch flexible Finanzierungsmodelle wie Mieten, Leasen, Teilen gewinnen an Bedeutung.
#2 Collaborative Office
Eng verzahnt mit dem Trend zum flexiblen ist der zum kommunikations- und kollaborationsfördernden Büro. Studien zufolge fallen heute durchschnittlich nur noch ca. 50 Prozent der Büroarbeitszeit auf konzentrierte (Einzel-)Arbeit. Die restlichen 50 Prozent über wird kommuniziert. Die Entwicklung hin zu mehr Kommunikation ist nicht unproblematisch: Umfragen zeigen regelmäßig, dass der Anteil der überflüssigen Kommunikation an der Büroarbeitszeit – ineffiziente Meetings, Mail an alle, Spam etc. – im Schnitt bereits über ein Drittel beträgt. Deshalb kommt es mehr als je zuvor auf das richtige Maß an informellem Austausch und Zusammenarbeit (Kollaboration) an.
Die Büroeinrichtung muss beidem gerecht werden: Kommunikation und Kollaboration auf der einen sowie Konzentration auf der anderen Seite. Die Lösung liegt weder in reinen Open-Space-Hallen noch in einem Zurück zum Ein-Personen-Büro. Sogenannte Multizonen sind gefragt – ausreichend geschlossene Besprechungsbereiche (Konferenzraum), offene Mittelzonen (mit sogenannten Kommunikations- bzw. In-between-Möbeln) und Denkräume, in denen visuelle und akustische Störungen weitgehend vermieden werden.
#3 Mobile Office
Oder: das Büro unterwegs. Das mobile Büro besteht heute in der Minimalvariante aus einem Smartphone, in der Extended Version aus Ultrabook und Headset. Mit der Figur des von George Clooney gespielten Ryan Bingham in dem Kinofilm „Up in the Air“ (2009) wurde dem mobilen Office-Worker von heute sowohl ein Denkmal gesetzt als auch die Schattenseite dieses Trends aufgezeigt.
Zum mobilen Büro im engeren Sinne gehören im Grunde gar keine Möbel mehr. Der mobile Office-Worker improvisiert in Hotels, Cafés, Bahn, Flughafen und Auto. Oder er checkt in flexible Büros ein – an firmeneigenen Standorten, in Coworking-Spaces, Business-Centern etc. Erst dann werden Möbel für ihn interessant: flexible Möbel!
#4 Home-Office
Das Büro zu Hause. In Deutschland arbeiten dort derzeit zwar nur zwölf Prozent und der Anteil der regelmäßigen Heimarbeiter ist sogar leicht rückläufig (1996: 8,8 Prozent, 2008: 9,7 Prozent, 2012: 7,7 Prozent). Weltweit sind aber bereits 35 Prozent in den eigenen vier Wänden tätig. Und jeder zweite Office-Worker in Deutschland wünscht sich, dort arbeiten zu dürfen.
Die Arbeit zu Hause hat viele Vor-, aber auch Nachteile (Zeit- und Kostenersparnis gegenüber Kommunikations-, Vertrauens- und Identifikationsproblemen). Zu den Nachteilen zählt in vielen Fällen außerdem die mangelnde ergonomische Möblierung des Heimbüros. Obwohl in Deutschland die Arbeitgeber zunehmend für eine solche verantwortlich werden (aber erst 38,7 Prozent aller Arbeitgeber ihre Mitarbeiter darin unterstützen), bleibt der Telearbeiter auch selbst gefragt, hier für seine Gesundheit und Produktivität zu sorgen. Es bedarf unter anderem eines (bewegungsfördernden) Bürodrehstuhls, eines ausreichend großen Schreibtischs, und die Faktoren Akustik, Optik, Klima dürfen hier auch nicht ausgeklammert werden.
#5 Healthy Office
Das gesundheitsförderliche Büro. Der Trend zu mehr Gesundheitsbewusstsein im Büro ist ungebrochen. Dennoch zählt die Gesundheit weiterhin zu den größten Herausforderungen im Büro. Weitgehende Bewegungsarmut, Stress und unangemessene Ernährung führen noch immer vielfach zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen wie Rückenschmerzen, Mausarm und Burnout.
Die Büromöbelindustrie hat längst reagiert: Flexible Stühle und Sitz-Steh-Tische regen zu mehr Bewegung im Büro an. Akustisch wirksame Möbeloberflächen und Wände reduzieren Störungen und damit Stress. Solche Lösungen müssen aber auch bei den Office-Workern ankommen. Hier sind besonders Einkäufer und Führungskräfte gefragt. Denn die Gesundheit hat direkten Einfluss auf Wohlbefinden und Produktivität.
#6 Green Office
Das umweltfreundliche, ressourcenschonende Büro. Studien zufolge wächst die Sensibilität für umweltgerechte Lösungen im Büroumfeld rasant. Das zeigt etwa die große Nachfrage in Bezug auf Green IT, Green Meetings, zertifizierte Büroflächen und eine „grüne“ Büroartikelbeschaffung.
Im Office-Bereich sind Nachhaltigkeitszertifikate wie Blauer Engel (etwa für Recyclingpapier und Drucker), TCO (für Displays) und FSC (für Papiere und Holzprodukte) bereits fest etabliert. Zuletzt wurde mit dem European Level endlich auch ein europäisches Zertifikat für ökologisch nachhaltige Büromöbel vorgestellt. Es ist anzunehmen, dass dies bald in Ausschreibungen gefordert sein wird, wie generell davon auszugehen ist, dass ökologische Nachhaltigkeitszertifikate in der Büroplanung eine immer größere Rolle spielen werden.
#7 Living Office
Das lebendige, alle Sinne ansprechende Büro. Es wurde erkannt, dass durch die bewusste Berücksichtigung von Faktoren wie Akustik, Optik und Klima auch viel für Wohlbefinden, Motivation, Kreativität und Identifikation getan werden kann.
Deshalb sollten Büroplaner viel mehr auf Aspekte wie Helligkeit, Farbe, Luftfeuchtigkeit und Hintergrundgeräusche achten und für anregende (nicht aufregende) Umgebungen sorgen.
#8 Digital Office
Das digitale Büro. Computer und Internet haben die Büroarbeitswelt revolutioniert. Die fortschreitende Digitalisierung, die unter anderem mit DMS-/ECM-Systemen, Cloud-Archivierung und E-Invoicing der Vision vom papierlosen Büro folgt, ist auch ein Treiber des Trends zum flexiblen, mobilen Büro.
In der digitalen Welt gibt es immer weniger Bedarf an Stauraummöbeln. Dafür gewinnt zum Beispiel die Technikintegration in Büromobiliar an Bedeutung: in Konferenztische und -boards eingebaute Medientechnik, cleveres Kabelmanagement in Schreibtischen etc.
#9 Smart Office
Das „clevere“, vernetzte Büro (auch „Büro 4.0“) ist die neueste Weiterentwicklung des Trends zum digitalen Office. Längst verfügt nicht nur die Office-IT über Schnittstellen zum Internet. Drucker oder Frankiermaschinen können schon seit Langem automatisch Nachschub ordern, wenn Papier/Toner oder Porto zur Neige gehen.
Mittlerweile gibt es auch Apps zur Lichtsteuerung im Büro, zur Arbeitsplatz- und -raumbelegung sowie zum Kaffeebrühen und zum Erfassen der täglichen Kaffeebezüge. Auch in Bezug auf Büromöbel ist zu erwarten, dass einige künftig mit App ausgeliefert werden. Ein Programm, das den Stehanteil bei der Büroarbeit misst, ist schon auf dem Markt. Apps, die die Bewegung beim Sitzen auf Bürostühlen messen, wurden bereits auf der Branchenmesse Orgatec 2014 präsentiert.
#10 Quality Office
Das qualitativ hochwertige Büro. Es gilt als erwiesen, dass eine qualitativ hochwertige Büroausstattung eine Grundvoraussetzung für qualitativ hochwertige Büroarbeit (und damit für Erfolg) ist. Zahlreiche Studien zeigen aber auch, dass Deutschland hier großen Nachholbedarf hat. Eine Umfrage aus dem Jahr 2014 hat zum Beispiel ergeben, dass nur 30 Prozent der im Büro Tätigen in Deutschland ihren Arbeitsplatz für gut ausgestattet bzw. repräsentativ halten.
Design und Marke geben in Bezug auf die Qualität von Büromöbeln Orientierung. Für Sicherheit aber sorgt seit 2006 das Zeichen Quality Office – ein Zertifikat für qualitativ hochwertige Büromöbel, für Händler und Fachberater.