Die Start-up-Szene durchlebt derzeit eine Krise. Die Büromöbel-as-a-Service-Plattform nuwo konnte dieser Entwicklung aber erfolgreich trotzen. Wir sprachen mit der Gründerin und CEO Lisa Rosa Bräutigam.

Lisa Rosa Bräutigam, Gründerin und Geschäftsführerin nuwo GmbH, nuwo.co. Abbildung nuwo.
OFFICE ROXX: Lisa, herzlichen Glückwunsch – ihr habt vor Kurzem 2,75 Millionen Euro von Investoren eingesammelt. Wie kam es dazu und wer hat sich beteiligt?
Lisa Rosa Bräutigam: Im Februar sind wir mit verschiedenen Investoren in die Gespräche eingestiegen und konnten Anfang Juni unsere erste Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen. Wir sind stolz, mit VR Ventures/Redstone, IBB Ventures sowie mit TAKKT AG und Haufe Group Ventures renommierte Geldgeber für unsere Vision gewonnen zu haben. Die Tatsache, dass wir im aktuellen Marktumfeld eine Summe von knapp drei Millionen in unserer ersten Runde einsammeln konnten, spiegelt das Potenzial unseres Geschäftsmodells wider.
Mit der Investitionssumme und starken Partnern an Bord setzen wir als Team alles daran, unseren Kunden weiterhin die bestmöglichen digitalen Lösungen bereitzustellen, und machen uns auf den Weg zum Marktführer – als erste digitale Plattform in der traditionellen Büromöbelbranche. Wir freuen uns auf die gemeinsame Reise.
Die Start-up-Krise betrifft euch demnach nicht. Manche wie Independesk mussten schon aufgeben …
Die aktuellen Krisen spüren viele Unternehmen und insbesondere auch Start-ups. Wir kennen tolle Gründungen und Teams, die es leider nicht geschafft haben. Das ist hart und macht mich betroffen. Bei nuwo profitieren wir von einem resilienten, großen Markt und unserem neuartigen, digitalen Ansatz, der direkt neue Wertschöpfung und Effizienzen für unsere Kunden ermöglicht.
Wir lösen für das jeweilige Unternehmen den Schmerz, der mit der Möbelbeschaffung einhergeht.“
Lisa Rosa Bräutigam
Was genau ist nuwo? Was ist das Ziel der Plattform? Geht es ausschließlich um „Homeoffice-as-a-Service“?
Ich habe nuwo mit einer klaren Mission vor Augen gegründet: Wir unterstützen Unternehmen dabei, die Herausforderungen der modernen, hybriden Arbeitswelt zu meistern und inspirierende Arbeitsumgebungen zu schaffen, in denen Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten können.
Als führende Büromöbel-as-a-Service-Plattform bieten wir mehr als nur Möbel. Wir lösen für das jeweilige Unternehmen den Schmerz, der mit der Möbelbeschaffung einhergeht. Die Auswahl, der manuelle Bestellprozess und die Suche nach dem passenden Finanzierungspartner für Büroausstattungen binden unternehmensintern wertvolle Ressourcen wie Kapital und Aufmerksamkeit. Außerdem sind sie unflexibel. Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten und steuerrechtliche Fragen.
nuwo bietet eine digitale Plattform, die all diese Herausforderungen angeht. Mitarbeitende können sich über firmeninterne Webshops arbeitsstättenzertifizierte Büromöbel passend zu ihrem Design aussuchen, die von unseren erfahrenen Logistikpartnern geliefert und fachgerecht montiert werden. Leasing-Modelle zur Finanzierung gewähren Unternehmen viel finanzielle Freiheit. Über die Plattform können die Arbeitgeber Verträge abschließen und transparent im Blick behalten, wo sich welche Produkte befinden.
Heute vertrauen Großkonzerne und der traditionelle Mittelstand auf unsere zuverlässigen Lösungen aus einer Hand. Was mich täglich antreibt, ist die Tatsache, dass wir mit nuwo einen direkten und messbaren Einfluss auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und Produktivität eines jeden einzelnen Mitarbeitenden haben.
Ihr bietet euren Kunden vier Services an?
Der Kern unseres Geschäftsmodells basiert auf dem Büromöbel as-a-Service, der Ausstattung und digitalen Verwaltung tausender Arbeitsplätze. Inzwischen konzentrieren wir uns hierbei nicht mehr ausschließlich auf das Homeoffice, sondern haben unser Angebot um die Planung und Ausstattung von Büros erweitert. Wir glauben, dass die Zukunft der Arbeit hybrid ist. Über unsere Plattform statten Konzerne und KMUs nicht nur ihre Mitarbeitenden zu Hause gesund und sicher mit Büromöbeln aus, sondern managen und gestalten auch ihre Büroflächen an den verschiedenen Unternehmensstandorten.
Zusätzlich zu den physischen Produkten bieten wir unseren Kunden über die Plattform weitere flexibel buchbare Module an, wie Ergonomie-Schulungen, Unterweisung der Mitarbeitenden und die Durchführung der wiederkehrenden Gefährdungsbeurteilung – auch ohne Zugangsrecht zum Heimarbeitsplatz. Damit sind unsere Kunden auch juristisch auf der sicheren Seite.
Inzwischen konzentrieren wir uns hierbei nicht mehr ausschließlich auf das Homeoffice, sondern haben unser Angebot um die Planung und Ausstattung von Büros erweitert.“
Lisa Rosa Bräutigam
Auf eurer Website findet man zunächst nur recht allgemeine Informationen. Mehr verspricht ein 30-minütiges Demo, zu dem man einen Termin vereinbaren muss. Warum ist euer Webshop nicht direkt zugänglich?
Das ist unseren Grundsätzen geschuldet. Wir sind davon überzeugt, dass die neue Arbeitswelt One-fits-all-Lösungen weder braucht noch zulässt. Jede gewachsene Firma hat ihre eigene Kultur, ihre Anforderungen, Arbeitsweisen und Konzepte. Aus diesem Grund sind wir kein Amazon für Büromöbel, mit einem unstrukturierten Produktangebot, das selbst geschulte Personen überfordert und niemals passgenau sein kann. Wir haben alle renommierten Hersteller an unsere Plattform angebunden und kennen deren Produkte.
Ganz bewusst haben wir uns für exklusiv kuratierte, firmeneigene Shops entschieden, die perfekt auf das jeweilige Unternehmen und seine Mitarbeitenden zugeschnitten sind. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass auch dem Laien die Auswahl der passenden Produkte gelingt. Gute Arbeitsplätze sind die Grundlage für hochwertige Arbeit. nuwo bietet geführte Möbelauswahl im gebrandeten Firmenshop, sichere Lieferung und Montage an jedem beliebigen Ort und transparente digitale Verwaltung der Arbeitsplätze in Echtzeit.
Es gibt viele Mietmöbelanbieter wie Lendis, Nornorm, Moveit, Furnable, Lyght Living, Alvero, Sumsum, Xoros – was macht euch zur „Nr. 1, dank Deutschlands größtem Herstellernetz & digitaler Innovation“?
Wir setzen mit unserer Plattform seit Stunde eins auf Technologie und Kundenzentrierung. Viele Anbieter am Markt hören da auf, wo unser Servicegedanke beginnt. Nämlich bei der Beschaffung der passenden Ausstattung. Wem es allein um Tisch, Stuhl und Leuchte geht, der findet gewiss verschiedene Optionen am Markt. Mit unserer Lösung gehen wir noch weiter und unterstützen Unternehmen dort, wo es richtig wehtut. Wer die Herausforderungen heutiger HR-Abteilungen kennt, weiß um die Notwendigkeit, interne Ressourcen zu entlasten. Dieses Problem gehen wir mit unserem Plattform-Ansatz aktiv an und übernehmen alle zeitintensiven Prozesse, die im Vorfeld und Nachgang mit der Ausstattung von Heimarbeitsplätzen und Büroflächen einhergehen – durch unsere inhouse entwickelte Software. Der Fokus auf technologischem Vorsprung gepaart mit einem exklusiven Zugang zu starken Marken und Herstellern macht unser Modell am Markt einzigartig.

Das nuwo-Team: Benjamin Krüger, Jörn Depenbrock, Lisa Rosa Bräutigam, Philip Müller (v. l. n. r.). Abbildung nuwo.
Wie steht nuwo nach zweieinhalb Jahren da? Wie viele Kunden habt ihr, wer nutzt eure kuratierten Intranetshops? Wie viele Mitarbeitende habt ihr? Wie hoch ist euer Umsatz?
Wir haben uns in den letzten Jahren mit den Anforderungen unserer Kunden stark weiterentwickelt. Der Wunsch, Firmen und ihren Mitarbeitenden den größtmöglichen Mehrwert bieten zu können, treibt uns als Team voran. Ich würde sagen, dies macht eine der großen Stärken nuwos aus – wir hören zu, geben uns nicht mit „das wurde schon immer so gemacht“ zufrieden und haben keine Angst, Prozesse radikal neu zu denken.
Natürlich gehört in diesem schnell wachsenden Umfeld auch das Fehlermachen zum Entwicklungsprozess – kaum verwunderlich, dass die erste Version der nuwo-Plattform heute nicht mehr genutzt wird. Mit unserem neuartigen Ansatz konnten wir bereits 2021 den ersten Enterprise-Kunden für uns gewinnen. Seitdem haben wir unseren Kundenstamm im Mittelstand und Konzernumfeld weiter ausgebaut. Dieses Vertrauen am Markt haben wir uns als junges Unternehmen hart erarbeitet. Wir sind mehr als dankbar für diese Partnerschaften. Da wir unsere Prozesse komplett digital aufsetzen, haben wir neben einem fünfköpfigen Team erfahrener Entwickler ein relativ kleines Team von aktuell sechs Vollzeitmitarbeitenden, das durch verschiedene Freelancer unterstützt wird.
Das Homeoffice hat sich etabliert. Gehst du davon aus, dass die Homeoffice-Quote weiter steigen wird?
Wenn wir uns das allgegenwärtige Thema des Fachkräftemangels anschauen, ist die Transformation hin zu einer hybriden Arbeitswelt für viele Unternehmen ein enormer Wettbewerbsvorteil. Gerade das Rückgrat unserer Wirtschaft – der deutsche Mittelstand – kann hier profitieren, denn es spielt zukünftig eine immer geringere Rolle, ob ein Unternehmen in der Stadt oder auf dem Land sitzt. Die Covid-19-Pandemie hat verdeutlicht, dass jede Firma im Hybridmodell Mitarbeitende aus ganz Deutschland beschäftigen kann – und über dessen Grenzen hinaus. Auf diese Weise erweitert sich der Talentpool.
Inzwischen können wir die Entwicklungen am Arbeitsmarkt auch mit Daten belegen. Diverse Studien zeigen, dass es kein Zurück geben wird, denn kaum ein Arbeitnehmer ist bereit, Vollzeit ins Büro zurückzukehren. Großraumbüros mit einer Legebatterie an Einzelarbeitsplätzen, wie sie lange Zeit üblich waren, verlieren in Zeiten des Homeoffice an Arbeitnehmerattraktivität und damit ihre Berechtigung. Im reinen Remote-Modell Zuflucht zu suchen, ist aber auch nicht empfehlenswert. Kultur, Innovation und Mitarbeiterbindung finden nicht vor dem Bildschirm statt. Unserer Überzeugung nach ist die Zukunft der Arbeit hybrid und liegt in einer Trias: dem agilen Office, dem Homeoffice und den Third Places – dezentrale Orte, an denen Menschen zusammenkommen und kooperativ miteinander arbeiten.
Wer die Preise der Büromöbelbranche kennt und mit einem Stuhl aus dem einfachen Möbelhaus vergleicht, wird schnell bemerken, dass hier Drehstuhl nicht gleich Drehstuhl ist. Die Studien und Daten der Krankenkasse schlagen in die gleiche Kerbe. Noch nie hat es so viele Bandscheibenvorfälle, selbst bei jüngeren Personen, und Rückenleiden gegeben, wie seit dem Ende der Pandemie. Krankheitsausfälle und Kosten, die vermieden werden, wenn Arbeitgeber hier unterstützend tätig werden. Nicht umsonst heißt es, jede Investition in Ergonomie zahlt sich aus.
[...] kaum ein Arbeitnehmer ist bereit, Vollzeit ins Büro zurückzukehren. Großraumbüros mit einer Legebatterie an Einzelarbeitsplätzen, wie sie lange Zeit üblich waren, verlieren in Zeiten des Homeoffice an Arbeitnehmerattraktivität und damit ihre Berechtigung.“
Lisa Rosa Bräutigam
Du hast mitten in der Coronakrise den Sprung vom Beamtentum zur Selbstständigkeit gewagt. Wie kam es eigentlich dazu?
Im Alter von 24 Jahren war ich bereits auf Lebenszeit verbeamtet, als Lehrerin und später Co-Rektorin einer Grundschule. Wenn man sich der Aufgabe mit Anspruch widmet, ist der Schuldienst ein sehr herausfordernder und bereichernder Beruf. Dennoch habe ich mich nach knapp sieben Jahren gedeckelt und eingeengt gefühlt. In der Anfangszeit habe ich jede mögliche Position durchlaufen: Lehrerin in allen vier Klassenstufen, Mentorin in der Lehrerausbildung und dann Co-Rektorin einer Schule. Mein damaliger „Dienstherr“ des Landes teilte mir schließlich ganz unverblümt mit: „Alle weiteren Karriereschritte kommen am Ende ihrer Karriere“ – für mich im ersten Moment ein Schock.
Als dann zu Beginn des Lockdowns 2020 Freundinnen und Freunde über fehlende Bürostühle, die Arbeit vom Bett oder dem Sofa aus sowie Rücken- und Nackenschmerzen klagten, fragte ich mich, weshalb es keinen Anbieter am Markt gab, der die Homeoffice-Ausstattung von Mitarbeitenden „as a Service“ anbot. Neugierig geworden arbeitete ich mich in die Büromöbelbranche ein und fing Feuer. Relativ schnell wurde mir klar, dass die Lösung für Unternehmen nur eine technologiegetriebene sein könne und die Idee hinter nuwo war geboren. Ich beantragte die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, legte meinen Dienst nieder und startete mitten im Lockdown quasi bei null. Im Januar 2021 folgte die Gründung von nuwo – der ersten digitalen Plattform zur Ausstattung, Finanzierung und Verwaltung von Arbeitsplätzen.
Unserer Erfahrung nach sind Mitarbeitende nicht bereit, selbst in sichere und gesunderhaltende Ausstattung zu investieren.“
Lisa Rosa Bräutigam
Könntest du im Notfall zurückkehren in die Beamtenlaufbahn?
Ich habe meine Verbeamtung auf Lebenszeit niedergelegt, dieser Schritt ist unwiderruflich. Wenn ich an den Zeitpunkt der Entscheidung in 2020 zurückdenke, erinnere ich mich noch genau an den Blick des besagten „Dienstherren“, der unter anderem für die Vergabe der Stellen und alle relevanten Entscheidungen im Leben eines/r Lehrers/in zuständig ist, als ich ihm erklärte, dass ich meine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragen wolle. „Das ist doch auf Lebenszeit, das geht doch gar nicht!“, war die erste Reaktion. Glücklicherweise war ich vorbereitet und konnte den entsprechenden Passus zitieren. Mein familiäres Umfeld – allen voran meine Eltern – waren ebenfalls vor den Kopf gestoßen, hatten sie doch meinen beruflichen Werdegang gedanklich längst „abgehakt“.
Im August 2020 war es dann soweit: Die Entlassungsanfrage wurde angenommen und nachdem ich meiner 2. Klasse tränenreich ihre Zeugnisse überreicht hatte, war ich nach sechseinhalb Jahren raus.
Meine Erfahrungen zeigen deutlich, wie selten dieser Schritt aus dem sicheren staatlichen Hafen gewählt wird. Kein Wunder, bei meiner Internetrecherche hatte ich auch keine „Vorbilder“ gefunden, mit denen ich mich im Vorfeld hätte austauschen können. Heute, drei Jahre nachdem ich meinen Klassensaal zum letzten Mal hinter mir abschloss, werde ich noch immer gefragt, wie ich hundertprozentige Sicherheit gegen maximale Unsicherheit hatte eintauschen können. Meine Antwort? Gründung bedeutet Passion, Neugier, Commitment, Überzeugungskraft, Lernbereitschaft, Resilienz und die Freiheit, gemeinsam mit Gleichgesinnten die eigene Vision zum Leben zu erwecken. Ich erlebe den Schritt heraus für mich persönlich vielmehr als ein Tauschgeschäft „Vorherbestimmung“ gegen Chancen, Optionen und persönliches Wachstum. Dafür bin ich täglich dankbar.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg.
Die Fragen stellte Robert Nehring.