Die Arbeit der Zukunft kann in Teilen im Metaverse stattfinden. Ein Segen, sagen die einen. Andere sind weniger begeistert. Wie sich die virtuelle Wissensarbeit entwickeln wird, ist offen. Gerrit Krämer wägt Pros und Contras.
Die Basics zuerst: Das Metaverse ist eine Anwendung im Internet, ähnlich wie Webseiten, E-Mail-Provider oder Videokonferenz-Software. Es ist also kein neues Internet, sondern ein weiterer Teil des weltweiten Netzes. Dabei scheint sich aktuell der Begriff „Web 3.0“ durchzusetzen, der nach Version eins, dem Austausch und Transfer von Daten, und Version zwei, der Benutzerinteraktion, nun die dritte Evolutionsstufe des Internets eingeleitet hat. In dieser Entwicklungsstufe wird das Internet mit virtuellen Räumen per Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) „erlebbar“ gemacht.
Reale Räume virtuell ausstatten
Diese virtuellen Räume können auch digitale Abbilder von realen Umgebungen wie Arbeitsplätzen, Event-Locations usw. sein, die per Avatar (eine künstliche Person, dem jedem Nutzer in der virtuellen Welt zugeordnet ist) besucht werden und 24/7 für Interaktion zur Verfügung stehen. Das Metaverse funktioniert aber nicht nur als interaktiver virtueller Raum, sondern auch in die entgegengesetzte Richtung. Beispielsweise, indem digitale Objekte per AR auf eine reale Umgebung gelegt bzw. projiziert werden. Diese Technik kommt bereits beim Kauf von Möbeln zum Einsatz sowie bei der Planung und Gestaltung von Arbeitsflächen. So kann mit AR der zukünftige Office-Arbeitsplatz voll ausgestattet bereits virtuell begangen werden, bevor das Gebäude vollständig fertiggestellt ist.
Büroarbeit im Metaverse
Morgens die VR-Brille aufsetzen und mit der Arbeit im virtuellen Office beginnen. Auf einem Liegestuhl am heimischen Pool sitzend werden im Metaverse gemeinsam mit den Kollegen Dokumente bearbeitet, Meetings abgehalten und zum Mittag per „Klick“ das Essen bei einem Lieferdienst bestellt. Das ist keine Theorie mehr, sondern auch praktisch möglich. Und erste Erfahrungsberichte zeichnen ein vorsichtig optimistisches Bild von der Arbeit im Metaverse. Als problematisch werden lediglich das wiederholte Kalibrieren der Technik und die verpixelte Grafik der VR-Brille herausgestellt.
Nicht gut schneidet die Büroarbeit im Metaverse in der Anfang Juni 2022 veröffentlichten Studie „Quantifizierung der Auswirkungen einer einwöchigen Arbeit in VR“ der Hochschule Coburg ab. Die Teilnehmenden arbeiteten fünf Tage lang je acht Stunden mit Pause an einem normalen Office-Arbeitsplatz. Jeweils unter „normalen“ Bedingungen und mit VR-Brillen (Occulus Quest 2). Um die Auswirkungen der jeweiligen Arbeitsform zu belegen, wurden unter anderem Parameter wie Produktivität, Bedienbarkeit, Anspannung, Wohlbefinden usw. gemessen. Insgesamt 14 Kategorien. Die Studie hat gezeigt, dass die Arbeit im virtuellen Office in fast allen gemessenen Bereichen schlechter abschnitt, teils signifikant. Beispielsweise stieg bei der virtuellen Arbeit die gefühlte Arbeitsbelastung um 35 Prozent, das Frustrationslevel sogar um 42 Prozent. Vielleicht ist aber nur etwas mehr Zeit für die Eingewöhnung nötig: In den Kategorien Herzschlag und Anspannung lagen die Werte der VR-Arbeit zu Anfang deutlich über denen der physischen Arbeit. Ab Tag vier hatten sie sich nahezu angeglichen.
Zwischen den Welten
Wenn die Metaversen – es wird zahlreiche Anbieter virtueller Welten geben – problemlos bereit für Besucher sind, könnte unter anderem aus dem Metaverse eines Unternehmens schnell in den virtuellen Raum eines Geschäftspartners „gewechselt“ und dort ein Geschäftstermin wahrgenommen werden. Im Grunde wie bei einem Videomeeting, dafür aber auch in 3D und interaktiver. Solch ein Office-Alltag könnte viele Geschäftsreisen ersetzen, Reisezeit und -geld sparen sowie die Umwelt schonen. Allerdings ist der Energieaufwand für Server, Datentransfer usw. aktuell noch immens, wie eine Bitkom-Studie belegt.
Blick voraus
Das Metaverse ist noch sehr im Werden begriffen. Die Chance besteht, dass die derzeitige Evolution hin zum Web 3.0 in einer mehr oder weniger weit entfernten Zukunft zu einer Revolution der Wissensarbeit führt. Bis es so weit ist, müssen aber noch einige digitale Schritte unternommen werden. So gibt es aktuell noch keine einheitliche Definition des Begriffs Metaverse. Wie sich Schöpfer und Erschaffer das zukünftige Metaverse vorstellen, lässt sich in einem werbelastigen Clip mit Mark Zuckerberg, dem CEO von Facebook/Meta, nachvollziehen. Dass das reale Metaverse im Moment noch in den Kinderschuhen steckt bzw. die Kinderkrankheiten eine angenehme Erfahrung verhindern, zeigt ein 24-Stunden-Selbsttest.