Alles ändert sich, manchmal schneller, manchmal etwas langsamer. Wichtig ist in der Regel, dass sich überhaupt etwas bewegt. Der New-Work-Experte Gabriel Rath beschreibt, warum das auch für die Büroarbeitswelt gilt. Ein Überblick über alte und ein Ausblick auf neue Office-Kultur.
Das Office ist tot. Es lebe das Office. Viel ist in den letzten Monaten geschrieben worden über das gute alte Büro, die Kulturstätte der Wissensarbeiter, zu der Geschäftsführer und Praktikanten allmorgendlich pilgerten wie die Lemminge. Hier versammelten wir uns an der Kaffeemaschine mit den Kollegen, lästerten und flirteten, lachten und weinten. Manchmal gleichzeitig.
Führungskräfte schwebten durch Flure, grüßten von oben herab und zelebrierten ihr „Management by walking around“, auch wenn Kontrolle immer eine Illusion war. Wenigstens hatte man alle Hühner im Stall und konnte nach Herzenslust anweisen. Die Welt war geregelt, der Ameisenhaufen organisiert und die Hierarchie manifestiert.
Den Büros lag die Welt zu Füßen. Von hier aus wurden Konzerne geführt, Mitarbeitenden gekündigt und Kampagnen gestrickt wie in den verqualmten Offices von Don Draper in der Madison Avenue. Erfolgreich war, wer im Büro zu sehen war und lange blieb: Statussymbol Überstunde. Um in die Manege des Business-Theaters zu gelangen, nahmen viele ausufernde Fahrtwege auf sich, setzten Ehen aufs Spiel und sich selbst ins Auto. Die Umwelt applaudierte.
Der Game-Changer
Bis eines Tages diese gigantische Bremse in die Welt gehauen wurde. Corona änderte alles. Über Nacht wurden Millionen Heimarbeitsplätze aus dem Boden gestampft, VPN-Tunnel eingerichtet und gut gemeinte „Wir-schaffen-das-Botschaften“ an die Belegschaft versendet. Die da oben befahlen, und der Rest machte das Beste draus. Wir bauten das neue Büro in Jogginghosen am Küchentisch, mit dem Kind auf dem Arm und dem Chef auf den Ohren.
Eine historische Chance
Als die Homeoffice-Pflicht im Juli 2021 aufgehoben wurde, waren viele Arbeitnehmende im neuen Normal angekommen. Die große Frage stand im Raum: Wie und wo wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten? Heute haben Unternehmen eine historische Chance, ihre Unternehmenskultur positiv zu gestalten, wenn sie das Büro als Kreativ- und Begegnungszentrum neu interpretieren.
Beim Retailer Otto setzt man auf ein aktivitätsbasiertes, hybrides Arbeitsmodell, bei dem Mitarbeitende mobil oder im Büro arbeiten können, je nachdem, welcher Ort besser zur individuellen Arbeitssituation passt und welche Infrastruktur benötigt wird. Auch bei dem Rostocker Start-up der moin!-App entscheiden Teams selbstständig, wo und wie sie arbeiten. In den Büros sorgt ein Flex-Desk-System für die nötige Flexibilität, die man sonst nur von Coworking Spaces kennt. Gleichzeitig nutzt man die Lounge des trendigen Containerhostels Dock Inn, um zu klönen, zu feedbacken und zu brainstormen.
Umgebung gewinnt
Am Ende werden nicht die Unternehmen erfolgreich sein, welche die modernste Technologie in die Büros integrieren, sondern jene, die die beste Umgebung schaffen, damit sich Mitarbeitende flexibler und selbstbestimmter organisieren können. Und damit diese einen Grund haben, ihr Zuhause zu verlassen, denn das muss heute schon ein wirklich guter Grund sein.
Gabriel Rath, Speaker, Blogger, Berater. |