Noch in diesem Jahr könnte es zu einer Normalisierung der Büroarbeit kommen. Katharina Dienes und Tilman Naujoks vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO erklären, wie die Zusammenarbeit künftig aussehen kann, insbesondere in Bezug auf Meetings und Events.
In den letzten Monaten wurde die Gestaltung unseres Alltags maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt. Das eigene Zuhause wurde für einen Großteil der Gesellschaft sowohl für berufliche als auch private Aktivitäten zum Dreh- und Angelpunkt. Homeoffice und virtuelle Meetings ersetzten die tägliche Fahrt ins Büro oder Geschäftsreisen. Viele Office-Worker hoffen nun auf eine baldige Rückkehr zur „neuen, alten Normalität“. Doch wie genau sieht diese Post-Corona-Arbeitswelt aus? Bedeutet das Erreichen der Herdenimmunität die vollständige Rückkehr ins Büro, oder müssen demnächst neue Konzepte zur Umnutzung bestehender Bürogebäude gefunden werden? Und kann die Zusammenarbeit trotz neuer Distanz gelingen, oder werden aus Teams Einzelkämpfer?
Zweischneidiges Homeoffice
Generell sammelten Arbeitgebende wie Arbeitnehmende während der Lockdowns sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit einer räumlich verteilten Arbeitsweise. Einerseits führte die neue zeitliche und räumliche Autonomie teilweise zu einer besseren Verknüpfung privater und beruflicher Verpflichtungen und Terminen. Andererseits verlangte die entgrenzte Arbeitswelt auch eine neue Alltagsorganisation zur Vermeidung von Dauerbelastung durch ständige Erreichbarkeit. Die Zweischneidigkeit zeigte sich auch bei Untersuchungen der Produktivität von Wissensarbeitenden im Homeoffice: Während Work- und Informationsflow nach anfänglichen Schwierigkeiten lange Zeiten gut funktionierten, zeigte sich vor allem beim Kreativitätsflow ein Rückgang gegenüber der Präsenzarbeit.
Die Entstehung neuer Ideen ist eng verknüpft mit sozialen Interaktionen und einem regen Wissensaustausch. Zwar experimentierten viele Unternehmen mit digitalen Whiteboards und Kommunikationsplattformen, um persönliche Interaktionen durch virtuelle Besprechungsformate zu ersetzen. Jedoch gelang dies nur in einem gewissen Rahmen. Denn während zur organisatorischen Bewältigung der virtuellen Zusammenarbeit genaue Terminabsprachen erforderlich sind, benötigt die Entstehung von kreativem Output oftmals das Gegenteil.
Kreativität ist spontan
Kreative Momente lassen sich nicht planen, sie entstehen meistens überraschend in unerwarteten Situationen und an sogenannten Wohlfühlorten. Studienergebnisse zeigen, dass Kreativität und Innovation zu 93,6 Prozent nicht am eigenen Arbeitsplatz entstehen, sondern beispielsweise in natürlichen Umgebungen, bei Zugfahrten oder bei informellen Pausensituationen. Das persönliche Erleben sowie der ungeplante Face-to-Face-Austausch sind daher maßgeblich für die Ideengenerierung verantwortlich und können auch beim Einsatz digitaler Plattformen nicht vollständig ersetzt werden.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch in Untersuchungen der Veranstaltungslandschaft ab. Während die Umsetzung frontaler Präsentationsformate im virtuellen Raum gut funktionierte, wünschten sich Teilnehmer vor allem bei der Durchführung kreativer Workshop-Formate eine Rückkehr zur Präsenz. Nach wie vor werden das Netzwerken, der Wissenstransfer sowie das gemeinsame Erleben in einem begeisternden Umfeld als zentrale Motive für einen Veranstaltungsbesuch genannt. Vor allem Letzteres ist mit reiner Virtualität kaum zu erreichen.
Corona als Chance
Die Steigerung der räumlichen und zeitlichen Autonomie wird die Arbeitswelt von morgen nachhaltig prägen und zu neuen Arbeitsorganisationen und -räumen führen. Entscheiden zu können, wann, wie und wo einer Arbeitstätigkeit nachgegangen wird, kann sowohl die Motivation als auch Wohlbefinden und Produktivität langfristig steigern. Die Corona-Pandemie ist eine Chance, alte Muster kritisch zu hinterfragen und flexible Strukturen im Unternehmen zu etablieren.
Dennoch zeigen die Erfahrungen der Lockdowns auch die große Bedeutung realer Kontakte. Diese stärken nicht nur die Identität mit dem eigenen Unternehmen und tragen zu einer festeren Beziehung im Team bei, sondern leisten auch einen wesentlichen Beitrag zur Kreativität und Innovation. Unternehmenseigene Räumlichkeiten werden daher auch nach der Pandemie einen hohen Stellenwert behalten und als Ankerpunkt der Teams dienen. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die langfristigen Ausweitungen der Homeoffice-Regelungen zu einer Zunahme der Nutzung dritter Arbeitsorte wie Coworking Spaces führen werden.
Orte der Begegnung
Durch die neue Freiheit entscheiden zu können, wo gearbeitet wird, muss das Bürogebäude der Zukunft neuen Gestaltungsmerkmalen entsprechen und vor allem jene Tätigkeiten unterstützen, die im Homeoffice nicht oder nur erschwert bearbeitet werden können. Die Bereitstellung von unterschiedlichen Kommunikations- und Austauschplattformen sowie großzügigen Kaffeeküchen und anderen Aufenthaltsbereichen ist daher wünschenswert. Vor allem an Schnittstellen zwischen Abteilungen können diese wesentlich zum interdisziplinären Austausch beitragen.
Zusätzlich benötigt das Büro von morgen zur Unterstützung der kreativen Teamarbeit eine vielfältige Bürolandschaft, die auch Möglichkeiten des temporären Rückzugs bereithält. Zeitlich begrenzte Einzelarbeit muss ebenso ermöglicht werden wie interaktives Zusammenkommen.
Mixed Future
Es kann angenommen werden, dass es sich bei der „neuen, alten Normalität“ in einer Post-Corona-Arbeitswelt um ein Mischmodell zwischen dem Arbeiten von zu Hause oder an sogenannten dritten Orten und der Präsenzarbeit in unternehmenseigenen Büroflächen handeln wird. Um sowohl die Unternehmenskultur- und Organisation als auch die Büroräumlichkeiten resilient und zukunftsfähig zu gestalten, bedarf es des Mutes, auszuprobieren und Experimente zu wagen. Nur so kann eine individuelle Interpretation der „alten, neuen Normalität“ in einem Unternehmen gefunden werden, das wandelbar bleibt und sich in unserer dynamischeren Umwelt immer wieder neu erfinden kann.
Studien zum Thema:
- Working from home experience. An empirical study from the user perspective during the Corona pandemic (fraunhofer.de)
- Teamarbeit und ihre Arbeitsumgebung/Teamwork and the Work Environment (Fraunhofer IAO-Shop)
- Die zukünftige Rolle von Business Events im Kommunikationsmix von Organisationen (fraunhofer.de)