Die Schreibtrainerin Astrid Rust verrät an dieser Stelle Kniffe zu Rechtschreibung und Korrespondenz. Der neunzehnte Teil der Serie zeigt, wie Sie mit dem Stichwort Gender in der Praxis umgehen.
Das Stichwort Gender sorgt im Moment für viele Diskussionen. Als Mitarbeiterin in einem Unternehmen müssen Sie sich bei diesem Thema gar nicht so viele Gedanken machen. Wenn Sie aber in einer Behörde oder im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, sind Sie dazu verpflichtet, in jedem einzelnen Satz Frauen und Männer anzusprechen.
Der Hinweis am Anfang eines Textes „Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wählen wir nur die männliche Form, Frauen sind selbstverständlich mitgemeint“ ist in einer Behörde nicht möglich. Bei Wirtschaftsunternehmen können Sie diesen Satz schreiben. Hier finden Sie einige Tipps, wie Sie das Ganze einigermaßen gefällig und lesbar formulieren.
Wie es geht und lesbar bleibt
Eine Möglichkeit ist die männliche Form und dahinter ein „-in“:
- Trainer/-in (übrigens auch ohne Bindestrich möglich: Trainer/in)
Manchmal sieht man auch Klammern: Trainer(innen). Als dritte Kurzform ist das sogenannte „Binnen-I“ vertreten: TrainerInnen; diese Schreibweise ist heute nicht mehr zeitgemäß und sollte nicht mehr benutzt werden. Diese Kurzformen sind zwar möglich, wirken aber vor allem in Fließtexten nicht sehr schön. Aus diesem Grund sollte man immer sogenannte Paarformen verwenden. Der Text wird dadurch zwar länger, wirkt aber runder:
Statt:
- Nach bestandener Prüfung erteilt das Staatsministerium die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte/r Gebärdensprachdolmetscher/in“
schreiben Sie besser:
- Nach bestandener Prüfung erteilt das Staatsministerium die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin“ bzw. „Staatlich geprüfter Gebärdensprachdolmetscher“.
Der folgende Satz ist richtig gegendert – ist er aber verständlich?
- Die Präsidentin oder der Präsident und ihre Stellvertreterin beziehungsweise ihr Stellvertreter oder seine Stellvertreterin beziehungsweise sein Stellvertreter werden jeweils für zwei Jahre gewählt.
Mit kleinen Tricks zum Genderziel
Sie können diesen Satz nicht komplett vereinfachen, es gibt aber einen kleinen Trick, um zumindest einige Doppelformulierungen zu vermeiden. Wählen Sie, wann immer es möglich ist, geschlechtsneutrale Formulierungen:
- Die Präsidentin oder der Präsident werden für zwei Jahre gewählt. Das Gleiche gilt für ihre Stellvertretung.
Geschlechtsneutrale Formulierungen sind auch Ausdrücke wie:
- Lehrkraft
- Mitglied, Mitglieder
- Person, Personen
- Vertrauensperson, Kontaktperson oder die Neuschöpfung Ansprechperson
Aus:
- Die Lehrerinnen und Lehrer planen die Veranstaltung gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern.
wird also:
- Die Lehrkräfte planen die Veranstaltung gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern.
Der Plural als Retter in der Not
Pluralformen sind oft auch sehr gut geeignet, Doppelnennungen zu umgehen:
Statt einem schwerfälligen:
- Für die Bürgerin oder den Bürger, der oder dem die juristische Fachsprache nicht geläufig ist, …
schreiben Sie besser:
- Für die Bürgerinnen und Bürger, denen die juristische Fachsprache nicht geläufig ist, …
Oder Sie machen aus allen „der“ und „die“ einfach mehrere:
- der oder die Angehörige: die Angehörigen
- der oder die Angestellte: die Angestellten
- der oder die Beschäftigte: die Beschäftigten
- der oder die Sachverständige: die Sachverständigen
- der oder die Steuerpflichtige: die Steuerpflichtigen
- der oder die Vorgesetzte: die Vorgesetzten
In vielen Fällen hilft es einfach, persönlich zu werden und die direkte Anrede zu verwenden.
Statt:
- Die Bibliothek steht den Benutzern in der Zeit von … bis … zur Verfügung.
Es klingt doch gleich viel persönlicher, wenn Sie stattdessen schreiben:
- Die Bibliothek steht Ihnen in der Zeit von … bis … zur Verfügung.
Noch persönlicher wirkt ein direktes Sie:
- Sie können die Bibliothek gerne in der Zeit von … bis … benutzen.
Was hilft, wenn nichts hilft?
Helfen all diese Tipps nicht mehr weiter, ist es oft sinnvoll, andere Wortarten oder neue Sätze zu wählen. Teilnehmer werden dann zu Teilnehmenden, die Teilnehmerliste wird zur Anwesenheitsliste. Studenten und Studentinnen werden zu Studierenden. Der Unbefugte oder die Betroffene sind dann die unbefugte Person bzw. die betroffene Person. Sie holen sich nicht mehr den Rat des Arztes (oder der Ärztin) oder Apothekers (oder Apothekerin), sondern einen ärztlichen oder pharmazeutischen Rat.
Manchmal ist es noch einfacher, nämlich in Bereichen, in denen nur Frauen betroffen sind. Warum soll ich die männliche Form nehmen?
- Bei jedem verläuft die Schwangerschaft etwas anders.
Ich kann natürlich auch hier ein weibliches „jeder“ verwenden:
- Bei jeder verläuft die Schwangerschaft etwas anders.
Aber noch klarer wird es mit:
- Jede Schwangerschaft verläuft etwas anders.
Das Wichtigste ist wahrscheinlich, sich dem Thema so unverkrampft wie möglich zu nähern ...
Astrid Rust, Trainerin für neue Rechtschreibung und moderne Korrespondenz. |