Das Büro muss zur Plattform für die Gestaltung von Arbeitsplatzkultur werden, finden Frank Hauser und Dr. Karsten Schulte-Deußen vom Forschungs- und Beratungsinstitut Great Place to Work. Hier erklären sie, wie das gelingt und welche Rolle Mitarbeiterführung, Kommunikation und Wohlbefinden dabei spielen.
Das Architekturcredo „Form follows function“ ist bei der Planung oder Umgestaltung von Büroarbeitsplätzen eine zentrale Leitlinie. Dabei geht es überwiegend um eine optimierte Flächennutzung, in der funktionale und betriebswirtschaftliche Aspekte im Mittelpunkt stehen. Auch aus arbeitspsychologischer Sicht wurden gegen diese Haltung lange Zeit keine Einwände formuliert. In den Klassikern der Arbeitszufriedenheitsforschung (etwa Hackmann & Oldham: „Work redesign“ von 1980 oder Herzberg et al.: „Job attitudes“ von 1957) gelten Themen wie die Ausstattung mit Arbeitsmitteln oder die Gestaltung von Räumlichkeiten als „Hygienefaktoren“. Aus dieser Perspektive ist es hinreichend, das Büro vorwiegend unter ergonomischen Gesichtspunkten zu betrachten und gewisse Mindeststandards zu erfüllen. Die räumliche Arbeitsumgebung hat aus dieser Perspektive lediglich das Potenzial, zu einem Störfaktor zu werden. Heutzutage sind entsprechende Forschungsergebnisse zu relativieren. Aktuelle Studien zeigen, dass die Unternehmenskultur – das ist vereinfacht die Art und Weise, wie die Dinge im Unternehmen laufen und welchen Prinzipien sie dabei folgen – einen wichtigen Einfluss auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen hat (vgl. etwa Frank Hauser et. al.: „Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland“ von 2008). Das Büro wird zu einer Plattform für die Gestaltung von Arbeitsplatzkultur, die wiederum das Engagement und die Wirksamkeit von Mitarbeitern fördert.
Beziehungen gestalten
Doch welche Aspekte sind in Betracht zu ziehen, wenn es darum geht, bei der Bürogestaltung nicht nur ergonomische und flächenoptimierende Aspekte, sondern auch Aspekte der Unternehmenskultur zu berücksichtigen? Forschungsarbeiten von Great Place to Work zeigen, dass es bei einer mitarbeiterorientierten und erfolgsfördernden Arbeitsplatzkultur vor allem darum geht, Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, unter den Mitarbeitern selbst und zwischen Mitarbeitern und dem Unternehmen in einer positiven Art und Weise zu gestalten. Drei fundamentale Säulen einer entsprechenden sehr guten Arbeitsplatzkultur sind Vertrauen, Stolz und Teamgeist. Vertrauen lässt sich wiederum weiter differenzieren, sodass sich fünf zentrale Dimensionen ergeben: Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamgeist. „From an employee viewpoint, a great workplace is one in which you trust the people you work for, have pride in what you do and enjoy people you are working with“ (Robert Levering: „A Great Place to Work“, 1988, S. 26).
Neues Führungsverständnis
Aktuelle eigene Analysen, in die Aussagen von rund 3.600 Beschäftigten aus Mitarbeiterbefragungen in acht Industrieunternehmen in Deutschland einfließen, zeigen, dass im Arbeitskontext Büro das Verhalten von Führungskräften einen starken Effekt auf das Engagement der Beschäftigten und auf die Wahrnehmung des Unternehmens als sehr guter Arbeitgeber hat. Gleiches gilt für den Teamgeist. Eine Studie der Initiative Neue Qualität der Arbeit (2014) stellt die These auf, dass angesichts von Komplexität und Dynamik des Wirtschaftsgeschehens ein hierarchisch-steuerndes Management nicht mehr angemessen sei. Vielmehr gehe es darum, im Unternehmen das Koordinationsprinzip der sich selbst organisierenden Netzwerke zu etablieren, um kreativ, schnell und flexibel agieren zu können. Führungskräfte verlieren dadurch einen gewissen Schonraum. Sie müssen Beschäftigten gegenüber unmittelbar dialogbereit auftreten und können nicht verlangen, ihre eigenen Vorstellungen qua Anweisung zu realisieren. Das Arbeiten in flexiblen Strukturen und die professionelle Gestaltung ergebnisoffener Prozesse werden damit zu zentralen Aufgaben von Führungskräften in der Zukunft.
Offener Informationsfluss
Eine moderne Büroumgebung muss vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Untersuchung vor allem zwei wesentliche Zielstellungen verfolgen. Sie darf nicht durch Raumgestaltung Status zum Ausdruck bringen, sondern muss dafür sorgen, dass Führungskräfte näher an ihre Mitarbeiter heranrücken. Dies bedeutet auch, dass Mitarbeiter Zugang zu Informationen erhalten, die in einer traditionellen Unternehmenskultur Führungskräften vorbehalten waren. Die moderne Büroumgebung sollte dabei weit mehr sein als die viel zitierte „open door policy“, die sicherlich ein notwendiger erster Schritt zu einer zukunftsorientierten Arbeitsplatzkultur ist. Beispiele für entsprechende Elemente sind „offene Büros“ von Führungskräften, wechselnde Arbeitsplätze oder gestalterische Elemente bzw. Räume, in denen Informationen, die für die Mitarbeiter wichtig sind, permanent verfügbar gemacht werden.
Raum für Kommunikation
Der zweite wichtige Aspekt besteht in der Förderung von Kommunikation auf allen Ebenen. Hierbei geht es allenfalls in zweiter Linie um eine gut organisierte Regelkommunikation in technisch nach dem neusten Stand ausgestatten Besprechungsräumen. Wichtig ist vielmehr das Möglichmachen einer durchaus spontanen, flexiblen Kommunikation über Bereichsgrenzen hinweg. Dies kann zum Beispiel geschehen durch offene Kommunikationsflächen, einen Innovationsraum, der dafür hergerichtet wird, Kreativität zu animieren und neue Ideen weiterzuentwickeln, oder eine Mitarbeiterlounge, die die Gelegenheit bietet, sich in lockerer Atmosphäre auszutauschen.
Raum für Wohlbefinden
Ein dritter Aspekt für die Gestaltung von Bürokonzepten sind Maßnahmen, die dazu beitragen, den Wohlfühlfaktor im Büro zu verbessern. Dabei geht es einerseits darum, Mitarbeitern Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen und ihnen damit zu demonstrieren, dass sie ein wichtiger Teil des Unternehmens sind. Andererseits sollen durch attraktive Pausenräume Möglichkeiten geschaffen werden, Entspannung zu finden und Teamgeist zu erleben. Beispiele guter Praxis sind Kreativworkshops zur Bürogestaltung, das Aufhängen von Mitarbeiterfotos in Fluren und Treppenhaus sowie der berühmte Kicker, eine Tischtennisplatte oder eine große Küche für gemeinsame, den Teamgeist fördernde Aktivitäten der Mitarbeiter.
Kein Schema F
Insgesamt muss allerdings auch festgestellt werden, dass es nicht den einen richtigen Weg zur Gestaltung einer Büroumgebung gibt. Die individuellen Werte eines Unternehmens müssen neben den jeweiligen Tätigkeiten hierfür die zentrale Richtschnur sein. In jedes Briefing für Architekten, die einen Auftrag zur Neu- bzw. Umgestaltung eines Bürogebäudes erhalten, gehören unbedingt Aussagen darüber, wie man sich im Unternehmen das Thema Führung vorstellt, welche Kommunikationsstrukturen unterstützt und gefördert werden sollen oder wie man Teamgeist gestalten möchte. Das Gestaltungsprinzip „Form follows function“ muss für das Büro der Zukunft eigentlich heißen „Form follows leadership principles“ oder „Form follows company values“.
Das Buch zum Beitrag
Martin Klaffke (Hg.): „Arbeitsplatz der Zukunft: Gestaltungsansätze und Good-Practice-Beispiele“, Springer Fachmedien, |