Den chinesischen Blick auf das Thema Büromöbel gab es Ende März wieder auf der China International Furniture Fair in Guangzhou zu erkunden. Dr. Sebastian Klöß durchstreifte die 350.000 m2 große Messe am Ufer des Perlflusses. Er entdeckte bekannte Trends, verspielte Alternativen und globale Verbindungen.
Wer durch Guangzhous Straßen läuft, erlebt eine quirlige chinesische Metropole. Exotisch, reizvoll und in vielem anders. Betritt man dann die Messehallen der CIFF, wird es plötzlich verblüffend vertraut. Beispielsweise war das große, auch bei uns angesagte Thema der Frühjahrs-CIFF die Customization. Während einer Global Office Furniture Outlook genannten Vortragsveranstaltung widmeten sich Experten aus China, den USA und Europa diesem Trend. Dass das Thema bei den chinesischen Produzenten angekommen ist, bewiesen Gespräche auf der Messe. Etliche Hersteller betonten stolz, die Büros international tätiger Unternehmen individuell ausgestattet zu haben.
Globale Verschmelzungen
Ein weiteres weltweit angesagtes und auf der CIFF präsentes Thema war die Technisierung. Spektakulär war ein per Sprachsteuerung bedienbarer Sitz-Steh-Tisch, den Sunon vorführte. Noch versteht er allerdings nur Chinesisch. Maratti zeigte einen Techno-Hingucker: Der Prototyp eines sensorgespickten Drehstuhls warnt per App, wenn zu lange in einer ungesunden Zwangshaltung verharrt wird. Ein weiterer aus Europa bekannter Trend war das Vermischen von Wohnung und Büro: Sitzlandschaften, so weit das Auge reichte, außerdem Kombinationen aus Schreibtisch, Stauraum und Soft-Seating. Oft sind die chinesischen Versionen farbenfroher und verspielter. Wie die bunten Klötze des gleichnamigen Computerspiels sehen beispielsweise die Module des Regalsystems Tetris von Quama aus.
Wer kauft chinesische Büromöbel?
Klar, es liegt auch an den kopierten Büromöbeln, dass auf der CIFF vieles vertraut erscheint. Aber neben der Frage „Wer hat’s erfunden?“ sollte „Wer kauft es?“ stehen. Europa und die USA sind für die großen chinesischen Büromöbelhersteller wichtige Absatzmärkte, dort tauchen sie aber praktisch nie unter ihrem Namen auf. Denn ihre Produkte finden sich bei IKEA und Möbeldiscountern – und die eigenständigen Entwürfe in den Programmen bekannter europäischer sowie US-amerikanischer Büromöbelfirmen. Daher ist die Prognose nicht allzu gewagt, dass man das eine oder andere, was auf der CIFF ausgestellt wurde, auch auf der Orgatec sehen wird. Mit anderem Markenemblem.
Schlafender Riese China?
Viele der chinesischen Büromöbelhersteller sind hinsichtlich Produktionszahlen und Umsatz bedeutend größer als jene in den USA und in Europa. Warum sie ihre Produkte nicht bei uns verkaufen? Höflich ausweichend geben sie zu verstehen, dass ihre jeweiligen Partner vor Ort den dortigen Markt besser verstünden. Ob das so bleibt? Lenovo und Huawei belegen den internationalen Erfolg chinesischer Unternehmen – sogar im Technikbereich, in dem Kunden markenaffiner sind. Die Chinesen könnten also durchaus für ein Erdbeben in der hiesigen Bürobranche sorgen. Wer sich selbst ein Bild vom Büromöbelmarkt im Reich der Mitte machen will, hat schon im Herbst die Chance. Dann findet vom 7. bis 10. September die zweite CIFF des Jahres in Shanghai statt.