Ab sofort verrät Ihnen die Schreibtrainerin Astrid Rust an dieser Stelle regelmäßig Kniffe zu Rechtschreibung und Korrespondenz. Im ersten Teil der Serie geht es um den Zusammenhang von Lauten und Buchstaben – der beim Schreiben zu Fehlern führen kann.
Schreiben wir eigentlich immer genau so, wie wir sprechen? Wie geht die deutsche Sprache mit der Laut-Buchstaben-Zuordnung um? Wir sagen [wa:l] und schreiben Wal oder Wahl, wir sagen [sa:l] und schreiben Saal – für einen einzigen Laut benutzen wir drei unterschiedliche Schreibweisen.
Bei der Rechtschreibreform stellte sich die Frage, ob man unser Schreiben nicht stark vereinfachen sollte, auch wenn sich dann unser vertrautes Schriftbild erheblich ändern würde. Urteilen Sie selbst:
Im groszen Sal hat der dikke Wal die Qual der Wal, zusammen mit Hei, Al und anderen verwanten Tiren filosofische Gespreche zu füren oder bei Rokkmusik im Rütmuss zu tanzen.
Aus verständlichen Gründen hat man bei der Reform auf radikale Änderungen verzichtet und versucht, nur die größten Abweichungen systematisch anzupassen. Dabei ging man von folgender Grundregel aus:
Wörter vom gleichen Stamm und/oder bei gleicher Aussprache schreibt man gleich. |
Kuss und Gruß von Julius
Der wichtigste Bereich in diesem Zusammenhang ist die Schreibweise von ss und ß. In der alten Rechtschreibung schrieb man einerseits Wörter mit gleichem Wortstamm und gleicher Aussprache unterschiedlich, zum Beispiel Er paßt auf vs. Ich passe auf.
Andererseits gab es Wörter mit gleicher Schreibweise, aber mit unterschiedlicher Aussprache: Fluß (kurz) vs. Fuß (lang). Dieses Problem ist jetzt gelöst: Die neue Schreibung nimmt die Länge des Vokals als einziges Kriterium und sorgt so für eine einheitliche und nachvollziehbare Regel:
ss nach kurzem Vokal ein bisschen – befassen – Fluss – messen – missachten – ich muss – Prozess – Schluss |
ß nach langem Vokal und Doppelvokal (= Diphthong) groß – Gruß, Grüße – Straße – Unregelmäßigkeit – außerhalb – heißen – reißen |
Der Buchstabe ß existiert also nach wie vor. Es war nie die Rede davon, ihn vollkommen abzuschaffen – einzig seine Anwendung ist systematischer geworden.
Achtung! das: Artikel, Relativpronomen oder Demonstrativpronomen: austauschbar mit dieses, welches oder dies dass: Konjunktion, kein Ersatz möglich |
Belämmertes Lamm
Auch Ableitungen richten sich meist nach ihrem Wortstamm und werden daher bei gleichem Stamm auch gleich geschrieben. Von dieser Anpassung ist eine Liste mit 14 Wörtern betroffen, von denen Sie wohl nur folgende in Ihrem Büroalltag benutzen:
Quantum > Quäntchen
Überschwang > überschwänglich
aufwenden/Aufwand > aufwendig/aufwändig (beides ist richtig)
Die anderen Wörter sind behände, belämmert, Bändel, Gämse, Stängel, Schenke oder Schänke, ein-/verbläuen, schnäuzen.
Ableitungen passen sich auch bei Wörtern an, die ursprünglich aus anderen Sprachen kommen. Auch hier ist nur eine überschaubare Liste von Wörtern betroffen, von denen nur wenige mit Ihrem Büroalltag zu tun haben:
nummerieren, platzieren, Stopp, Tipp
Alle anderen sind weniger gebräuchlich: Ass, frittieren, Karamell, Messner oder Mesner, Mopp, Plattitüde oder Platitüde, Stepptanz, Stuckateur, Tollpatsch, Wagon oder Waggon
Hier gibt es allerdings eine Reihe von Ausnahmen: Viele einsilbige Wörter aus dem Englischen bzw. Lateinischen verdoppeln in der Einzahl ihren Konsonanten nicht, auch wenn es bei den Ableitungen der Fall ist (Bus, fit, Flop, Jet, Job, Trip, …). Auch Wörter wie Ergebnis verdoppeln das s nicht, obwohl man im Plural Ergebnisse schreibt.
Bassstimmen im Zooorchester
Eine Besonderheit der deutschen Sprache ist die Möglichkeit, neue Wörter beliebig aus mehreren Wörtern zusammenzusetzen. Das berühmteste Beispiel ist der Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän. Probleme gibt es, wenn Wörter aufeinanderstoßen, die mit einem Doppelkonsonant enden, das angefügte Wort jedoch mit dem gleichen Buchstaben beginnt (Schiff + Fahrt).
An die komplizierten Regeln von früher brauchen wir uns nicht mehr zu erinnern, wir befolgen heute einfach die Regel, dass immer alle Buchstaben erhalten bleiben (Schifffahrt). Bei Zusammensetzungen aus Substantiven ist die Schreibung mit Bindestrich als gleichberechtigte Variante möglich (Schiff-Fahrt).
In diesem Zusammenhang gibt es noch einige Einzelfalllösungen (oder Einzelfall-Lösungen):
selbstständig = selbständig. Beide Varianten sind richtig.
Rohheit = roh + heit. Beide h bleiben erhalten.
rau: h fällt weg, man schreibt wie blau, grau, schlau usw. (ebenso: Rauheit, Raufaser usw.).
Känguru: h fällt wie bei Emu, Gnu, Kakadu weg.
Weitere Beispiele sind hier wohl nicht notwendig – man braucht diese zusammengesetzten Wörter relativ selten. Nur einige spezielle Berufssparten haben damit öfter zu tun: Für Galeristen oder Künstler sind Stillleben (oder Still-Leben) wichtig, im Theater gibt es Balletttänzer in der Balletttruppe (oder Ballett-Tänzer in der Ballett-Truppe), bei manchen Schriftstellern spielt eine Schneeeule (oder Schnee-Eule) eine wichte Rolle.
Unternehmensberater sprechen gerne vom Missstand, aber noch lieber benutzen sie englische Fachbegriffe, doch um diese sogenannte Anglizismen und um andere Fremdwörter kümmern wir uns in der nächsten Ausgabe.
Astrid Rust, Trainerin für neue Rechtschreibung und moderne Korrespondenz, deutsch plus. |