Der Arbeitgeber ist laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, psychische Gefährdungen für die Mitarbeiter zu beurteilen. Doch wie kann er psychische Belastungen erkennen? Die Interessenvereinigung WENZA EWIV nennt Anzeichen.
Ob ein Mitarbeiter überlastet ist, ob er sich gestresst oder auch unterfordert fühlt, wird er seinem Arbeitgeber in den wenigsten Fällen direkt mitteilen. Vorgesetzte müssen deshalb genau hinschauen, um mögliche Gefährdungen und Belastungen erkennen und dokumentieren zu können. Wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, drohen Bußgeldzahlungen.
Krankenstand und Arztbesuche
Das einzige harte Indiz, um psychische Belastungen der Mitarbeiter aufzuspüren, ist der Krankenstand. Wenn die Zahl der Fehltage rasant ansteigt, sollten beim Arbeitgeber die Alarmglocken schrillen. Denn Krankheit ist nicht nur für die Betroffenen schlimm. Auch für das Unternehmen bedeuten die Fehlzeiten Einbußen – finanziell und im Arbeitsablauf. Dabei ist je nach Branche die durchschnittliche Anzahl von Fehltagen unterschiedlich: Im Verwaltungsbetrieb sind fünf Prozent bereits dramatisch, im gewerblichen Bereich sind diese hingegen noch vertretbar. Statistiken über den Krankenstand einzelner Branchen veröffentlichen die Krankenversicherungen regelmäßig. Auch wenn Mitarbeiter häufiger zum Arzt gehen als üblich, sollten Arbeitgeber aufmerksam werden.
Papierberge und Überstunden
Projekte, die nicht wie geplant zu Ende geführt werden, oder Papierberge, die sich auf dem Schreibtisch häufen, sind weitere deutliche Hinweise auf eine Überforderung des Mitarbeiters. Schafft er seine Aufgaben nicht in der vorgegebenen Zeit und muss laufend Überstunden machen, könnte das an einer psychischen Überlastung liegen. Arbeitgeber sollten dann auch darauf achten, ob der Mitarbeiter angespannt wirkt. Kommt er regelmäßig müde zur Arbeit? Oder schafft er noch die Balance zwischen Anspannung und Entspannung?
Drogen und Alkohol
Häufig reagieren Menschen auf übermäßige Belastungen mit dem Konsum von Rauschmitteln und Drogen. Ein Warnsignal für psychische Gefährdungen ist es deshalb, wenn ein Mitarbeiter regelmäßig viel Alkohol trinkt und verkatert zur Arbeit kommt. Aber auch starkes Rauchen kann ein Hinweis auf zunehmenden Stress sein.
Liegt es an der Arbeit?
Wenn der Arbeitgeber Anzeichen psychischer Überlastung erkennt, muss er sich fragen, ob die Ursache dafür im Unternehmen liegt. Risiken im Betrieb können zum Beispiel unattraktive Aufgaben, eine schlechte Arbeitsorganisation, schwierige soziale Bedingungen – wie Mobbing oder Konflikte mit dem Vorgesetzten – oder ein problematisch gestalteter Arbeitsplatz sein. Gefährdungen in diesen Bereichen müssen Arbeitgeber regelmäßig für jeden Mitarbeiter beurteilen und dokumentieren. Tun sie das nicht, können sie persönlich haftbar gemacht werden.
Maßnahmen, um die Gefährdungen zu reduzieren, sind zum Beispiel:
- eine neue Aufgabenverteilung,
- veränderte Arbeitsprozesse oder
- eine andere Gestaltung des Arbeitsplatzes.
Richtig reagieren
Wenn soziale Konflikte bestehen, können Gespräche mit den Betroffenen, eine neue Zusammenstellung der Teams oder veränderte Dienstpläne helfen. „Je nach Einzelfall ist die Lösung unterschiedlich“, erklärt Kent Schwirz, Mitglied des Vorstandes der WENZA EWIV. Die unabhängige Interessenvereinigung hilft Unternehmen unter anderem dabei, die gesetzlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz einzuhalten. „Der Gesetzgeber achtet aber genau darauf, ob Unternehmen Gefährdungen überhaupt erkennen, dokumentieren und Gegenmaßnahmen ergreifen.“
Coaching kann helfen
Sehr viel schwieriger ist es für Arbeitgeber, bei Belastungen zu helfen, die ihren Ursprung im Privaten haben. Trennungen, Krankheit oder finanzielle Probleme nehmen die Mitarbeiter oft so stark mit, dass auch ihre Arbeitsleistung beeinträchtigt ist. „Coaching-Angebote für die Mitarbeiter haben sich als gute Möglichkeit erwiesen, um psychische Gefährdungen aufzuspüren und gleichzeitig Unterstützung zu liefern. Die klassische Mitarbeiterbefragung hingegen liefert meist ein verzerrtes Bild“, sagt Kent Schwirz. „Wenn Unternehmen zum Beispiel im Intranet oder auf einem speziellen Online-Portal Coachings und anonyme Beratung anbieten, kann das für die Mitarbeiter eine wichtige Anlaufstelle sein. Gleichzeitig beweisen Unternehmen damit, dass sie psychische Gefährdungen ernstnehmen und richtig darauf reagieren. Dazu liefern die Anfragen der Mitarbeiter wertvolle Hinweise – auch, wenn sie anonymisiert sind.“