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Die Geschichte des Tisches

Teil 2: Neu­zeit­li­che Varianten

Auch wenn heu­te manch einer sein Smart­phone für ein kom­plet­tes Büro hält, ohne Tisch ist gute Büro­ar­beit nicht vor­stell­bar. Der His­to­ri­ker und Buch­au­tor Hajo Eick­hoff erzählt die Kul­tur­ge­schich­te die­ses Möbels.

Zar­gen­tisch aus dem 17. Jahr­hun­dert. Foto: Dellexxx/Wikimedia Commons 

Die vier Grund­ty­pen: Wan­gen­tisch ... Gra­fik: H. Eickhoff

... Bock­tisch ... Gra­fik: H. Eickhoff

... Säu­len­tisch ... Gra­fik: H. Eickhoff

... und Zar­gen­tisch. Gra­fik: H. Eickhoff

Mit dem Auf­stieg des Bür­ger­tums zur wirt­schaft­lich und poli­tisch herr­schen­den Klas­se wird der Tisch eine maß­ge­ben­de Ord­nungs­ein­heit. Zugleich zieht der Tisch den Stuhl an, durch den die bür­ger­li­che Ober­schicht die Herr­schafts­ges­te des Thro­nens am Tisch über­nimmt. Tisch und Stuhl wer­den zu einer kom­pak­ten Ein­heit ver­bun­den, die die Idea­le unse­res heu­ti­gen Woh­nens und Arbei­tens vorbereitet.

Vier Tisch­ty­pen

In der Zeit der Renais­sance för­dert der Tisch die neue Ord­nung für Arbeit, Poli­tik und Kul­tur, indem das Bür­ger­tum die uns heu­te bekann­ten, nach der Form der Unter­ge­stel­le benann­ten vier Tisch­ty­pen ent­wi­ckelt – Wan­gen-, Bock-, Zar­gen- und Säulentisch.

Beim Wan­gen­tisch stüt­zen – ver­bun­den durch ein brei­tes Quer­holz – zwei ver­ti­ka­le Bret­ter, beim Bock­tisch zwei Böcke und beim Zar­gen­tisch vier Bei­ne, die in einen fes­ten Rah­men ein­ge­ar­bei­tet sind, die Tisch­plat­te. Säu­len­ti­sche hal­ten die Tisch­plat­te durch eine mit­ti­ge Säu­le. Der effek­tivs­te Tisch ist der Zar­gen­tisch. Die Zar­ge – das Mit­tel­glied zwi­schen Tisch­plat­te und Unter­bau – bewirkt eine hohe Stand­fes­tig­keit und ermög­licht eine gro­ße Vielfalt.

Vom Nut­zen des Tisches

Infol­ge der bür­ger­li­chen Arbeit und des wirt­schaft­li­chen Wachs­tums wer­den neue Werk­zeu­ge und Metho­den erfun­den, neue Beru­fe eta­bliert und der Arbeit ange­mes­se­ne Räu­me gestal­tet. Außer­dem erhöht sich der Schrift­ver­kehr. Das ruft nach neu­en Auf- und Abla­ge­flä­chen – den Tischen. So ent­ste­hen Werk­bän­ke und Büro­ti­sche, in deren Fol­ge die gegen­wär­ti­gen Tische der Werks- und Büro­ar­beit ent­wi­ckelt werden.

Das bür­ger­li­che Woh­nen fin­det bis 1700 am Küchen­herd eine sym­bo­li­sche Mit­te. Hier ist man nah bei­einander und stän­dig in Bewe­gung. Dann büßt die Küche ihre zen­tra­le Stel­lung ein, wird blo­ßer Nutz­raum und an die Stel­le des Her­des tritt der Ess­tisch in der Wohn­stu­be. Der Tisch wird der Ort, an dem man äußer­lich zusam­men­kommt und sich inner­lich sam­melt. Die Ver­la­ge­rung vom Herd an den Ess­tisch geht ein­her mit einer Ver­än­de­rung der Kör­per­hal­tung vom Ste­hen und Hocken zum Sit­zen auf Stüh­len. Der Tisch ver­sam­melt die Sit­zen­den, und die Stüh­le iso­lie­ren durch ihren Rah­men die Sit­zen­den von­ein­an­der und vermin­dern den engen leib­li­chen Kon­takt. Das gemein­sa­me Essen am Wohnzimmer­tisch erhöht das Maß an Dis­zi­plin und bringt eine neue Form bür­ger­li­cher Pri­vat­heit hervor.

Was als höfi­sches Ver­hal­ten beginnt und als Arbeits- und Frei­zeit­ord­nung wei­ter­ent­wi­ckelt wird, endet um 1800 als Stan­dard der Bür­ger­lich­keit, indem alle Lebens­räu­me mit Tischen aus­ge­stat­tet werden.

Die Effek­ti­vi­tät des Tisches

Im 18. Jahr­hun­dert ent­steht die Schul­bank. Hier sind Sitz und Tisch fest zusam­men­fügt. In ihr begren­zen die Lei­bes­hal­tung (Sit­zen) und das Tun (Schrei­ben) die kind­li­che Vita­li­tät und Beweg­lich­keit von zwei Sei­ten her: vom Sitz und vom Tisch. Das Schrei­ben erfor­dert ein Höchst­maß an Dis­zi­plin. Das Kind schreibt oder ritzt Buch­sta­be neben Buch­stabe, setzt Zei­le unter Zei­le und schrei­tet auf der Unter­la­ge line­ar vor­an. Es ist still­ge­setzt, gespannt und gebannt am Tisch, bewegt sich aber in ande­ren Medi­en wei­ter: im Medi­um des Schrei­bens (und Lesens) und im Medi­um der sich damit ein­stel­len­den Form des Den­kens, sei­ner linea­ren Klug­heit. Sit­zen auf der Bank und Schrei­ben am Tisch wer­den rasch zu den zwei cha­rak­te­ris­ti­schen Fer­tig­kei­ten, die in der Schu­le ein­ge­übt wer­den. Was man dabei dem kind­li­chen Bewe­gungs­drang vor­ent­hält, soll sich zu einer geis­ti­gen Frei­heit ent­wi­ckeln, sodass bei der For­mung des Men­schen zum zivi­len Wesen Tisch und Stuhl zusammenarbeiten.

Mit der Dif­fe­ren­zie­rung der Arbeit, der Wand­lung im Pri­vat­be­reich, den neu­en For­men der Schul­bil­dung sowie dem, was man unter Zivil­heit ver­steht, spe­zia­li­siert sich der Tisch und nimmt in der Fol­ge viel­sei­tigs­te For­men an.

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