Ein Möbelhersteller und die Moderne in Deutschland
Die Geschichte der Möbelfamilie Knoll begann 1865 in Stuttgart. Damals öffnete Wilhelm Knoll die Türen seines „Leder Geschäfts“. Das war der Grundstein zur Firma Walter Knoll, die in Deutschland die Moderne mitprägte.
Wilhelms Söhne Willy und Walter Knoll übernahmen 1907 das väterliche Unternehmen. Mit Enthusiasmus suchten sie nach neuen Formen und Funktionen für ihre Sitzmöbel. Mit dem Programm Antimott revolutionierte das Unternehmen zu Beginn der 1920er Jahre die traditionelle Polstertechnik. Aufwendige Polster ersetzte es durch Bespannungen mit horizontalen Spiralfedern. Für die Zeppeline entwickelte Knoll erstmalig die leichten Aluminiumsessel.
Stuttgarter Weißenhofsiedlung
1925 gründete Walter Knoll, motiviert von Besuchen der USA, seine eigene Firma, die Walter Knoll & Co. GmbH. Der Erfolgsmensch Walter sah im väterlichen Unternehmen keine Perspektive für sich, sein Bruder Willy erschien ihm zu pragmatisch. Mit der Ausstattung von neun Musterwohnungen für die Werkbundausstellung „Die Wohnung“ 1927 auf dem Stuttgarter Weißenhof ging das Unternehmen ein in die Moderne: Walter Knoll gehörte zu den mutigen Wegbereitern dieses bis heute einmaligen Ensembles, das mit seinen großen Baumeistern – darunter Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier und Walter Gropius – weltweit Maßstäbe für modernes Bauen und Wohnen setzte.
Sessel für die Luftfahrt
Der von Walter Knoll 1928 patentierte technisch neue Ansatz der Prodomo-Modelle mit einer Polsterung aus elastischer Stahlbandfederung entsprach dem Zeitgeist: Leicht, komfortabel, günstig in der seriellen Herstellung und somit für jeden erschwinglich sollten die Möbel sein. Die minimalistischen Prodomo-Modelle mit wenig Gewicht bescherten Walter Knoll auch einen besonderen Auftrag: die Ausstattung des weltweit ersten Großraumflugzeuges Do X mit Prodomo-Sesseln und -Sofas. 1937 zog das Unternehmen nach Herrenberg um. Walter Knolls ältester Sohn Hans ging in den 1940er Jahren nach Amerika und führte dort Knoll International zu einem prägenden Unternehmen der Moderne.
„Neues Wohnen“ nach dem Krieg
Während Deutschland nach 1945 noch vom „Gelsenkirchener Barock“ geprägt war, propagierte Walter Knoll die moderne Lebensweise. Vostra, ein kleiner Schalensessel aus Buchenholz mit Gurtbespannung, entsprach mit seinen klaren Linien dem Lebensgefühl des Aufbruchs. 1949 auf der Kölner Werkbundausstellung „Neues Wohnen“ präsentiert, zählte der Sessel in der gepolsterten Ausführung zu den ersten großen Sitzmöbelserien der Nachkriegszeit.
Zeit der Fernsehtürme
Organische Formen zeichneten den Geist der Wirtschaftswunderära aus. Auf der ersten Kölner Möbelmesse 1950 präsentierte Walter Knoll Schalensessel, Polsterstühle mit elliptischer Sitzfläche und kurvige Cocktailsessel. Der Schalensessel 369, 1956 entwickelt, zählt bis heute zu den Lifestyle-Klassikern. Zeitprägende Modelle entstanden mit bedeutenden Designern wie Arno Votteler, Herbert Hirche oder Herta Maria Witzemann. Nach den Plänen der Innenarchitektin wurde 1956 der erste deutsche Fernsehturm in Stuttgart mit Möbeln von Walter Knoll ausgestattet. 1964 gab Walter Knoll das florierende Unternehmen in die Hände seines Sohnes Robert, der wiederum in den 1980er Jahren seinen Sohn Michael mit der Führung betraute.
Flughafen Tegel
Der Geschäftsbereich Contract entstand in den 1970er Jahren. Aufträge wie die Ausstattung des Flughafens Berlin-Tegel gehören zu den Höhepunkten der Firmengeschichte. Gemeinsam mit Architekt Meinhard von Gerkan entstand der Berlin Chair für die VIP-Lounge des Flughafens. Auch die ursprünglichen Sitzbänke in den Wartebereichen stammten von Walter Knoll.
Weltweit vertreten
1993 kauft die renommierte Möbelfamilie Rolf Benz das Unternehmen Walter Knoll. Markus Benz, der älteste Sohn, führt seither die Geschäfte. Gemeinsam mit anerkannten Architekten und Designern, darunter Norman Foster und PearsonLloyd aus Großbritannien, EOOS aus Österreich, Ben van Berkel aus den Niederlanden, Kengo Kuma aus Japan und Claudio Bellini aus Italien, entstehen Möbel und Installationen in Gebäuden weltweit. Ausstattungen in Objekten reichen von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt bis zur King Abdullah University of Science and Technology in Saudi-Arabien, von der Deutschen Botschaft in Brasilia und Banken in Dubai bis hin zum Hearst Building in New York.