Ungefähr jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland arbeitet heute im Büro. Wie aber kam es überhaupt zur Büroarbeit? Der Historiker und Buchautor Hajo Eickhoff blickt dazu zurück in die Geschichte.
Kontore sind zunächst Räume in Familienhäusern. Die Kontorarbeiter sind Teil der Familie und unterstehen einem Hausherrn. Die Industrie führt dann zur Auflösung dieser Hausgemeinschaften, setzt die Kontorarbeiter frei und macht sie zu lohnabhängigen Angestellten. Um 1800 entstehen so die ersten Räume, die ausschließlich für die Büroarbeit gestaltet sind. Die Büros entstehen jetzt in Fabriken, und ihre Einrichtung und Struktur sind bestimmt durch die Anforderungen der Industrie. Die arbeitsteilige Industrie erzwingt unterschiedliche Büros, die unter dem Dach einer Verwaltung zusammengefasst sind und in neuen Berufen wie Buchhalter, Prokurist, Korrespondent und Bürodiener zum Ausdruck kommen.
Frauen erobern das Büro
Mit der Schreibmaschine gelangt die Frau Ende des 19. Jahrhunderts ins öffentliche Berufsleben. Männer lehnen die Tipparbeit ab, was Frauen eine Perspektive jenseits häuslicher Arbeit gibt. Gewerkschaften, Kirchen und Frauenvereine empören sich, da außerfamiliäre Arbeit Männersache sei. Stenografie und die einheitliche Schrift beschleunigen Arbeitsabläufe und machen die Arbeit effizient. Die Feminisierung führt zu feineren Umgangsformen und zu einer neuen Kleiderordnung und macht das Büroleben abwechslungsreich.
Tisch und Stuhl
Ergonomen entwickeln zu Beginn des 20. Jahrhunderts Methoden zur Rationalisierung von Arbeitsprozessen. Die Schreibtischfläche wird zum rational geordneten Greifraum, dem die rationale Sitzhaltung entspricht, denn Sitzen wird die bestimmende Haltung im Büro. Der erste ergonomisch entwickelte Sitz für Fabrik und Büro ist 1884 der Staffelstuhl, dessen federnde Rückenlehne den Rumpf in jeder Sitzposition stützen soll. Doch in der Unbewegtheit auf dem Stuhl baut der Büroarbeiter physisch ab, während bei der Büroarbeiterin Sehnenscheidenentzündungen und Muskelverhärtungen in Händen, Armen und Schultern hinzukommen und nur wenige Jahre Tipparbeit erlauben. Gegen diese Beeinträchtigungen werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts Halteobjekte wie Stehsitze, Kniestühle und Sitzbälle entwickelt, doch am Ende stehen der drehbare, auf fünf Rollen gelagerte und in alle Positionen verstellbare Sitz und die leichtfingrig zu bedienende Tastatur.
Büroformen im 20. Jahrhundert
Da Büroarbeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als unproduktives Anhängsel der Fertigung gilt, sind nur drei Prozent aller Beschäftigten Büroangestellte. Doch schon um die Jahrhundertwende entstehen Bürosäle – großflächige, wie Fabriken strukturierte Räume, in denen Fließbänder Akten, Aufträge und die Korrespondenz transportieren. In der Mitte des Jahrhunderts entstehen Großraumbüros. Sie fördern Kommunikation und Teamgeist, bedeuten aber auch hohe Geräuschpegel, geringe Konzentrationsmöglichkeit sowie Mangel an individueller Raumgestaltung. Je nach Bedarf entstehen Gruppenbüros, Zellenbüros, Zwei- und Mehr-Personenbüros und das Cubical – ein komplett eingerichtetes vier Quadratmeter großes Büro.
Die Digitalisierung des Büros
Zum Ende des Jahrhunderts wird das Büro digitalisiert. Das Equipment, das aus Computer und Mobiltelefon besteht, beansprucht immer weniger Raum und macht die Büroarbeit in engen und informellen Räumen möglich sowie das Arbeiten in ambulanten Büros, Home-Offices und Büros auf Zeit. Büroarbeit ist eine gesellschaftliche Haupttätigkeit geworden. Heute will sich der Mensch auch bei der Arbeit wohlbefinden, weshalb er sensibel auf die Büroeinrichtung reagiert. Deshalb bedarf Wohlbefinden im Büro heute unbedingt der Bewegung und der Haltungswechsel (gesunder Rücken) und eines Ambiente (Identität), das motiviert.