Die Ernährungsstudie 2017 der Techniker Krankenkasse (TK) hat jüngst aufgezeigt, wie die Essgewohnheiten der Deutschen aussehen. Wir sprachen mit der Ernährungspsychologin Prof. Dr. Anne Flothow über die Ergebnisse.
OFFICE ROXX: Frau Professorin Flothow, die TK-Ernährungsstudie zeigt, dass es vielen Menschen schwerfällt, sich während des Arbeitstages gesund zu ernähren. Woran liegt das?
Prof. Dr. Anne Flothow: Obwohl der Wunsch, sich gesund zu ernähren, vorhanden ist, fehlt nach Einschätzung der Befragten Zeit, Wille und Geld, um diesen Vorsatz auch umzusetzen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, dass eine gesunde Ernährungsweise zu viel Zeit kosten würde. Während bei der im Jahre 2013 durchgeführten Befragung etwa die Hälfte der Befragten der Meinung war, sich in den Arbeitspausen nicht ausreichend Zeit zum Essen zu nehmen, waren es 2017 schon knapp zwei Drittel. Darüber hinaus ist über ein Drittel der Beschäftigten unzufrieden mit dem Verpflegungsangebot am Arbeitsplatz.
Was kann auf betrieblicher Seite getan werden, um diesen Sachverhalt zu verbessern?
Die Verantwortlichen für die Verpflegung im Betrieb sollten das Angebot in den Kantinen, Cafeterien und Snackautomaten für die Mittags- und Zwischenverpflegung kritisch unter die Lupe nehmen. Hinweise, wie das Angebot gesundheitsförderlicher gestaltet werden kann, bietet das Portal JOB&FIT der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Neben dem Essen sollte auch auf eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr von mindestens 1,3 Litern am Tag geachtet werden. Den Beschäftigten sollte im Pausenraum möglichst kostenfrei kühles (gesprudeltes) Trinkwasser zur Verfügung gestellt werden. Außerdem kann die Installation von leitungsgebundenen Trinkwasserspendern angeregt werden. Ist im Betrieb keine Kantine vorhanden, sollten die Mitarbeiter gezielt über eine gesundheitsförderliche Selbstverpflegung informiert werden. Möglichkeiten zur Lagerung und zur Erwärmung der mitgebrachten Speisen sollten in einer Teeküche gegeben sein.
Können Sie ein paar Tipps geben, wie kann man sich während der Arbeit gesund ernähren kann?
Essen Sie bunt! Besteht der einzige Farbkleks auf Ihrem Teller aus dem Tomatenketchup, sollten Sie etwas ändern. Vitamine und Mineralstoffe, zum Beispiel aus saisonalem Obst und Gemüse, magerem Fleisch oder Fisch, sorgen für einen funktionstüchtigen Stoffwechsel. Achten Sie darauf, täglich mindestens zwei Handvoll Obst und drei Handvoll Gemüse zu essen – roh oder gekocht.
Essen Sie schlau! Eiweiß aus fettarmem Fleisch, Milch oder Milchprodukten, wie Joghurt oder Käse, ist wichtig für die Informations- und Signalübermittlung zwischen den Gehirnzellen.
Essen Sie regelmäßig! Bevorzugen Sie dabei Vollkornprodukte. So wird Ihr Körper gleichmäßig mit Energie versorgt und der Blutzuckerspiegel bleibt relativ konstant. Sie entwickeln keine starken Hungergefühle.
DIY – do it yourself! Fertigprodukte enthalten häufig viel Fett, Zucker oder Salz. Schauen Sie daher kritisch auf das Etikett mit den Nährwertangaben.
Essen Sie achtsam! Nehmen Sie Geschmack, Geruch und Textur der Speisen bewusst wahr. Erst 15 bis 20 Minuten nach Beginn einer Mahlzeit sendet unser Körper Sättigungssignale.
Wie wichtig ist der Verzicht auf Smartphones und Co. während der Essenspausen?
Essen ist mehr als die Versorgung mit Nährstoffen. Nur wer sich bewusst auf sein Essen konzentriert, kann es genießen und Sättigungssignale wahrnehmen. Wer beim Essen abgelenkt ist, nimmt nicht wahr, was oder wie viel gegessen wurde.
Was sollte man tun, wenn die Zeit zum Essen während der Arbeit fehlt?
Die Einstellung zum Essen und/oder zur Arbeit überdenken! Wird der Körper nicht ausreichend mit Energie und Nährstoffen versorgt, sinkt der Blutzuckerspiegel. Es entsteht (Heiß-)Hunger. Die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit nimmt rapide ab. Wird der Hunger mit einfachen Kohlenhydraten, zum Beispiel aus Süßigkeiten oder Weißmehlprodukten, gestillt, wird der Körper zwar kurzfristig mit Energie versorgt und es kommt zu einem raschen Anstieg des Blutzuckerspiegels. Dieser sinkt aber kurz darauf wieder ab und lässt ein erneutes Hungergefühl entstehen. Solche Blutzuckerschwankungen können durch regelmäßige Mahlzeiten und den Verzehr von komplexen Kohlenhydraten vermieden werden.
Der schnelle Snack zwischendurch – ist er nötig, um durch den Tag zu kommen, oder sollte bewusst auf ihn verzichten werden?
Das kommt auf den Snack an. Chips und Schokolade liefern wenig Nährstoffe und haben viele Kalorien. Gegen Obst oder eine Handvoll Nüsse ist dagegen nichts einzuwenden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Gerrit Krämer.
Prof. Dr. Anne Flothow lehrt Psychologie |