Im Interview spricht die Culture-Change-Expertin und Buchautorin Susanne Busshart über die Potenziale neurodiverser Talente in Unternehmen. Basierend auf ihren beruflichen und persönlichen Erfahrungen zeigt sie, wie Neurodiversität die Produktivität steigern und das Arbeitsklima verbessern kann.
OFFICE ROXX: Frau Busshart, Sie haben schon viel über den Arbeitsplatz der Zukunft veröffentlicht. Nun verfolgen Sie ein neues Projekt ...
Susanne Busshart: Ich habe mich dem Thema Neurodiversität gewidmet. Sie kann die neue Superkraft im Business sein und ich möchte zeigen, inwiefern das Fall ist. Das Thema Neurodiversität im Business hat enorme Potenziale. In einer Welt, in der Talente rar sind, können Persönlichkeiten aus dem neurodiversen Spektrum – zum Beispiel Autisten oder Menschen mit ADHS – eine Bereicherung sein. Im richtigen Umfeld erbringen sie oft außergewöhnliche Leistungen, die wir dringend brauchen.
Das klingt spannend, aber auch nach einer Herausforderung für Unternehmen.
Natürlich gibt es Anpassungsbedarf. Aber wir individualisieren doch längst vieles, um Talente zu halten. Und das, was neurodiverse Menschen benötigen, kommt oft allen zugute: flexible Arbeitszeiten, Rückzugsräume, klarere Kommunikation. Es ist kein Hexenwerk, sondern ein Gewinn für alle.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Moderne Raumkonzepte wie Multispace-Ansätze sind ideal für neurodiverse Mitarbeitende. Sie bieten sowohl Rückzugsorte als auch kreative Zonen – genau das, was viele brauchen. Solche Maßnahmen fördern nicht nur Neurodiversität, sondern steigern auch die Zufriedenheit aller Mitarbeitenden.
Gibt es Firmen, die das schon erfolgreich umsetzen?
Ja, allerdings vor allem im Ausland. SAP war hier ein Vorreiter mit ihrem Programm für Autisten, und auch Unternehmen wie JP Morgan und Siemens haben Initiativen gestartet. Der Bewerbungsprozess wird dabei klarer und strukturierter gestaltet, um neurodiversen Talenten den Einstieg zu erleichtern.
Ist das nicht sehr teuer?
Das ist relativ. Die meisten Anpassungen – etwa ein Fidget-Spinner-Korb oder Noise-Cancelling-Kopfhörer – sind minimal im Vergleich zu den langfristigen Vorteilen. Sicher bedarf es Coaches oder Mentoren für neurodiverse Mitarbeitende. Aber die bieten viele Firmen heute auch für andere Schlüsselpersonen an.
Was bringt das den Unternehmen konkret?
Die Firmen, die das angehen, berichten von beeindruckenden Ergebnissen: höhere Produktivität, bessere Problemlösungen und ein deutlich positiveres Betriebsklima. Es lohnt sich auf allen Ebenen – von Employer Branding bis zur Effizienzsteigerung.
Wie kann ein Unternehmen starten?
Transparenz und Information sind der Schlüssel. Beginnen Sie mit kleinen Schritten, holen Sie sich Expertise ins Haus und machen Sie Neurodiversität zum Teil Ihrer Unternehmenskultur. Es ist eine riesige Chance, auch in Krisenzeiten.
Dürfen sich Interessierte bei Ihnen melden, wenn sie mehr wissen möchten?
Sehr gern. Ich halte Vorträge, begleite Unternehmen und schreibe ein Buch zu diesem Thema. Als Gründerin und Geschäftsführerin mehrerer IT- und Technologieunternehmen habe ich viel Erfahrung mit neurodiversen Teams gesammelt. Auch privat beschäftige ich mich seit über 30 Jahren mit diesem Thema. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, Menschen glücklicher und Unternehmen erfolgreicher zu machen. Und ich hoffe, dass wir die Superkraft Neurodiversität nutzen, um gemeinsam aus den Krisen zu wachsen.