Der Geist des Coworkings ist aufs Land gezogen. So sieht es unser Experte Tobias Kremkau. Die Grundidee einer lebendigen Gemeinschaft kreativer Köpfe finde man in den Coworking Spaces der Großstädte heute kaum mehr. Die Vision von einer sich austauschenden Community sei nur noch im ländlichen Raum anzutreffen.
Coworking befindet sich erneut im Wandel. Was einst als flexible Alternative zur klassischen Büroarbeit begann, muss sich jetzt neu erfinden, um zu überleben – und um zu wachsen. In den großen Metropolen sehen wir, wie klassische Coworking Spaces zunehmend zu reinen Büroflächenanbietern mutieren. Die teuren Mieten zwingen sie, in immer größere Flächen zu skalieren, um profitabel zu bleiben. Das Resultat: Was vor Kurzem noch als lebendige Gemeinschaft innovativer Köpfe in der Nachbarschaft galt, wird zunehmend zu einem Flächenkonzept, das der Effizienz Vorrang vor Interaktion und Gemeinschaft einräumt.
Abseits der urbanen Zentren, in Kleinstädten und im ländlichen Raum, zeigt sich jedoch eine andere Seite der Entwicklung. Hier entfaltet sich das Potenzial des Coworkings auf eine ganz ursprüngliche Weise – als gemeinschaftlicher Ort, der sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht bloß ein Angebot für flexible Büros schafft. Die Coworking Spaces in diesen Regionen sind gezwungen, vielfältige Funktionen zu übernehmen. Sie werden zu Gemeinschaftszentren, Veranstaltungsorten und kreativen Begegnungsstätten, die nicht nur für Berufstätige, sondern auch für die lokale Bevölkerung Mehrwert schaffen.
Dieser Wandel bringt die Coworking-Szene auf dem Land näher an die ursprüngliche Idee der Bewegung, als Coworking noch primär ein Raum für Kreativität, Austausch und das Teilen von Ideen war. Die ersten Coworking Spaces wurden gegründet, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden, die nicht bloß einen Schreibtisch suchten, sondern eine Gemeinschaft, die neue Perspektiven bietet und inspiriert. In Kleinstädten und ländlichen Regionen sehen wir, wie diese Vision lebendig bleibt. Coworking wird hier als Katalysator für Gemeinschaft und Austausch betrachtet, nicht als reine Einnahmequelle.
Ein Coworking Space in einer Kleinstadt erfüllt heute oft mehrere Rollen: Er ist ein Ort für lokale Veranstaltungen, ein Hub für die Wirtschaftsförderung und ein Raum für kulturelle Aktivitäten. Manchmal ist er zugleich Café, Galerie, Werkstatt und Seminarraum. Diese Anpassungsfähigkeit schafft nicht nur nachhaltigen Mehrwert für die Nutzer, sondern auch eine Verbindung zur Gemeinschaft vor Ort. Ein Coworking Space in ländlichen Regionen schafft Netzwerke zwischen unterschiedlichsten Menschen – von Freiberuflern und Selbstständigen über kleine lokale Unternehmen bis hin zu sozialen Projekten. Hier wird Coworking tatsächlich zu einem Ort der Begegnung und des Zusammenkommens.
Während die Coworking Spaces in Großstädten zunehmend mit dem Immobilienmarkt kämpfen, indem sie immer größer werden und gleichzeitig immer weniger Gemeinschaft zulassen, entfaltet sich das Potenzial der Bewegung abseits der urbanen Metropolen neu. Es zeigt sich, dass gerade in den ländlichen Coworking Spaces die ursprüngliche Vision steckt, aus der vor über einem Jahrzehnt eine Bewegung wurde: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Das Erbe der Coworking-Bewegung wird nicht von gigantischen Büroflächen in teuren Vierteln getragen, sondern von gemeinschaftlichen Räumen in kleinen Städten, die zeigen, wie sich Arbeit und Gemeinschaft wieder sinnvoll miteinander verbinden lassen.
Hier entsteht eine Art „soziale Infrastruktur“, die weit über die eigentliche Büroarbeit hinausgeht. Indem diese Coworking Spaces ihre Räume für kulturelle Veranstaltungen, Workshops oder lokale Projekte öffnen, leisten sie einen wichtigen Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region. In einer Zeit, in der viele ländliche Gebiete mit Abwanderung, Überalterung und einer schrumpfenden Wirtschaft kämpfen, bieten diese Coworking Spaces neue Möglichkeiten, Menschen in die Region zu ziehen und bestehende Ressourcen zu aktivieren. Sie schaffen Perspektiven und zeigen, dass die Zukunft des Arbeitens auch in kleineren Gemeinschaften und abseits der großen Städte eine Chance hat. Diese Form des Coworkings könnte sogar eine Antwort auf die zunehmende Zersiedelung und den Wunsch nach Ortsunabhängigkeit sein.
So wird Coworking in den ländlichen Räumen nicht nur eine Alternative zum städtischen Pendlerleben, sondern auch eine Chance für nachhaltige und gemeinschaftsorientierte Strukturen. Die Herausforderung für die Branche wird es sein, diese Entwicklungen nicht nur als Ergänzung, sondern als Kern der Bewegung anzuerkennen und zu fördern.