Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Das praktizieren längst nicht mehr nur Freelancer. Begriffe wie Workation, Retreat und Offsite haben sich für diese Möglichkeit durchgesetzt, die auch immer mehr Beschäftigte wahrnehmen. Tobias Kremkau erläutert den Nutzen für Person und Region.
Noch vor wenigen Jahren galt das Arbeiten im Urlaub als klarer Tabubruch. Doch die Digitalisierung hat diese strikte Trennlinie zunehmend aufgelöst. Heute zieht es Menschen nicht nur in entlegene Gegenden zur Erholung, sondern auch zum Arbeiten. Dabei geht es längst nicht mehr um das Homeoffice am heimischen Küchentisch, sondern um die Möglichkeit, in inspirierenden Umgebungen produktiv zu sein. Überall in Europa, von Küstenregionen über ländliche Provinzen bis hin zu abgelegenen Bergdörfern, entstehen Coworking Spaces, die mobiles Arbeiten mit dem Charme von Urlaubsorten verbinden.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht keineswegs darum, den wohlverdienten Urlaub für Arbeit zu nutzen, sondern vielmehr darum, die Chancen der neuen Arbeitswelten auszuschöpfen und gelegentlich von Orten aus zu arbeiten, an denen andere Urlaub machen. Hybrides Arbeiten ermöglicht es Beschäftigten, selbstbestimmt zu entscheiden, von wo aus sie tätig sein wollen. Dies eröffnet gerade für ländliche Tourismusregionen enorme Potenziale – sowohl für die lokale Tourismusbranche als auch für die ansässige Bevölkerung.
Das Zusammenspiel von Coworking und Tourismus führt zu vielfältigen Angeboten, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. „Workation“ beschreibt die Möglichkeit, das Homeoffice an einen Lieblingsort zu verlagern. „Retreats“ und „Offsites“ hingegen sprechen vor allem Teams von Unternehmen oder Start-ups an, die sich für spezielle Projekte oder Teambuilding-Maßnahmen aus dem Büro- und Arbeitsalltag zurückziehen möchten – oft in naturnahe Umgebungen, kombiniert mit Freizeit- und Sportmöglichkeiten.
Für ländliche Regionen stellt dies eine Chance dar. Der Rückgang des Tourismus in der Nebensaison oder fehlende Anziehungspunkte abseits der Hauptsaison können durch die Schaffung attraktiver Arbeitsräume kompensiert werden. Immer mehr Berufstätige und Unternehmen suchen nach flexiblen Arbeitsmöglichkeiten und gleichzeitig nach einem Ort, der Entspannung bietet. Die Verbindung von Arbeitszeit und Urlaubsort – sei es für eine Woche oder mehrere Monate – bietet enorme wirtschaftliche Chancen, die gerade in strukturschwachen Gebieten von großer Bedeutung sind.
Diese Veränderungen erlebe ich selbst hautnah. In diesem Jahr habe ich bereits jeweils eine Woche im malerischen Haslach im Kinzigtal und im idyllischen Kurort Bad Sooden-Allendorf gearbeitet. Mein nächster Workation-Aufenthalt führt mich Ende September ins beschauliche Grebenstein. Als Mitarbeiter der vollständig ortsunabhängig arbeitenden CoWorkLand eG treffe ich meine Kolleginnen und Kollegen alle drei bis vier Monate bei Offsites, die irgendwo in Deutschland stattfinden. Anfang des Jahres waren wir im sächsischen Grimma, demnächst sehen wir uns im ostholsteinischen Eutin wieder.
Denn der soziale Aspekt darf nicht unterschätzt werden. Viele, die wie ich aufs Land gezogen sind oder sich regelmäßig für einen temporären Ortswechsel entscheiden, suchen nach mehr Ruhe und Lebensqualität. Doch abseits der städtischen Dynamik kann die Isolation schnell spürbar werden. Coworking Spaces bieten hier eine Möglichkeit, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten – sei es mit anderen Workation-Gästen oder Einheimischen. Diese Räume sind daher nicht nur technologische, sondern auch soziale Infrastrukturen.
Es ist daher entscheidend, dass der Ausbau von Coworking Spaces in ländlichen Regionen und die Integration von Workation-Angeboten in die Tourismusbranche nicht als vorübergehender Trend betrachtet werden, sondern als fester Bestandteil einer zukunftsorientierten Regionalentwicklung. Diese Orte bieten nicht nur mobil arbeitenden Gästen eine neue Heimat, sondern eröffnen auch der lokalen Bevölkerung neue Möglichkeiten.
Coworking Spaces als Orte der Zusammenarbeit und des Austauschs bieten eine Antwort auf die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt und gleichzeitig auf die strukturellen Probleme vieler ländlicher Gegenden. Der Tourismus könnte dabei als Katalysator fungieren und diesen Transformationsprozess in Gang setzen – und so nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen Aufschwung in ländliche Regionen bringen.