Unser Coworking-Experte Tobias Kremkau wundert sich über die aktuelle Back-to-Office-Entwicklung. Dabei habe sich mobiles Arbeiten doch durch den erzwungenen Sprung ins kalte Wasser etabliert. Als eine Bremse der Entwicklung macht er die über 50-Jährigen aus.
Es könnte alles so einfach sein. Coworking ist bereits heute Realität in der Arbeitswelt, allerdings bisher nur ein sehr kleiner Teil von ihr. Dabei erscheint es logisch, dass auch immer mehr Unternehmen Coworking in ihre Arbeitsplatz- und Präsenzstrategien integrieren. Zum einen sparen sie dadurch oft teuer anzumietende Büroflächen ein, zum anderen zeigen sie mehr Vertrauen in ihre Angestellten, wenn diese selbst entscheiden dürfen, wann sie von wo aus arbeiten. Und trotzdem bieten hierzulande erst wenige Unternehmen die Möglichkeit, auch mobil und ortsunabhängig zu arbeiten. Die öffentliche Debatte dreht sich momentan sogar eher darum, ob und wie wieder mehr Menschen zurück ins Büro kommen.
Absurd, meiner Meinung nach, denn spätestens mit dem aufgrund der Coronapandemie als Homeoffice-Strategie getarnten Zwang, vom heimischen Küchentisch aus zu arbeiten, war ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht. Diese kleine Veränderung, seinen Laptop zu Hause statt im Büro zu nutzen, führte zu einer Veränderung im menschlichen Verhalten, die die Logik allein – die Argumente für mobile Arbeit haben sich verglichen mit der Zeit vor Corona nicht verändert – nicht herbeiführen konnte.
Wie viel mobile Arbeit möglich und wie viel sinnvoll ist, muss jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden. Doch auch wenn es an Blaupausen für Unternehmen fehlt, sind jetzt bereits gewisse Entwicklungen zu beobachten. Eine davon könnte erklären, warum wir auch im vierten Jahr der Pandemie noch eine absurde Debatte über Anwesenheit im Büro führen: Es scheinen gerade die älteren HR-Verantwortlichen zu sein, die den Erwartungen und Bedürfnissen einer jünger werdenden Belegschaft im Wege stehen. Diese Interpretation lässt eine jüngst veröffentlichte Studie des Coworking-Anbieters Beehive und des Marktforschungsunternehmens Obsurvant zu.
Menschen kaufen keine Produkte, sondern Lösungen. Diese Vertriebsweisheit trifft auch auf Coworking Spaces zu, die ihren Mitgliedern helfen, Lösungen für ihre individuellen Herausforderungen zu finden, statt nur einen Arbeitsplatz zu nutzen. Dieser kurze TV-Beitrag des Fernsehsenders Arte zeigt anhand eines Pilotprojektes der Datev rund um Nürnberg, warum Coworking eine immer öfters nachgefragte Option für Angestellte ist, ihren Arbeitsalltag anders zu organisieren.
Tipp von Tobias Kremkau
Im Juli 2023 wurden 500 HR-Verantwortliche aus Unternehmen verschiedener Größe zum Thema Corporate Coworking befragt. Die Umfrageergebnisse verdeutlichen zum einen, dass Coworking heute schon Teil der Arbeitswelt ist, oft in Form eines Bonusprogramms. Zum anderen offenbaren sie einen Generationenkonflikt. Laut der Umfrage gaben 48 Prozent der Befragten unter 35 Jahren an, dass ihr Unternehmen bereits Corporate Coworking für Mitarbeitende anbietet. Unter den HR-Verantwortlichen über 50 räumten diese Möglichkeit nur zehn Prozent ein.
Junge Führungskräfte und HR-Verantwortliche scheinen die Bedürfnisse der umkämpften Nachwuchstalente eher zu verstehen und erfüllen zu wollen als die Generation zuvor. Für 78 Prozent der unter 35-jährigen Befragten kommt ein Coworking-Angebot als Teil des Bonusprogramms seitens des Arbeitgebers infrage. Dabei geht es aber nicht nur um den ortsunabhängigen Arbeitsplatz in einem professionellen Coworking Space. 36 Prozent der Befragten unter 35 Jahren sehen einen Mehrwert in zusätzlichen Services und Angeboten der Coworking Spaces, wie Events und Community Management. In diesen Punkten, neben arbeitsstättenkonformen Arbeitsplätzen, liegt der Mehrwert gegenüber dem Homeoffice.
Bereits in den Frühjahrsmonaten des Jahres 2020 war offensichtlich, dass sich durch die Pandemie sämtliche Paradigmen der bisherigen Arbeitswelt verändern werden. Es wurde aber genauso schnell klar, dass auch dieser Wandel seine Zeit brauchen wird. In Gesprächen mit Unternehmen, die ich in meiner Tätigkeit als Coworking-Berater führte, wurde stets auf langfristige Mietverträge hingewiesen. Eine andere Hürde, die erst mit der Zeit überwunden werden kann, sind die diesen Wandel noch nicht akzeptierenden HR-Verantwortlichen und Führungskräfte selbst. Bis diese in den Unternehmen Platz machen werden, wird auch noch eine Weile vergehen. Doch der Wandel kommt ganz sicher.