Im Juli feiert der Briefumschlag seinen 200. Geburtstag. Der Verband der Deutschen Briefumschlag-Industrie (VDBF e. V.) hat die geplante Jubiläumsfeier Corona-bedingt in den Herbst verschoben. Herbert Tillmann, Spezialist für Versandverpackungen, blickt auf die Geschichte des Büro-Klassikers zurück.
Es war nicht immer so, dass Briefe in separate Briefhüllen verpackt wurden. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurden sie durch Umfalten oder Aufrollen und Versiegeln vor unberechtigtem Zugriff geschützt. Viele kennen solche Papierrollen sicher aus den alten Mantel- und Degenfilmen. Mit zunehmendem Postverkehr wurde diese Praxis jedoch immer kostenintensiver und aufwendiger.
Die Anfänge des Briefumschlags in England
Im Jahr 1820 erfand der britische Buch- und Papierwarenhändler S. K. Brewer in Brighton einen Umschlag aus Papier, in den ein Brief gesteckt werden konnte. So sparte er sich das zeitraubende Falten des beschriebenen Bogens und den Verschluss mit einem Siegel. Zudem konnte der Bogen nun von beiden Seiten beschrieben werden. Brewer produzierte die Umschläge zunächst in Handarbeit, wobei er sie mithilfe von Blechschablonen zurechtschnitt. Doch die Nachfrage nach den neuen Briefumschlägen war groß, und so vergab Brewer 1835 an die Londoner Firma Dobbs & Comp. den Auftrag zur Herstellung von Briefumschlägen als Massenartikel.
Zunehmende Technisierung im 19. Jahrhundert
Mitte der 1840er-Jahre entwickelten die Engländer Edwin Hill und Warren De La Rue die Tret-Falzmaschine für die Herstellung von Briefumschlägen. Ihre erste patentierte Maschine wurde dann im Jahr 1851 auf der Weltausstellung in London vorgestellt.
In Deutschland wurde die erste Briefumschlagfabrik im Jahr 1849 vom Kaufmann Rommeler in Jülich gegründet. Da die Maschinen keine Serienreife besaßen, wurden die Umschläge anfangs noch per Hand hergestellt. Vollständig maschinell wurde in Deutschland erstmals bei der Wuppertaler Firma Remkes gefertigt. Der Papierhändler Carl Remkes erwarb dazu 1851 eine der Briefumschlagmaschinen auf der Weltausstellung.
Massenprodukt Briefumschlag
Richtig erfolgreich mit der maschinellen Herstellung von Briefhüllen war die Firma Reinhart Schmidt. Sie betrieb um 1870 bereits mehrere Maschinen, die von je zwei Arbeiterinnen bedient wurden. Bereits 1874 lag die Gesamttagesleistung im Durchschnitt bei 150.000 Stück. 1913 wurden täglich mehr als eine Million Briefumschläge hergestellt.
Die Firma Reinhart Schmidt war es auch, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Produktion von Briefumschlägen mit Lacksichtfenster zur Serienreife brachte. Dafür wurde ein Lack auf die Rückseite des geöffneten Briefumschlags aufgebracht. Später wurden die Lackfenster durch Pergamin-Fensterhüllen ersetzt. Der moderne Briefumschlag, wie wir ihn heute kennen, war geboren.
Digitalisierung, Rückgang und neue Chancen
Noch im Jahr 2010 wurden in Deutschland mehr als 18 Milliarden Briefumschläge verkauft, 2019 waren es nur noch 12 Milliarden Einheiten. E-Mails, Social-Media und die zunehmende Digitalisierung hatten dem Briefumschlag zuletzt das Leben schwer gemacht, düstere Prognosen sprachen sogar schon von einem Auslaufmodell. Doch für Nostalgie ist es noch zu früh. Denn paradoxerweise bringt ausgerechnet die Digitalisierung dem Briefumschlag auch neue Chancen. So bietet der Onlinehandel mittlerweile verschiedene Briefumschläge und Verpackungen an, die es ermöglichen, Waren so zu verschicken, dass sie in den Briefkasten zugestellt werden können.
Herbert Tillmann,
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