Die Schreibtrainerin Astrid Rust verrät an dieser Stelle Kniffe zu Rechtschreibung und Korrespondenz. Der achtzehnte Teil der Serie zeigt, wie Sie ein zielorientiertes Schreiben (Briefziele) verfassen.
Jetzt haben Sie es fast geschafft: Sie kennen alle Stolperfallen bei Rechtschreibung und Kommasetzung. Außerdem wissen Sie, wie Sie Ihre Nachricht, egal, ob E-Mail oder Brief, optimal aufbauen und serviceorientiert formulieren. Auch bei negativen Nachrichten wie Absagen und Reaktionen auf Beschwerden reagieren Sie souverän und gelassen.
Und dennoch – kurz vor dem Ziel fehlt noch irgendetwas
Sie können alle Informationen, die Sie Ihrem Gegenüber mitteilen wollen, kurz, knapp und modern formulieren, aber dennoch haben Sie den Eindruck, dass Sie viel zu viel drumherum schreiben.
Was wollen Sie mit Ihrem Schreiben eigentlich erreichen?
- Wollen Sie etwas mitteilen?
- Wollen Sie über etwas informieren?
- Wollen Sie ein Angebot machen?
- Wollen Sie eine Absage erteilen?
- Wollen Sie zu etwas auffordern?
- Wollen Sie …
Mit jedem Schreiben verfolgen Sie ein besonderes Ziel – siehe oben: Mitteilung, Information, Angebot … Dieses Ziel muss für den Leser klar formuliert sein und – es muss interessant für ihn sein. Interessant ist es aber erst dann, wenn es ihm irgendeinen Nutzen bringt. Er muss sich und seine Bedürfnisse, Wünsche und Vorteile wiederfinden. Erstellen Sie sich vor Ihrem ersten Entwurf eine Liste mit Ihren Korrespondenzzielen: Was soll passieren, wenn der Empfänger den Brief gelesen hat?
Fragen führen zum Ziel
Fragen Sie sich: Kommen bei Ihren Informationsbriefen die Informationen wirklich klar und deutlich heraus? Gibt es Missverständnisse? Hat der Leser Grund für Fragen? Folgt er Ihrer Aufforderung oder müssen Sie ihn mehrmals daran erinnern?
Eine unklare Information, mit der Ihre Leser nichts anfangen können, ein schwammiges Angebot ohne konkrete Handlungsmöglichkeit bringen ihnen keinen Nutzen. Im Gegenteil – Ihre Leser müssen nachfragen oder reagieren überhaupt nicht. Wie sieht so ein zielorientiertes Schreiben also aus? Was sind Briefziele?
Jeder Brief, jede E-Mail sollte ein, zwei oder maximal drei Ziele aufweisen
Ziel 1: Aktion beim Empfänger auslösen.
Ziel 2: Missverständnisse und unnötige Fragen vermeiden.
Ziel 3: Firma als serviceorientierte und kompetente Organisation darstellen.
Ziel 2 und 3 kommen sicher in fast jedem Schreiben vor, das erste Ziel kann variieren (siehe oben): Information, Mitteilung, Aktion …
Mein Beispiel aus der Praxis
Bei einer meiner Bahnreisen hatte nicht alles reibungslos geklappt und ich kam mit ziemlicher Verspätung zu Hause an. Daher wollte ich meine Fahrgastrechte in Anspruch nehmen. Auf meine Entschädigungsanfrage erhielt ich diese Antwort:
Ihr Anliegen vom 07.10.2015; Vorgangsnummer V07974771
Ihre Mail am 28.09.2015 Sehr geehrte Frau Rust, vielen Dank für die Zusendung Ihrer Anfrage zu Ihrer Reise von München Hbf nach Eltville. Gern kümmern wir uns so schnell wie möglich um Ihr Anliegen. Um prüfen zu können, ob Sie im Rahmen der Fahrgastrechte Anspruch auf eine Entschädigung/Erstattung haben, benötigen wir folgende Angaben:
Bitte senden Sie uns die Angaben zusammen mit diesem Schreiben an die oben aufgeführte Adresse. Wenn Sie weitere Fragen haben, rufen Sie uns bitte an. Sie erreichen uns unter der Rufnummer 0180 6 20 21 78’ täglich von 06.00 bis 22.00 Uhr. Mit freundlichen Grüßen Jeanette Bärmann |
Wie sieht es mit den Briefzielen aus?
Ziel 1: Aktion beim Empfänger auslösen (bestimmte Angaben machen) > ja!
Ziel 2: Missverständnisse und Fragen vermeiden > ja!
Ziel 3: Unternehmen service- und kundenorientiert darstellen > ja!
Alle drei Ziele sind optimal getroffen. Ich wusste, was ich zu tun hatte, und ich wusste auch, warum.
Vermitteln Sie daher Ihre Ziele immer klar und präzise – hier eine kleine Checkliste:
- Schreiben Sie Ihr Ziel/Ihre Ziele klar und erkennbar auf.
- Behalten Sie Ihr Ziel von Anfang bis Ende im Auge.
- Drei Ziele pro Brief sind die Höchstgrenze.
- Bleiben Sie im Zweifelsfall bei Ihrem Hauptziel.
- Setzen Sie Prioritäten.
Schreiben Sie immer nutzen- und nutzerorientiert, machen Sie keine schwammigen Aussagen: egal, ob es sich um positive oder negative Botschaften handelt.
- Schlecht: Wenn Sie Interesse haben, dann können Sie sich mit dem anhängenden Formular gerne zu unserer Fortbildung anmelden.
Drücken Sie sich klar und verbindlich aus:
- Gut: Interesse? Dann füllen Sie gleich das beigefügte Anmeldeformular aus und schicken es an uns zurück! Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
- Gut: Bitte melden Sie sich bis … an. Ein Antwortformular haben wir für Sie vorbereitet.
Kein Schaden ohne Nutzen! Schreiben Sie nicht nur, was nicht geht:
- Schlecht: Das Modell xxxx ist nicht lieferbar.
Finden Sie doch etwas Positives an einer insgesamt eher negativen Mitteilung. Stellen Sie das heraus!
- Gut: Das Modell xxx ist nicht mehr lieferbar. Bitte haben Sie noch etwas Geduld: Ende des Monats kommt das Nachfolgemodell mit vielen neuen Extras heraus und Sie erhalten es selbstverständlich zum alten Preis.
Herzlichen Glückwunsch! Sie haben Ihr Ziel erreicht ...
Astrid Rust,
Trainerin für neue Rechtschreibung und moderne Korrespondenz. |