Wer heute unterwegs ist, merkt schnell: Bargeld hat es schwerer als noch vor ein paar Jahren. Die Karte oder gleich das Handy hat längst die Jackentasche erobert. Die Frage ist nur: Muss jetzt wirklich ein Gesetz her, das Kartenzahlung zur Pflicht macht? Ein Beitrag von Anna Müller.

Wer ein Kartenterminal anschafft, könnte Zuschüsse bekommen. Gebühren für Kleinstbetriebe ließen sich deckeln. Abbildung: Blake Wisz, Unsplash
Wer sich die Zahlen anschaut, merkt schnell, dass hier etwas in Bewegung ist. Über die Hälfte aller Einkäufe im stationären Handel werden mittlerweile mit Karte bezahlt. Die Girokarte ist dabei klarer Favorit, doch auch Kreditkarten und mobile Bezahldienste holen auf. Ob im Supermarkt, an der Tankstelle oder beim Versuch, mit der Kreditkarte im Online-Casino einzahlen zu wollen. Das Bedürfnis nach schnellen, digitalen Zahlungswegen ist längst kein Nischenthema mehr.
Kartenzahlung auf dem Vormarsch
Die Pandemie hat wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Auf einmal war es nicht nur praktischer, sondern auch hygienischer, das Portemonnaie im Rucksack zu lassen und stattdessen das Smartphone vor das Terminal zu halten.
Trotzdem: Deutschland hängt hinterher. In skandinavischen Ländern würde es kaum noch jemandem einfallen, Bargeld aus der Tasche zu kramen. Dort funktioniert selbst das Trinkgeld digital. Hierzulande hingegen hält sich der Schein hartnäckig. Das liegt nicht nur an der Infrastruktur, sondern auch an der Haltung. Bargeld wird als verlässlich, überschaubar und sicher empfunden. Und während Digital Natives ihre Girokarte vermutlich gar nicht mehr physisch in der Hand haben, vertrauen andere auf die Münzen im Portemonnaie wie auf einen alten Freund.
Warum über eine Kartenzahlungspflicht diskutiert wird
Trotz aller Trends zur Digitalisierung gibt es immer noch Orte, an denen nur Bargeld zählt. Das ist unbequem und manchmal schlicht unpraktisch. Wer kein Geld abheben konnte oder nicht genügend dabei hat, steht dann ratlos an der Theke. Genau hier setzen politische Ideen an. CDU und SPD wollen, dass in Zukunft jeder Händler in Deutschland mindestens eine digitale Zahlungsart anbieten muss. Die Idee dahinter: Steuerbetrug soll erschwert, der Alltag für Kundschaft erleichtert und der stationäre Einzelhandel fit für die Zukunft gemacht werden. Kritiker werfen ein, dass der Staat hier zu sehr in unternehmerische Entscheidungen eingreift. Schließlich muss nicht jeder Tante-Emma-Laden ein Hightech-Zahlungsterminal betreiben. Und: Geht es bei Digitalisierung nicht gerade um Freiheit und neue Möglichkeiten, nicht um neue Vorschriften?
Was es Händler wirklich kostet
Oft heißt es, Kartenzahlung sei teuer für Händler. Und ja, sie ist tatsächlich nicht kostenlos. Wer ein Kartenterminal betreibt, muss mit monatlichen Mietgebühren rechnen. Dazu kommen Transaktionskosten, bei Girokarten meist unter einem Prozent, bei Kreditkarten auch mal mehr. Bei einem Umsatz von 4.000 Euro im Monat können da schon rund 50 bis 60 Euro zusammenkommen. Für kleine Läden ist das eine relevante Summe.
Aber die andere Seite der Rechnung wird oft übersehen. Denn wer Kartenzahlung anbietet, verliert seltener Kundschaft an die Konkurrenz. Viele geben schlicht mehr Geld aus, wenn sie nicht jeden Euro abgezählt auf den Tresen legen müssen. Spontankäufe, größere Warenkörbe, weniger Diskussionen um Wechselgeld. Dazu kommt: Kein Bargeld bedeutet auch weniger Risiko, weniger Aufwand und weniger Wege zur Bank. Für viele Händler rechnet sich das längst.
Bargeld als kulturelles Gut?
Es gibt kaum ein Land, das sich so leidenschaftlich an seinem Bargeld festhält wie Deutschland. Das liegt nicht nur an der Gewohnheit, sondern auch an der Geschichte. Wer sich mit Hyperinflation oder Bankkrisen auskennt, dem gibt ein 50-Euro-Schein im Portemonnaie ein gewisses Gefühl von Kontrolle. Dazu kommt: Bargeld funktioniert ohne Strom, ohne Netz und ohne Technik. Es ist anonym, direkt und in gewisser Weise unabhängig. Doch die Welt dreht sich weiter. Automaten verschwinden, Busfahrer akzeptieren Karten, selbst auf Festivals wird mit Chips oder Apps bezahlt. Bargeld wird leiser, seltener und mancherorts zum Sonderfall.
Pflicht oder Überzeugung
Statt mit Vorschriften zu winken, könnte die Politik auch anders denken. Warum nicht gezielt fördern, statt zu verpflichten? Wer ein Kartenterminal anschafft, könnte Zuschüsse bekommen. Gebühren für Kleinstbetriebe ließen sich deckeln. Vor allem aber braucht es mehr Aufklärung: Viele kleine Händler kennen die Konditionen nicht genau, schätzen die Kosten falsch ein oder fürchten technische Komplikationen. In der Praxis zeigen sich aber längst positive Beispiele. Bäcker, Blumenläden und Marktstände, die auf Kartenzahlung umgestellt haben, berichten oft von zufriedenerer Kundschaft und besseren Abläufen. Manchmal fehlt nur ein kleiner Anstoß, damit aus Skepsis Begeisterung wird.
Fortschritt lässt sich nicht verordnen
Der Trend ist klar: Kartenzahlung wird bleiben und weiter wachsen. Die Frage ist nicht mehr, ob sie sich durchsetzt, sondern wie sie gestaltet wird. Eine Pflicht kann Tempo machen, birgt aber das Risiko, Widerstand zu erzeugen, wo Vertrauen gefragt ist. Wer heute Kartenzahlung anbietet, geht mit der Zeit. Wer es aus Überzeugung tut, gewinnt Kundschaft, Komfort und meistens auch Klarheit im Kassenbuch.
Der Staat kann unterstützen, er kann fördern, informieren und den Weg ebnen. Aber ob es wirklich eine gesetzliche Pflicht braucht, um die Karte zur neuen Norm zu machen? Vielleicht zeigt sich am Ende: Manches funktioniert am besten, wenn man es nicht vorschreibt, sondern einfach möglich macht. Denn der Wandel der Technik entsteht nicht durch Zwang, sondern durch Einsicht. Und durch das gute Gefühl, mit einem Klick auf „Bezahlen“ etwas richtig gemacht zu haben.